Berechnung des Mindestlohnes in Abhängigkeit von Lohnzuschlägen
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 07.04.2016, Aktenzeichen 10 Sa 2139/15
Zulagen, die das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der von ihm erhaltenen Gegenleistung verändern, sind unabhängig vom Mindestlohn zusätzlich zu gewähren. Dazu gehören etwa Zuschläge für besondere Zeiten, für Arbeiten unter besonders erschwerende Bedingungen sowie Zuschläge für Mehrarbeit je Zeiteinheit oder für eine höhere Qualität der ausgeführten Arbeit.
Eine Telefonistin arbeitete in einem Taxiunternehmen im Dreischicht-Dienst. Neben dem Grundgehalt erhielt sie zwei Leistungsprämien, eine Funkzulage sowie eine Zulage für die Arbeit in wechselnden Schichten.
Die Telefonistin vertrat mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht die Auffassung, dass die Höhe ihres Grundgehaltes nicht dem Mindestlohn nach dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohnes (MiLoG) entspreche. Die Prämien und Zulagen seien für die Berechnung des Mindestlohnes nicht zu berücksichtigen.
Die Arbeitgeberin vertrat hingegen die Auffassung, die Prämien und Zuschläge seien auf den Mindestlohn anzurechnen. Wechselschicht sei bereits im Arbeitsvertrag vereinbart. Funkprämie und Leistungsprämien basierten auf einem seit mehr als 10 Jahren gekündigten Leistungstarifvertrag. Diese Prämien würden für Normalleistungen gezahlt.
Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab. Es seien nur Zuschläge zu berücksichtigen, die auf Verlangen der Arbeitgeberin Mehrarbeit unter besonderen, erschwerten Bedingungen bedeuteten. Wechselschichtzulage und sowie die Fähigkeiten, die für die Funkzulage erforderlich sind, würden dem Tätigkeitsbild der Telefonistin entsprechen. Beide Zuschläge dienten der Vergütung von Normalarbeit. Die Leistungsprämien seien nicht zu betrachten, da bereits der Grundlohn einschließlich Wechselschichtzulage und Funkzulage den gesetzlichen Mindestlohn übersteige.
Die Telefonistin legte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg gegen das Urteil ein. Die Erwähnung der Wechselschicht im Arbeitsvertrag belege bereits, dass es sich um eine besondere Leistung handele, sonst müsse sie nicht extra erwähnt werden. Wechselschichten stellten eine besondere Erschwernis dar, die extra zu vergüten sei. Für die Funkprämie würden besondere Fähigkeiten und Kenntnisse vorausgesetzt. Die Leistungsprämien würden für besondere Leistungen bezahlt. Die Leistungen, wie etwa besondere Zuverlässigkeit, würden von den Vorgesetzten überprüft.
Die Arbeitgeberin argumentierte, die Schichtarbeit sei eine unternehmerische Entscheidung, die hingenommen werden müsse. Es handele sich um eine arbeitsvertraglich vereinbarte und damit geschuldete Leistung.
Leistungsprämien würden für die Normalleistung gewährt, unter Berücksichtigung von Leistung, Schnelligkeit und Höflichkeit. Die Funkzulage erfordere zwar besondere Fähigkeiten, die aber notwendig seien, um die Normalleistung zu erbringen.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg begründete seine Entscheidung, dass die Zulagen und Prämien nicht auf den Mindestlohn anzurechnen seien.
Das Mindestlohngesetz (MiLoG) lege nicht fest, welche Leistungen zum Mindestlohn zusätzlich zu gewähren seien. Die europäische Rechtsprechung zur Entsende-Richtlinie enthalte jedoch Kriterien, die auf den Mindestlohn zu übertragen seien.
Von der Arbeitgeberin gezahlte Zulagen müssten als Bestandteil des Mindestlohns akzeptiert werden, falls sie nicht das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers der von ihm erbrachten Gegenleistung veränderten.
Hingegen seien Zahlungen für zusätzliche Leistungen kein Bestandteil des Mindestlohnes. Nicht zum Mindestlohn gehörten:
Zuschläge für besondere Zeiten wie Schicht- und Überstundenzuschläge, Zuschläge für Nachtarbeit sowie Arbeiten an Wochenenden und Feiertagen, Zuschläge für Arbeiten mit einer besonderen Qualität oder mehr Leistung pro Zeiteinheit. Zuschläge für besondere erschwerende Umstände der Arbeit, wie Gefahrenzulagen oder Schmutzzulagen.
Mit dem Mindestlohngesetz sollen Arbeitnehmer vor unangemessen niedriger Bezahlung geschützt werden.
Die Auslegung des Mindestlohngesetzes sei anders vorzunehmen als vom Arbeitsgericht erfolgt. Der Wortlaut sei zwar nicht eindeutig. Es könne jedoch eindeutig entnommen werden, dass von der Arbeitgeberin gezahlte Zulagen Bestandteil des Mindestlohnes sind, falls sie eine funktionale Gleichwertigkeit darstellen. Das bedeutet, dass sie nicht das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der erhaltenen Gegenleistung verändern.
Ausgehend von diesen Betrachtungen, sei lediglich streitig, ob die von Arbeitgeberin gezahlten Zulagen Bestandteil des Mindestlohnes seien.
Den gesetzlichen Regelungen sei eindeutig zu entnehmen, dass Wechselschichtzulagen kein Bestandteil des Mindestlohnes sind. Für die Leistungsprämien der Telefonistin gelte dies ebenfalls, da sie für die Erbringung der Arbeit in einer besonderen Qualität gewährt werden. Die Funkzulage werde gleichfalls für eine besondere Qualität der Arbeit gewährt. Sie werde zwar unabhängig von der konkreten Leistung gezahlt, um den Verwaltungsaufwand zu minimieren, basiere aber auf einer notwendigen Qualifizierung der Mitarbeiter.
Die Revision gegen das Urteil wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen.