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Betriebsrat darf Gehälter kontrollieren

Betriebsrat darf Gehaltslisten einsehen

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 18.04.2012, 16 TaBV 39/11

Dem Betriebsrat steht grundsätzlich das Recht zu, in Gehaltslisten Einsicht zu nehmen. Dieses Recht gilt selbst dann, wenn sich beinahe die Hälfte der Belegschaft gegen eine Einsichtnahme ausgesprochen hat.

Der Betriebsrat einer Klinik hat nach seiner Neuwahl ordentlich beschlossen, einen Verfahrensbevollmächtigten zu beauftragen, der die Einsichtnahme eines Betriebsratsmitgliedes in die Bruttolohn- und Gehaltslisten der Arbeitnehmer beim Arbeitnehmer mit entsprechenden Verfahren erzwingen soll.

In der ersten Instanz hatte das Arbeitsgericht das Begehren des Betriebsrates bereits bestätigt.

Die Arbeitgeberin wehrte sich gegen das Verlangen des Betriebsrats mit einer Beschwerde. Annähernd die Hälfte der Arbeitnehmer habe der begehrten Einsichtnahme eines Betriebsratsmitgliedes in die Lohnunterlagen widersprochen. Für hoch- und höchstqualifizierte Mitarbeiter würden Gehälter frei verhandelt, so dass für den Betriebsrat keine Veranlassung zur Einsichtnahme bestehe. Das Recht des Betriebsrates zur Einsichtnahme verstoße gegen das Datenschutzrecht in Deutschland sowie der Europäischen Union.

Der Betriebsrat verlangte seit seiner Beschlussfassung lediglich die Einsichtnahme in die Bruttolohn- und Gehaltslisten der Arbeitnehmer, mit Ausnahme der leitenden Angestellten.

Das Landesarbeitsgericht führt aus:

Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Unter den gleichen Voraussetzungen ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen.

Das Erfordernis zur Einsichtnahme ergibt sich aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Der Betriebsrat hat die Einhaltung der Tarifverträge und des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überwachen.

Das Mitbestimmungsrecht bei der betrieblichen Lohngestaltung erfordert ebenfalls eine Einsichtnahme (§ 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 BetrVG).

Lohnbestandteile, die übertariflich oder außertariflich ausgehandelt wurden, sowie die Beteiligung an Liquidationserlösen, muss der Betriebsrat kennen, um einschätzen zu können, ob er aktiv werden muss.

Es ist unerheblich, ob Arbeitnehmer dem Einsichtsbegehren des Betriebsrates widersprochen haben, da der Betriebsrat verpflichtet ist, seine Aufgaben wahrzunehmen.

Datenschutzbedenken gegen die Einsichtnahme des Betriebsrates kann es nicht geben. Jedes Mitglied des Betriebsrates ist den Datenschutzregelungen des Betriebes unterworfen. Damit ist die Geheimhaltungspflicht gewährleistet.

Da die Arbeitgeberin einen Verstoß gegen das Unionsrecht gerügt hat, ist die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil zugelassen.