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Keine Abfindung wegen fristloser Kündigung

Anspruch auf Abfindung entfällt wegen fristloser Kündigung des Arbeitnehmers

Landesarbeitsgericht, Urteil vom 22.05.2017, Aktenzeichen 3 Sa 496/16

Wurde im Zusammenhang mit einer arbeitgeberseitigen Kündigung die Zahlung einer Abfindung vereinbart, wird die Abfindung hinfällig, falls der Arbeitnehmer einseitig vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fristlos kündigt.

Arbeitgeberin und Mitarbeiter schlossen einen Vergleich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Darin wurde vereinbart, das Arbeitsverhältnis endet aufgrund der Kündigung der Arbeitgeberin fristgerecht zum 30.06.2016. Die Arbeitsvergütung seit November 2015 werde bis zum Ende des Entgeltfortzahlungszeitraumes unter Anrechnung übergegangener Ansprüche von der Arbeitgeberin abgerechnet und ausgezahlt. Für den Entzug des Dienstwagens stehe dem Mitarbeiter keine Kompensation zu. Es wird davon ausgegangen, dass der Mitarbeiter bis zum Ende der Kündigungsfrist arbeitsunfähig bleibt. Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Arbeitgeberin eine Abfindung, fällig mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Vergleich wurde mit Ablauf des 19.05.2016 bestandskräftig. Der Mitarbeiter kündigte am 31.05.2016 das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Arbeitgeberin habe entgegen dem geschlossenen Vergleich das rückständige Gehalt von November 2015 bis April 2016 weder abgerechnet noch bezahlt. Zudem forderte der Mitarbeiter von der Arbeitgeberin, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällige Abfindung bis zum 06.06.2016 auszuzahlen.

Der Mitarbeiter leitete die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich wegen der vereinbarten Abfindung ein.

Die Arbeitgeberin argumentierte, sie habe das laut Vergleich zu zahlende Gehalt nicht gleich auszahlen können, da sie in Form einer Anfrage an die Bundesagentur für Arbeit den Forderungsübergang zu berücksichtigen hatte. Die Antwort sei am 30.05.2016 bei ihr eingegangen. Die Datev-Abrechnung sei unmittelbar erfolgt. Die Überweisung der Nettozahlungen erfolgte am 01.06.2016.

Die Arbeitgeberin beantragte beim Arbeitsgericht, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Der Mitarbeiter beantragte die Klageabweisung. Der Anspruch auf Abfindung sei nicht durch seine Kündigung entfallen. Die Arbeitgeberin habe ihn durch ihr Verhalten zu seiner Kündigung gezwungen. Zumindest die Gehälter von November und Dezember 2015 seien weder an Krankenkasse noch die Bundesagentur für Arbeit übergegangen. Deshalb wäre der Arbeitgeberin die Zahlung innerhalb der Frist von 7 Tagen ohne Weiteres möglich gewesen. Auf eine Erinnerung vom 25.05.2016 sei nicht reagiert worden.

Der Mitarbeiter habe von seinem Arzt keine weitere Krankschreibung erhalten können. Nach dem Wortlaut des Vergleichs habe er nicht damit rechnen können, von der Arbeitgeberin für Juni 2016 wieder Gehalt zu bekommen. Deshalb habe er sich gezwungen gesehen, am 31.05.2016 sein Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen.

Das Arbeitsgericht erklärte die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich für unzulässig. Der Mitarbeiter habe die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs an die Arbeitgeberin herauszugeben. Die Zwangsvollstreckung sei vorläufig bis Rechtskraft des Urteils einzustellen.

Der Mitarbeiter legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Er habe nicht mehr auf die Vertragstreue der Arbeitgeberin vertrauen können. Die Arbeitgeberin habe den vertraglich zugesagten Dienstwagen über einen Zeitraum von 7 Monaten vorenthalten. Die Rücksendung der Empfangsbescheinigung für die Zwangsvollstreckung sei verzögert worden und damit die Zwangsvollstreckung verhindert. Die Arbeitgeberin habe sich treuwidrig verhalten. Seine außerordentliche Kündigung wegen gravierenden Fehlverhaltens der Arbeitgeberin falle in die Risikosphäre der Arbeitgeberin. Ihr müsse die Zahlung der Abfindung trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor der im Vergleich vereinbarten Zeit zugemutet werden.

Die Arbeitgeberin argumentierte, sie sei gezwungen gewesen, zur Vermeidung von Nachteilen Auskünfte bei der zuständigen Krankenkasse und der Bundesagentur für Arbeit einzuholen. Die Abrechnung und Auszahlung sei unverzüglich nach Eingang der Antworten erfolgt. Es habe keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Arbeitgeberin ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich nicht nachkommen würde.

Das Landesarbeitsgericht bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichtes. Die Zwangsvollstreckung aus dem Prozessvergleich sei unzulässig. Die vom Mitarbeiter ausgesprochene fristlose Kündigung, die von der Arbeitgeberin hingenommen wurde, bewirkte die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und führte damit zum Wegfall der Geschäftsgrundlage für die im Vergleich vereinbarte Zahlung der Abfindung. Die Vereinbarung einer Abfindung im Sinne von §§ 9 und 10 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) und damit die Begünstigung bei den Steuern und Sozialabgaben setze die Einhaltung der Kündigungsfrist und das Vorliegen einer arbeitgeberseitig ausgesprochenen Kündigung voraus. Eine selbst durch den Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung würde einer steuerbegünstigten Entschädigung nach §§ 24, 34 EStG (Einkommensteuergesetz) entgegenstehen. Die maßgebliche Bedingung der Vereinbarung laute „für den Verlust des Arbeitsplatzes“ und berücksichtige die Bedingung der arbeitgeberseitigen Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist.

Die vom Mitarbeiter ausgesprochene fristlose Kündigung vor dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses führe zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Vergleiches. Damit stehe das Zahlungsbegehren im Zuge der Zwangsvollstreckung unter dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Das Arbeitsverhältnis wurde mit dem Zugang der vom Mitarbeiter ausgesprochenen fristlosen Kündigung am 31.05.2016 beendet. Damit sei die Grundlage für die im Vergleich vereinbarte Abfindung entfallen.

Die Arbeitgeberin habe auch einen Anspruch auf Herausgabe des Vollstreckungstitels nach § 371 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine außerordentliche Kündigung wegen gravierenden Fehlverhaltens der Arbeitgeberin vorliege. Der Zeitraum zwischen der Rechtskraft des Vergleichs und dem Ausspruch der außerordentlichen Arbeitnehmerkündigung im Hinblick auf die erforderlichen Abrechnungen sei noch nicht als erheblich anzusehen. Es liege nahe, dass der Mitarbeiter nicht durchgängig bis zum 30.05.2016 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erlangen konnte und deshalb fristlos kündigte. Ein wichtiger Grund, von der Arbeitgeberin verursacht, lag für die fristlose Kündigung nicht vor.