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Abschließende Stellungnahme Betriebsrat

Abschließende Stellungnahme des Betriebsrats während Anhörungsfrist

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.05.2016, Aktenzeichen 2 AZR 345/15

Die Arbeitgeberin kann das Anhörungsverfahren zu einer Kündigung nur dann als abschließend betrachten, wenn eindeutig klar ist, dass sich der Betriebsrat bis zum Ablauf der einwöchigen Anhörungsfrist nicht mehr äußern wird.

Ein Mitarbeiter eines internationalen Unternehmens mit Hauptsitz in den USA, war langjährig im Konzern und zuletzt als Sales Director in einem deutschen Betrieb des Unternehmens beschäftigt. Seine Aufgabe sollte zukünftig von einem Mitarbeiter des Oberkonzerns übernommen werden. Das Arbeitsverhältnis des Sales Directors sollte gekündigt werden. Gleichzeitig wurde ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einer anderen Arbeitsaufgabe angeboten.

Die Arbeitgeberin hörte den Betriebsrat an. Der Betriebsrat antwortete schriftlich, das Gremium habe beschlossen, gegen die beabsichtigte Änderungskündigung Widerspruch einzulegen. Der Betriebsrat halte das Änderungsangebot mit der erheblichen Verringerung des Gehalts nicht für zumutbar. Der Betriebsrat bat abschließend um Mitteilung des derzeitigen Bruttojahresgehalts des Sales Directors.

Die Arbeitgeberin übermittelte die gewünschte Angabe nicht. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis und bot die nahtlose Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit anderer Arbeitsaufgabe an. Der Sales Director lehnte das Änderungsangebot ab.

Drei Monate später erklärte die Arbeitgeberin, nach erneuter Anhörung des Betriebsrats, eine weitere Änderungskündigung. Diese Änderungskündigung nahm der Sales Director unter Vorbehalt an.

Der Sales Director klagte gegen beide Kündigungen vor dem Arbeitsgericht. Es fehle an einem Kündigungsgrund. Die Kündigungen seien sozial nicht gerechtfertigt. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Die Klageanträge wurden von Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG) abgewiesen. Vor dem Bundesarbeitsgericht versuchte der Sales Manager weiterhin seine Klage durchzusetzen.

Die Revision war teilweise erfolgreich. Dem Klageantrag, dass das Arbeitsverhältnis durch die erste Kündigung nicht aufgelöst wurde, sei unter teilweiser Änderung des erstinstanzlichen Urteils stattzugeben. Bezüglich der weiteren Klageanträge wurde das Verfahren an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Die erste Kündigung sei gemäß § 102 Absatz 1 Satz 3 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) unwirksam. Die Kündigung wurde vor Ablauf der dem Betriebsrat zustehenden Wochenfrist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 BetrVG erklärt. Der Betriebsrat habe jedoch keine abschließende Stellungnahme in diesem Anhörungsverfahren abgegeben.

Dem Betriebsrat werde mit dem in § 102 BetrVG gestalteten Beteiligungsverfahren eine Einflussnahme auf den Kündigungsentschluss der Arbeitgeberin eingeräumt. Mit der Einflussnahme des Betriebsrats solle die Arbeitgeberin veranlasst werden, über eine Kündigung mit geringeren Folgen für den Arbeitnehmer nachzudenken. Statt einer Beendigungskündigung könnte etwa eine Änderungskündigung ausgesprochen werden. Zumindest könne der Widerspruch des Betriebsrats die individuelle Rechtsstellung des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess verbessern.

Dem Betriebsrat werde nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eine Bedenkfrist von einer Woche eingeräumt. Eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrats sei unwirksam. Nur wenn eindeutig erkennbar sei, dass es sich um eine abschließende Stellungnahme handele, sei die Frist mit der Stellungnahme des Betriebsrats vorzeitig abgeschlossen. Die Arbeitgeberin müsse davon ausgehen können, der Betriebsrat werde sich nicht mehr ergänzend äußern.

Die Äußerungsmöglichkeiten des Betriebsrats zur Anhörung seien nicht auf eine Stellungnahme begrenzt. Es bestehe innerhalb der Wochenfrist jederzeit die Möglichkeit, die Stellungnahme zu ergänzen. Das sei insbesondere relevant, falls sich der Kündigungssachverhalt oder dessen rechtliche Bewertung innerhalb dieser Woche ändere. Der Betriebsrat müsse sich die Ergänzung nicht ausdrücklich vorbehalten. Die alleinige Übermittlung der Beschlussfassung genüge nicht, von einer abschließenden Stellungnahme auszugehen. Ergänzende Beschlussgründe oder eine erneute Beschlussfassung seien damit nicht ausgeschlossen.

Möchte die Arbeitgeberin vor dem Ende der Wochenfrist die Kündigung erklären, muss sie, bei fehlenden sicheren Anzeichen für eine abschließende Stellungnahme, beim Betriebsratsvorsitzenden nachfragen und um Stellungnahme bitten.

Die erste Kündigung wurde innerhalb der Wochenfrist ausgesprochen ohne sich beim Betriebsrat zu versichern, ob es sich um eine abschließende Stellungnahme handele. Das Anhörungsverfahren war zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht beendet, da das vom Betriebsrat unterzeichnete Schreiben nicht als endgültige Stellungnahme angesehen werden konnte. Schon wegen der vom Betriebsrat erbetenen Information konnte die Arbeitgeberin nicht sicher sein, dass die Stellungnahme des Betriebsrats endgültig ist.

Es bedürfe deshalb keiner Entscheidung, ob das Bruttojahresgehalt nicht ohnehin zu den mitzuteilenden Gründen für die beabsichtigte Änderungskündigung gehört hätte. Der Betriebsrat hätte die für den Sales Director zu erwartende Nachteile nur vollständig beurteilen können, wenn ihm bekannt gewesen wäre, in welchem Gehaltsband das bisherige Bruttojahresgehalt lag und wie die Neueinordnung geplant war.

Über die Wirksamkeit der zweiten Änderungskündigung habe das LAG zu entscheiden. Die Klärung der umstrittenen Frage, ob die Zustellung der Kündigung rechtzeitig mit der Zustellung beim Prozessbevollmächtigten erfolgte, sei jedoch nur für die Bestimmung des möglichen Änderungszeitpunktes von Bedeutung.

Der Rechtsstreit wurde zur Neuverhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.