Anpassung eines Aufhebungsvertrages
Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 18.01.2016, Aktenzeichen 16 Sa 725/15
Ergibt sich nach dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages vor dem vereinbarten Vertragsende unvorhergesehen eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung, ist der Aufhebungsvertrag anzupassen, soweit ein betriebsbedingter Grund, beispielsweise eine Betriebsschließung, Grundlage für den Vertragsabschluss war. Als Anpassung zählt auch die Möglichkeit, den Arbeitnehmer wieder einzustellen, falls der Anspruch innerhalb einer Frist von einem Monat nach Kenntniserlangung geltend gemacht wird.
Ein Kreiskrankenhaus beschloss, sich vom Chefarzt der plastischen Chirurgie zu trennen. In gegenseitigem Einverständnis wurde ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen. Begründet wurde der Aufhebungsvertrag mit der Schließung der Klinik für plastische Chirurgie. Es gebe keine andere Beschäftigungsmöglichkeit bei der Arbeitgeberin.
Im Schriftverkehr mit dem Prozessbevollmächtigten des Chefarztes erklärte die Arbeitgeberin bezüglich der textlichen Formulierung des Aufhebungsvertrages, es sei nicht zutreffend, dass die Klinik geschlossen werde.
Der Prozessbevollmächtigte stellte in seiner Erwiderung klar, dass ihn das Vorgehen der Klinikleitung erstaune. Wäre nicht fälschlicherweise die Schließung der Klinik behauptet worden, hätte der Chefarzt nicht den Aufhebungsvertrag unterschrieben.
Die Arbeitgeberin führte tatsächlich die Klinik weiter. Dafür wurde ein anderer Chefarzt neu eingestellt. Knapp ein Jahr nach Abschluss des Aufhebungsvertrages wurde in einer Zeitschrift ein Artikel über den beabsichtigten Umzug der Klinik in neue Räume veröffentlicht.
Im darauf folgenden Monat forderte der Chefarzt basierend auf dem veröffentlichten Artikel die Wiedereinstellung in seine ursprüngliche Beschäftigungsposition. Die Arbeitgeberin erwiderte, dem Chefarzt sei seit längerer Zeit bekannt, dass die beabsichtigte Schließung nicht weiterverfolgt würde.
Etwa drei Monate später machte der Chefarzt sein Wiedereinstellungsbegehren beim Arbeitsgericht geltend. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Der Aufhebungsvertrag sei nicht wirksam angefochten worden.
Der Chefarzt habe bereits vor Abschluss des Aufhebungsvertrages Kenntnis erlangt, dass die Klinik nicht geschlossen werde. Das ergebe sich aus dem Schreiben des Landrats, das eine Woche vor Abschluss des Aufhebungsvertrages übermittelt wurde. Mit der Einstellung des neuen Chefarztes habe die Arbeitgeberin eine Entscheidung getroffen, die einer Wiedereinstellung des klagenden Chefarztes entgegenstehe.
Der Chefarzt habe auch keine konkreten Tatsachen vorgetragen, dass die unwiderrufliche Stilllegungsabsicht für beide Seiten Geschäftsgrundlage geworden wäre. Dem Chefarzt sei auch die Kenntnis seines Prozessbevollmächtigten anzurechnen, der bereits lange vor dem Zeitungsartikel informiert war, dass es keine Schließung der Klinik geben werde.
Gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes legte der Chefarzt Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Das Arbeitsgericht sei zu unrecht davon ausgegangen, dass er die arglistige Täuschung durch die Arbeitgeberin nicht schlüssig vorgetragen habe. Beim Abschluss des Aufhebungsvertrages habe er keine Kenntnis von der Weiterführung der Klinik gehabt. Die Schließung ergebe sich auch nicht aus dem besagten Schreiben des Landrats. Geschäftsführer, Personalleiterin und Justiziar hätten nach dem Schreiben des Landrats bekräftigt, dass die Klinik geschlossen werde.
Das Arbeitsgericht habe nicht darauf verwiesen, dass sein Klagevortrag nicht ausreichend gewesen sei. Aus einem Schreiben des Vertreters der Arbeitgeberin sei ersichtlich, dass bis zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages stets behauptet wurde, die Klinik werde geschlossen. Da der Chefarzt eine sechsmonatige Kündigungsfrist habe, sei der Aufhebungsvertrag nicht unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist abgeschlossen worden.
Die Arbeitgeberin habe den Abschluss des Aufhebungsvertrages mit täuschender Absicht herbeigeführt und könne deshalb nicht auf den Bestand des Aufhebungsvertrages vertrauen. Der Wiedereinstellungsanspruch bestehe deshalb unabhängig davon, ob die Arbeitgeberin die Stelle bereits besetzt habe.
Dem Chefarzt sei erst nach dem Zeitungsartikel bewusst geworden, dass die Klinik nicht geschlossen würde. Die Jahresfrist für die Anfechtung des Aufhebungsvertrages sei deshalb eingehalten. Auf jeden Fall bestehe ein Anspruch auf Wiedereinstellung nach Treu und Glauben. Die Ausübung eines Rechts sei rechtsmissbräuchlich, wenn es durch gesetzes-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben wurde. Die Arbeitgeberin habe ihn arglistig getäuscht. Wegen ihres widersprüchlichen Verhaltens bestehe für die Arbeitgeberin die Pflicht zur Vertragsannahme.
Das LAG urteilte, der Chefarzt habe kein Recht auf Wiedereinstellung. Ein Wiedereinstellungsanspruch sei nur gerechtfertigt, wenn dieser unmittelbar nach Kenntniserlangung der tatsächlichen Umstände, die den Anspruch rechtfertigen, innerhalb eines Monats geltend gemacht wird. Der Bestandsschutz rechtfertige nicht Phasen vermeidbarer Ungewissheit über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Das gelte unabhängig davon, ob ein Wiedereinstellungsanspruch, ein Verstoß gegen Treu und Glauben oder andere rechtliche Begründungen vorlägen. Die Arbeitgeberin habe sich bereits in ihrer Klageschrift vor dem Arbeitsgericht auf die Monatsfrist in Anlehnung an § 613a Absatz 6 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) gestützt.
Die Monatsfrist sei verstrichen. In einer E-Mail teilte die Personalleiterin dem Prozessbevollmächtigten des Chefarztes etwa 2 Wochen nach Abschluss des Aufhebungsvertrages mit, es sei nicht zutreffend, dass die Klinik geschlossen werde. Der Wiedereinstellungsanspruch wurde erst 11 Monate später geltend gemacht. Auf den veröffentlichten Artikel komme es nicht an, da dem Chefarzt bereits seit Langem bekannt war, dass die Klinik fortgeführt würde.
Für die Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen arglistiger Täuschung sei die Jahresfrist verstrichen. Die Anfechtungserklärung sei erst vor dem Arbeitsgericht abgegeben worden. Zu diesem Zeitpunkt war die einjährige Frist bereits verstrichen. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten, in dem er sein Erstaunen über das Vorgehen der Klinikleitung äußerte, könne nicht als Anfechtung gelten. Im Schreiben wurde die Zustimmung des Chefarztes zum Aufhebungsvertrag übermittelt. Der Aufhebungsvertrag wurde nicht angezweifelt.
Der Antrag auf Weiterbeschäftigung sei unbegründet, da das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag aufgelöst wurde und ein Wiedereinstellungsanspruch nicht bestehe.
Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.
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