Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.12.2011, 6 Sa 1941/11
Eine Mitarbeiterin in der Wohnungswirtschaft dokumentierte ihre Arbeitszeit in Excel-Tabellen. Grundlage dafür war die Weisung ihres Vorgesetzten, der von allen Mitarbeitern die kontinuierliche Führung von Anwesenheitsnachweisen forderte. Die sich nach dieser Dokumentation angesammelten Überstunden klagte die Arbeitnehmerin ein, da der Arbeitgeber zunächst nicht bereit war, die Überstunden anzuerkennen und zu bezahlen.
Anlässlich ihrer Einstellung wurde die Mitarbeiterin von ihrem Vorgesetzten dazu aufgefordert, Arbeitsbeginn und Ende in die im Computer hinterlegte Anwesenheitsliste einzutragen. Das Programm errechnet unter Berücksichtigung von Pausenzeiten die tägliche Mehrarbeit. Das Verhalten des Vorgesetzten ließ auf eine Duldung der Überstunden schließen.
Das LAG Berlin-Brandenburg argumentiert:
Mit seiner Weisung hatte der Vorgesetzte gerade der Verpflichtung der Beklagten aus § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG entsprochen, die über die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden nach § 3 Satz 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer aufzuzeichnen.
Im Berufungsverfahren argumentierte der Arbeitgeber, es sei nicht ausreichend nachgewiesen worden, welche Tätigkeiten in den vermeintlichen Überstunden ausgeführt wurden. Ohne entsprechende, detaillierte Ausführungen könne gar nicht geprüft werden, ob die Überstunden notwendig waren oder die Arbeiten in der regulären Arbeitszeit hätten ausgeführt werden können. Die Mitarbeiterin wäre durchaus in der Lage gewesen, in der regulären Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche ihre Aufgaben zu erledigen.
Dagegen sprach jedoch, dass der Mitarbeiterin mehrfach gestattet wurde, stundenweise der Arbeit fernzubleiben oder Stunden abzubummeln. Der Vorgesetzte hätte bei Zweifeln an der Richtigkeit der Eintragungen diese prüfen und bei Beanstandung eine Korrektur verlangen müssen. Hätten beim Vorgesetzten Zweifel bestanden, so hätte er kontrollieren müssen, wie viele Stunden noch zum Abbummeln zur Verfügung standen.
Das Landesarbeitsgericht ging davon aus, dass die Mitarbeiterin während ihrer Anwesenheit im Büro, mit Ausnahme der Pausenzeiten, Arbeitsleistungen erbracht hat. Dafür sprach der Arbeitsumfang, den die Mitarbeiterin zu erledigen hatte. Dass die Arbeitsbelastung groß war, ergab sich auch daraus, dass der Vorgesetzte der Mitarbeiterin und ihre Kollegin deswegen gelegentlich eines Meetings beim Prokuristen in Halle vorstellig geworden sind.
Basierend auf einer Zeugenaussage müssen beide Geschäftsführer mitbekommen haben, dass ihre Mitarbeiterin länger als die reguläre Arbeitszeit anwesend war. Zu den Aufgaben des Vorgesetzten gehörte die arbeitstechnische Abwicklung des Arbeitsverhältnisses. Damit gehörte es auch zu seinen Aufgaben zu prüfen, ob der Arbeitsumfang in der regulären Arbeitszeit zu erledigen war. Die Hinnahme der längeren Anwesenheit, die zusätzlich in der vom Vorgesetzten entworfenen Excel-Tabelle dokumentiert worden war, konnte nur als Zustimmung zur Mehrarbeit interpretiert werden.
Das LAG Berlin-Brandenburg zitiert eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Berlin:
Die Anwesenheit eines Arbeitnehmers im Betrieb an seinem Arbeitsplatz begründet bereits eine Vermutung dafür, dass diese zur Erledigung seiner Arbeit jeweils notwendig war, (LAG Berlin, Urteil vom 06.04.1983 – 12 Sa 3/83).
Duldet der Vorgesetzte der Arbeitnehmerin die Überstunden, so muss der Arbeitgeber die Überstunden akzeptieren.
Der Arbeitgeber wurde zur Bezahlung der rund 372 Überstunden, die innerhalb des Beschäftigungszeitraumes von einem Jahr und zwei Monaten dokumentiert waren, verurteilt.
Im vorliegenden Fall ist durch das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen worden, dass die Anwesenheit auf der Arbeit nicht aus Spaß, sondern in aller Regel wegen der in dieser Zeit zu erbringenden Arbeitsleistung erfolgt. Eine Klage auf Bezahlung der Überstunden wird aber immer nur erfolgreich möglich sein, wenn die geleisteten Stunden – wie in diesem Fall durch die Excel-Tabelle – sauber dokumentiert sind.