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Weisung der Arbeitgeberin muss billigem Ermessen entsprechen

Unbillige Weisung der Arbeitgeberin unverbindlich

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Juni 2017, Aktenzeichen 10 AZR 330/16 und 5 AS 7/17 (14.September 2017)

Abweichung von bisheriger Rechtsprechung

Entspricht die Weisung einer Arbeitgeberin nicht billigem Ermessen nach § 106 Gewerbeordnung, muss dieser nicht gefolgt werden.

Einem Immobilienkaufmann wurde durch seine Arbeitgeberin ein anderer Arbeitsort angewiesen. Im April 2013 sprach die Arbeitgeberin eine außerordentliche Kündigung wegen Arbeitszeitbetruges aus. Hilfsweise kündigte sie ordentlich. Der Immobilienkaufmann legte beim Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage ein. Die Klage war beim Arbeitsgericht sowie beim Landesarbeitsgericht erfolgreich. Nach der Entscheidung des Arbeitsgerichtes wurde der Immobilienkaufmann im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses weiterbeschäftigt.

Ein Jahr nach der Kündigung, im April 2014 teilte eine Team-Mitarbeiterin dem Betriebsrat in einem Schreiben mit, das Team lehne die Zusammenarbeit mit dem Immobilienkaufmann ab. Der Immobilienkaufmann sei unkollegial und nicht kooperativ. Er habe Regelungen zur Vertrauensgleitzeit stark missbraucht. Eine Woche nach dem Schreiben fand ein ergebnisloses Gespräch zwischen Team und Betriebsrat statt.

In einer E-Mail teilte die Arbeitgeberin Anfang Oktober 2014 mit, sie werde den Immobilienkaufmann ab November 2014 zunächst für 6 Monate im Archiv-Projekt am Standort Berlin einsetzen. Alternativ könne das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst werden.

Der Immobilienkaufmann erhob Einspruch gegen die Versetzung und verwies auf die Verurteilung der Arbeitgeberin zur Weiterbeschäftigung. Die Arbeitgeberin erklärte, sie schiebe die Versetzung für die Dauer des Prozessarbeitsverhältnisses auf. Im Gespräch Ende Januar 2015 konnte zwischen beiden Parteien keine einvernehmliche Lösung erzielt werden.

Am 23. Februar 2015 teilte die Arbeitgeberin mit, der Immobilienkaufmann werde befristet Mitte März bis Ende September 2015 am Standort Berlin eingesetzt. Kostenerstattung im Rahmen doppelter Haushaltsführung sagte die Arbeitgeberin für eine maximale Dauer von 24 Monaten zu.

Am 09. März 2015 forderte der Immobilienkaufmann die Arbeitgeberin mit anwaltlichem Schreiben auf, die Weisung zurückzunehmen. Das lehnte die Arbeitgeberin ab. Sie hörte den Betriebsrat zur Versetzung an. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung und verwies auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten im gleichen Ort. Das daraufhin von der Arbeitgeberin eingeleitete Zustimmungsersetzungsverfahren wurde zwischenzeitlich als erledigt angesehen. Am 11. März 2015 wurde der Betriebsrat über die vorläufige Versetzung als Versetzungsmaßname gemäß § 100 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) informiert. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.

Der Immobilienkaufmann nahm seine Tätigkeit in Berlin nicht auf. Die Arbeitgeberin sandte ihm im März 2015 eine Abmahnung, die er anwaltlich zurückwies. Eine zweite Abmahnung erging im April 2015. Ende Mai 2015 sprach die Arbeitgeberin eine fristlose Kündigung, hilfsweise eine fristgemäße Kündigung zum Jahresende aus.

Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage des Immobilienkaufmanns statt. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Zum Zeitpunkt dieses Verfahrens war die Revision beim Bundesarbeitsgericht (2 AZR 329/16) noch anhängig.

Die Arbeitgeberin meldete den Immobilienkaufmann bei der Sozialverssicherung ab und zahlte ab April 2015 kein Gehalt mehr. Ab dem 21. April 2016 erhielt der Immobilienkaufmann Zahlungen von der Bundesagentur für Arbeit.

Vor dem Arbeitsgericht beantragte der Immobilienkaufmann die Feststellung, dass er nicht verpflichtet war, vom 16. März bis Ende September 2015 seine Arbeitsleistung am Standort Berlin zu erbringen. Die Arbeitgeberin habe die Abmahnungen aus der Personalakte zu entfernen. Für April bis August 2015 habe die Arbeitgeberin die ausstehende Vergütung zu zahlen, abzüglich eines auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Anspruchs.

In seiner Klagebegründung vertrat der Immobilienkaufmann die Auffassung, die Weisung der Arbeitgeberin vom Februar 2015 sei unwirksam, deshalb habe er sie nicht befolgen müssen. Die Abmahnungen seien deshalb ebenfalls unwirksam. Er habe Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzuges. Für seinen Arbeitsort gelte ausschließlich der Änderungsvertrag vom November 2010. Aus dem Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2001 sei auch kein Weisungsrecht abzuleiten. Die Versetzungsklausel erfasse keine vorübergehenden Versetzungen.

Die Weisung sei auch aufgrund von Verfahrensverstößen unwirksam, denn er sei nicht ausreichend entsprechend der Bestimmungen seines Arbeitsvertrags, des Manteltarifvertrages Immobilien und der Gesamtbetriebsvereinbarung über Mitarbeitergespräche angehört worden. Die Weisung entspreche im Übrigen nicht billigem Ermessen. Die Versetzung sei darauf angelegt, das Urteil hinsichtlich der Kündigung vom 24. April 2013 zu unterlaufen und ihn zu maßregeln.

Die Arbeitgeberin beantragte Klageabweisung. Widerklagend forderte sie eine Lohnrückzahlung vom Immobilienkaufmann für die zweite Hälfte des Monats März 2015. Die Versetzungsanweisung vom Februar 2015 sei rechtmäßig. Die Angabe des Arbeitsorts im letzten Änderungsvertrag sei rein deklaratorisch. Die Versetzungsklausel entspreche – ebenso wie § 4 MTV Immobilien 1998 – inhaltlich dem § 106 GewO (Gewerbeordnung) und halte einer Inhalts- und Transparenzkontrolle stand. Die Weisung entspreche billigem Ermessen.

Wegen der Verweigerungshaltung anderer Mitarbeiter sei ein Einsatz in seinem alten Team nicht möglich gewesen. Am gleichen Standort habe keine andere Beschäftigungsmöglichkeit bestanden. Die vorübergehende Versetzung habe Ruhe in das Team bringen sollen. Da die Weisung rechtmäßig war, seien auch die Abmahnungen zu Recht erfolgt.

Selbst wenn die Versetzung unbillig gewesen sein sollte, hätte der Immobilienkaufmann diese zunächst befolgen müssen, führte die Arbeitgeberin aus. Es habe kein Vergütungsanspruch bestanden, da der Immobilienkaufmann nicht leistungswillig gewesen sei. Durch die Nichtaufnahme der Tätigkeit in Berlin müsse er sich die entgangene Vergütung gemäß § 615 Satz 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) anrechnen lassen.

Das Arbeitsgericht gab der Klage des Immobilienkaufmanns statt und wies die Widerklage der Arbeitgeberin ab. Das LAG (Landesarbeitsgericht) wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Mit ihrer Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin eine vollständige Klageabweisung sowie eine Verurteilung entsprechend ihrer Widerklage.

Das BAG entschied, die Weisung der Arbeitgeberin entsprach nicht billigem Ermessen im Sinne von § 106 Satz 1 GewO und § 315 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Deshalb war der Immobilienkaufmann auch nicht zeitweise verpflichtet, der Weisung nachzukommen. Damit weicht der 10. Senat des BAG in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Rechtsauffassung des 5. Senats des BAG ab. Nach § 45 Absatz 3 Satz 1 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) bedurfte es einer Anfrage bei diesem Senat, ob er an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhält. Bis zu dessen Entscheidung war das Verfahren entsprechend § 148 ZPO (Zivilprozessordnung) auszusetzen.

Das vertragliche Weisungsrecht der Arbeitgeberin umfasse die Befugnis, dem Immobilienkaufmann nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort zuzuweisen. Die Weisung der Arbeitgeberin vom 23. Februar 2015 widersprach weder arbeitsvertraglichen noch tariflichen Bestimmungen und verstieß auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß beteiligt. Nach Auffassung des 10. Senats widersprach die Weisung jedoch billigem Ermessen.

Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindere nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung. Weise die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliege dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO sowie § 315 Absatz 3 Satz 1 BGB.

Im Änderungsvertrag vom November 2010 fehlte es an einer vertraglichen Festlegung des Orts der Arbeitsleistung, sodass § 106 GewO unmittelbar Anwendung finde, der der Arbeitgeberin die Zuweisung eines anderen Arbeitsorts im Rahmen billigen Ermessens erlaubt. Auf die Wirksamkeit der Versetzungsklausel komme es nicht an. Mit der Übernahme der übrigen Bestimmungen aus dem Arbeitsvertrag behielt sich die Arbeitgeberin das Recht vor, den Immobilienkaufmann an einem anderen Arbeitsort einzusetzen. Den Arbeitsvertrag hinsichtlich der Versetzungsklausel abändernde Vereinbarungen haben die Parteien nicht getroffen.

Berücksichtigt die Arbeitgeberin wegen der fehlenden Anhörung erhebliche Belange des Arbeitnehmers nicht hinreichend, werde sich die Maßnahme im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung, in der der Arbeitnehmer seine Interessen noch vorbringen kann, regelmäßig als unwirksam erweisen.

Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlange eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum.

Der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB ist nach Auffassung der 10. Kammer des BAG ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei dessen Anwendung stehe dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu.

Das Interesse der Arbeitgeberin, durch die Versetzung des Immobilienkaufmanns die Probleme in dessen ehemaligem Team zu lösen und den Betriebsfrieden in Dortmund wiederherzustellen, könne grundsätzlich einen betrieblichen Grund für die Maßnahme darstellen. Die Arbeitgeberin habe aus ihrer Sicht keine hinreichenden Maßnahmen ergriffen, um den Konflikt zu entschärfen und zu lösen. Trotz der Beschäftigung des Immobilienkaufmanns in einem Prozessarbeitsverhältnis habe es keine Konflikte mehr gegeben, die Arbeitgeberin habe solche jedenfalls nicht vorgetragen. Im Übrigen sei die lediglich auf sechs Monate angelegte Versetzung zur Konfliktbereinigung nicht geeignet gewesen.

Im Hinblick auf das Interesse des Immobilienkaufmanns an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes in Dortmund und die trotz der Kostenerstattung erheblichen Auswirkungen einer Versetzung nach Berlin hätten keine überwiegenden Interessen der Arbeitgeberin für die Versetzung vorgelegen.

Soweit die Arbeitgeberin in der Revisionsbegründung Ausführungen zu Reisekosten machte und vortrug, sie hätte die Zeit, in der sich der Immobilienkaufmann in Berlin befunden hätte, nutzen können, um Maßnahmen der Konfliktbereinigung in Dortmund durchzuführen oder andere Beschäftigungsmöglichkeiten des Immobilienkaufmanns zu prüfen, handele es sich teilweise um neuen Sachvortrag, der in der Revision gemäß § 559 ZPO (Zivilprozessordnung) keine Berücksichtigung mehr finden könne.

Der Immobilienkaufmann habe der unbilligen Weisung vom 23. Februar 2015 nicht, auch nicht vorläufig, Folge leisten müssen. An das Nichtbefolgen der Weisung konnte die Arbeitgeberin nicht Sanktionen knüpfen. Allerdings habe der Fünfte Senat mit Urteil vom 22. Februar 2012 ( 5 AZR 249/11) entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts, sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam sei, nicht hinwegsetzen dürfe, sondern entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen müsse. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Weisungsrechts erfolgte Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe.

Dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht, das wesentlicher Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses ist, erlaubte der Arbeitgeberin stets, nicht nur nach § 315 Abs. 1 BGB im Zweifel, nach billigem Ermessen ausüben. Weisungen, die der gerichtlichen Kontrolle nicht standhielten, also unbillig waren, wurden hingegen als unwirksam angesehen, der Arbeitnehmer war nicht verpflichtet, ihnen zu folgen und Sanktionen wie Abmahnungen oder Kündigungen konnten auf solche Weisungen nicht gestützt werden.

Die Auffassung, der Arbeitnehmer müsse unbillige Weisungen vorläufig bis zu einer gerichtlichen Entscheidung befolgen, wurde weder in Rechtsprechung noch Literatur vertreten. Ebenso wenig wurden durch die Gerichte im Bereich des Weisungsrechts über Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung Ersatzleistungsbestimmungen im Sinne von § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgenommen, also unbillige Weisungen durch eine gerichtliche Weisung ersetzt.

Nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bestehe keine, nicht einmal vorläufige, Bindung des Arbeitnehmers an unbillige Weisungen, sofern der Arbeitnehmer diese nicht trotz ihrer Unbilligkeit akzeptiert.

§ 106 Satz 1 GewO treffe keine ausdrückliche Regelung über die Rechtsfolgen von Weisungen, die billigem Ermessen nicht entsprechen. Allerdings lege bereits der Wortlaut nahe, dass die Arbeitgeberin Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nur dann näher bestimmen könne, wenn sie billiges Ermessen wahrt. Halte sie diese Grenzen nicht ein, verlasse sie den Rahmen, den das Gesetz für ihr Bestimmungsrecht vorgibt. An eine solchermaßen gesetzwidrige Weisung könne regelmäßig ohne ausdrückliche Anordnung keine Bindung bestehen. Systematik und Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung sprächen gegen eine solche vorläufige Bindung. Dies gelte insbesondere auch im Kontext des § 315 BGB, soweit er auf das Weisungsrecht Anwendung finde.

Ebenso wenig ergebe sich aus allgemeinen Grundsätzen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB eine vorläufige Bindung. Zwar finde § 315 BGB bei der Überprüfung einer Weisung gemäß § 106 GewO grundsätzlich entsprechend Anwendung, nicht aber § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und die dort vorgesehene gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung. An einer entsprechenden Anwendung des § 315 BGB unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Weisungsrechts sei festzuhalten. Dabei habe die Ausübung des Weisungsrechts nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung gemäß § 106 Satz 1 BGB immer nach billigem Ermessen zu erfolgen, insoweit werde die Zweifelsregelung des § 315 Abs. 1 BGB verdrängt.

Der Arbeitnehmer kann (und muss) seine Arbeitsleistung so erbringen, wie sie durch die letzte wirksame Weisung konkretisiert wurde. Die Erteilung einer neuen Weisung durch die Arbeitgeberin sei, anders als etwa bei der Festsetzung einer Bonusleistung für ein bestimmtes Jahr, mit Wirkung für die Zukunft im Rahmen der arbeitsvertraglichen Bestimmungen jederzeit möglich.

Für den Arbeitnehmer sei die Weisung hingegen, wie § 315 Absatz 3 Satz 1 BGB bereits nach seinem Wortlaut anordne, nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Aus § 315 Absatz 3 Satz 2 BGB ergebe sich nichts anderes. Die Norm sei im Bereich des Weisungsrechts nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Entspreche eine einseitige Leistungsbestimmung nicht der Billigkeit, werde die Bestimmung grundsätzlich durch Urteil getroffen.

Eine von der Arbeitgeberin hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung habe insoweit Bestand, bis sie von der Arbeitgeberin durch eine andere wirksame Weisung ersetzt werde. Unterlasse die Arbeitgeberin jegliche Ausübung des Weisungsrechts auch zu Beginn des Arbeitsverhältnisses oder es fehlt an einer wirksamen Weisung, könne der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung mangels entsprechender Mitwirkungshandlung der Arbeitgeberin nicht erbringen.

In einem solchen Fall habe die Arbeitgeberin das Risiko der Vergütungs- bzw. Schadensersatzpflicht zu tragen, ohne im Gegenzug mangels wirksamer Mitwirkungshandlung die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu erhalten.

Sinn und Zweck des Weisungsrechts in der Form, wie es durch § 106 GewO ausgestaltet ist, verlangten ebenso keine vorläufige Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung, sondern stehen einer solchen vielmehr entgegen. Das Weisungsrecht solle der Arbeitgeberin ermöglichen, den Arbeitsvertrag und die dort regelmäßig nur rahmenmäßig ausgestaltete Arbeitspflicht in der von ihr gewollten Form zu konkretisieren. § 106 GewO normiere ausdrücklich Grenzen, die zum einen in den rechtlichen Rahmenbedingungen (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen, Tarifvertrag, Gesetz) und zum anderen im billigen Ermessen liegen. Dabei solle die Ausübung des Weisungsrechts, anders als noch der Wortlaut von § 121 GewO nahelegte, ohne dass die Rechtsprechung die Vorschrift so verstand, nicht in einem „Über- oder Unterordnungsverhältnis“ erfolgen, sondern in einem eher partnerschaftlichen Miteinander im Arbeitsverhältnis. Mit einer solchen Zielrichtung sei ein Verständnis, wonach der Arbeitnehmer sanktionsbewehrt an unbillige Weisungen gebunden sein soll, nicht vereinbar.

Akzeptiert der Arbeitnehmer hingegen eine Weisung, die er als unbillig ansieht, nicht und erbringt keine Arbeitsleistung, trägt er das Risiko, ob ein Gericht im Rahmen der Prüfung nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB seine Einschätzung teilt. Erweist sich die Weisung hingegen als unbillig, hat die Arbeitgeberin, soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, nach § 615 in Verbindung mit § 611 BGB bzw. im Wege des Schadensersatzes die Vergütung zu leisten, ohne einen Nachleistungsanspruch zu haben. Denjenigen, der eine unbillige Weisung erteilt, trifft dementsprechend das Risiko der Unwirksamkeit dieser Weisung. Dieses könne nicht auf den Vertragspartner abgewälzt werden.

Bei Annahme einer vorläufigen Verbindlichkeit unbilliger Weisungen könne die Arbeitgeberin diese hingegen risikolos erteilen. Folgt der Arbeitnehmer ihnen nicht, wäre er Sanktionen bis hin zur Kündigung ausgesetzt, obwohl die Weisung nicht den gesetzlichen Anforderungen und damit der objektiven Rechtslage entspricht. Folgt ihr der Arbeitnehmer hingegen und stellt das Gericht später deren Unbilligkeit fest, bliebe dies für die Arbeitgeberin faktisch folgenlos. Damit gehe es nicht um die Beseitigung von Rechtsunklarheiten, sondern es erscheine nicht völlig polemisch, eine solche Situation als Spielwiese für trennungswillige Arbeitgeber zu qualifizieren.

Mit dieser Rechtsauffassung zur Unverbindlichkeit unbilliger Weisungen weicht der Zehnte Senat des BAG in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Rechtsauffassung des Fünften Senats (22. Februar 2012 – 5 AZR 249/11) ab. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats wäre die Revision der Arbeitgeberin hinsichtlich des Feststellungsantrags und der hieran für die weiteren Anträge anknüpfenden Folgen unbegründet. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Fünften Senats wäre die Revision hingegen begründet. Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG fragt daher der Zehnte Senat beim Fünften Senat an, ob dieser an seiner Rechtsauffassung festhält.
Bis zu dessen Entscheidung wird der Rechtsstreit entsprechend § 148 ZPO ausgesetzt.

Nachtrag:
Der 5. Senat des BAG entschied daraufhin am 14. September 2017, Aktenzeichen 5 AS 7/17. Der 5. Senat hält nicht mehr an seiner im Urteil vom 22. Februar 2012 (5 AZR 249/11) vertretenen Auffassung fest.