Übernahme eines Leiharbeitnehmers in Vollzeitbeschäftigung
Arbeitsgericht Paderborn, Urteil vom 05.02.2015, Aktenzeichen 5 Ca 1390/14
Eine Betriebsvereinbarung kann die Übernahme von Leiharbeitnehmern in eine Vollbeschäftigung regeln.
Ein als IT-Fachkraft eingesetzter Leiharbeitnehmer begehrte die Übernahme in ein unbegrenztes Arbeitsverhältnis mit der Entleiherin. Basis dafür ist eine Betriebsvereinbarung (BV) Zeitarbeit, die eine unbefristete Übernahme von Leiharbeitern ab dem 19. Arbeitsmonat verpflichtend vorsieht, soweit der Leiharbeitnehmer die Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis wünscht.
Die Betriebsvereinbarung wurde zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Geschäftsleitung der übergeordneten Aktiengesellschaft abgeschlossen. Im Rahmen der Betriebsvereinbarung „Weitergeltung“ wurde die Gültigkeit der Betriebsvereinbarung und anderer betrieblicher Regelungen im ausgegründeten Unternehmen ausdrücklich angeordnet.
Die Entleiherin übernahm vom ausgegründeten Unternehmen die Mitarbeiter, Computer und Büroausstattungen. Geändert hatten sich angeblich die Produktionsabläufe und Anwendungen. Im Rahmen eines Betriebsüberganges erstreckte sich der Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung nun auf die Entleiherin.
Der als IT-Fachkraft (IT – Informationstechnik) eingesetzte Leiharbeitnehmer forderte vor dem Arbeitsgericht die Entleiherin zu verurteilen, ihm einen unbefristeten Arbeitsvertrag als IT-Fachkraft in Vollzeitbeschäftigung anzubieten. Für den Fall des Unterliegens beantragte er hilfsweise, die Entleiherin solle verurteilt werden, sein Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages als IT-Fachkraft in Vollzeitbeschäftigung anzunehmen.
Die Entleiherin beantragte, die Klage abzuweisen. Die Betriebsvereinbarung Zeitarbeit sei unwirksam. Die Betriebsparteien verfügten nicht über die notwendigen Regelungsbefugnisse. Der die BV unterzeichnende Gesamtbetriebsrat vertrete nicht die Zeitarbeitnehmer im Betrieb der Entleiherin. Die Betriebsvereinbarung gelte nur in der übergeordneten Aktiengesellschaft.
Die Klage der IT-Fachkraft hatte Erfolg. Das Gericht stellte zunächst klar, die Abgabe eines Angebots zur Vollzeitarbeit durch die Entleiherin würde nicht das Klageziel erreichen, da lediglich ein Angebot abgegeben würde. Deshalb bestehe für die Angebotsabgabe kein Rechtsschutzbedürfnis. Damit sei die Bedingung für den Hilfsantrag erfüllt, das Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages als IT-Fachkraft in Vollzeitbeschäftigung anzunehmen.
Der Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrages folge aus Ziff. 10 der BV-Zeitarbeit in Verbindung mit § 613a Absatz 1 Satz 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).
In der Betriebsvereinbarung sei der Anspruch auf Einstellung unter der Voraussetzung geregelt, dass der Zeitarbeitnehmer mindestens 18 Monate in der Aktiengesellschaft (AG) eingesetzt war. Diese Regelung gelte auch für die Tochterunternehmen der AG. Die IT-Fachkraft war bereits länger als 4 Jahre bei der Entleiherin eingesetzt.
Mit dem kollektivrechtlichen Einstellungsversprechen hätten die Betriebsparteien ihre Regelungskompetenz nicht überschritten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) haben die Betriebsparteien umfassende Kompetenz, im Rahmen freiwilliger Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu treffen. Ein Einstellungsversprechen sei deshalb grundsätzlich in einer Betriebsvereinbarung regelbar.
Leiharbeitnehmer gelten betriebsverfassungsrechtlich nur eingeschränkt als Arbeitnehmer des entleihenden Betriebes, da sie während ihres Einsatzes Angehörige des entsendenden Betriebes bleiben. Das Einstellungsversprechen knüpfe aber nicht an ein bestimmtes Arbeitsverhältnis, es setze lediglich den 18-monatigen Einsatz im Betrieb der Entleiherin voraus.
Es läge auch in der Hand des Betriebsrats der Entleiherin, bei einer mehr als nur vorübergehenden Beschäftigung, die Zustimmung zur Übernahme zu verweigern. Daraus resultierend verständigten sich einige Arbeitgeber mit ihren Betriebsräten auf freiwillige Betriebsvereinbarungen, die die Verpflichtung der Entleiherin vorsähen, jedem Leiharbeitnehmer nach einer bestimmten Überlassungsdauer die Übernahme in ein Stammarbeitsverhältnis anzubieten.
Die zur Abgrenzung der Zuständigkeiten im Bereich der Mitbestimmungsrechte entwickelten Grundsätze auf den hier vorliegenden Regelungsgegenstand würden die Zuständigkeit des Entleiher-Betriebsrats bestätigen. Mit der Betriebsvereinbarung „Weitergeltung“ sei ausdrücklich die Fortgeltung der Betriebsvereinbarung im ausgegründeten Unternehmen angeordnet worden. Durch den Betriebsübergang sei der Geltungsbereich der BV auf den Betrieb der Entleiherin übergegangen.
Die Betriebsidentität blieb beim Übergang vom ausgegründeten Unternehmen auf die Entleiherin im wesentlichen erhalten. Der Unternehmenszweck, das Anbieten von IT-Dienstleistungen blieb erhalten. Mitarbeiter und Produktionsmittel wie Computer und Büroausstattungen wurden übernommen. Die behaupteten Veränderungen von Prozessabläufen und Applikationen würden die gleichbleibende Betriebsidentität nicht beeinträchtigen, da diese vorrangig vom verfolgten Unternehmenszweck und den Betriebsmitteln geprägt würde.
Die Entleiherin wurde verurteilt, das Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages als IT-Fachkraft in Vollzeitbeschäftigung anzunehmen.