Kündigung wegen außerdienstlicher Straftat nicht zwingend
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2013, 2 AZR 583/12
Begeht ein Polizist außerdienstlich eine Straftat, muss diese Straftat nicht zwingend der Anlass für eine Kündigung sein. Unter Betrachtung der konkreten Umstände hat die Arbeitgeberin abzuwägen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist und eine Beschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz möglich erscheint.
Ein Polizist stellte in seiner Wohnung sogenannte K.O. Tropfen her. Nachdem die Staatsanwaltschaft öffentlich Klage erhoben hatte, sprach die Arbeitgeberin eine ordentliche, fristgerechte Kündigung aus. Später wurde der Polizist rechtskräftig wegen der unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln in nicht unerheblicher Menge zu einer Bewährungsstrafe von 11 Monaten verurteilt.
Der Polizist widersprach mit einer Kündigungsschutzklage der Kündigung. Die Kündigung sei unwirksam, da er die Straftat außerdienstlich begangen habe.
Die Arbeitgeberin hingegen argumentierte, bei einem Polizisten sei jede Straftat von Bedeutung, da ihm in den Augen der Öffentlichkeit eine besondere Rolle bei der Einhaltung von Gesetzen zukomme. Jeder Rechtsverstoß beschädige das Ansehen des Dienstherrn. Erschwerend käme hinzu, dass der Fall in der Tagespresse behandelt wurde.
In den Vorinstanzen wurde die Kündigungsschutzklage vom Arbeitsgericht Berlin (Urteil v. 29.03.2011, Aktenzeichen 50 Ca 13388/10) und vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil v. 25.10.2011, Aktenzeichen 19 Sa 1075/11) abgewiesen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) widersprach der Auffassung des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg (LAG), die Kündigung aus personenbedingten und verhaltensbedingten Gründen sei sozial gerechtfertigt.
Prinzipiell könnte die Herstellung von K.O. Tropfen als außerdienstliche Straftat einen ausreichenden Anlass für eine personenbedingte Kündigung des Polizisten bieten erläutert das BAG. Die aus der Straftat resultierenden Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Polizisten seien berechtigt. Er habe sich über einen längeren Zeitraum im Widerspruch zu seinen Arbeitsaufgaben und damit zusammenhängenden Verboten bewegt.
Vor einer Kündigung seien jedoch immer andere Möglichkeiten zu prüfen, unter denen sich die Störung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr auswirkt. Versetzung und Abmahnung seien geeignete Mittel eine zukünftige Vertragstreue zu bewirken. Anhand einer Interessenabwägung ist die Verhältnismäßigkeit der Kündigung zu bewerten. Dauer der Betriebszugehörigkeit und ein bisher beanstandungsfreies Arbeitsverhältnis sind in die Entscheidung einzubeziehen.
In Einrichtungen des öffentlichen Dienstes sind immer Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung in der Dienststelle oder einer anderen Dienststelle des Verwaltungszweiges zu prüfen, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird. Voraussetzung dafür ist ein freier Arbeitsplatz, der gleichwertige oder geringere Arbeitsbedingungen aufweisen darf.
Der Polizist wurde nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Innendienst, in der Aktensammelstelle eingesetzt. Das BAG argumentiert, der Polizist könne zwar nicht mehr zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingesetzt werden, das bedeute jedoch nicht, dass er für eine Aufgabe im Innendienst ungeeignet sei.
Im Rechtsverfahren wurde bisher nicht festgestellt, ob der Arbeitgeberin eine Weiterbeschäftigung des Polizisten im Innendienst zumutbar gewesen wäre. Ohne ausreichende Prüfung der Weiterbeschäftigung bleibt die Kündigung wirkungslos.
Das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg wurde aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.