Angemessener Nachtzuschlag für die Nachtwache
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.12.2017, Aktenzeichen 11 Sa 1195/17
Nachtzuschlag soll in einem gewissen Umfang die Arbeitnehmer für die mit Nachtarbeit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen sowie Arbeitgeber dazu bewegen, Nachtarbeit zu vermeiden.
Eine Pflegefachkraft arbeitete seit September 2003 ausschließlich als Dauernachtwache in einem Seniorenheim. Nachdem sie erfolglos bei der Arbeitgeberin einen höheren Nachtschichtzuschlag geltend machte, reichte sie Klage beim Arbeitsgericht ein.
Für die Jahre 2013 bis 2015 verlangte die Pflegefachkraft einen Nachtzuschlag in Höhe von 30% und damit deutlich mehr als der gezahlte Nachtzuschlag. Sie erweiterte diesen Anspruch in einer Klageerweiterung auf das Jahr 2016. Sie nehme während einer Nachtschicht regelmäßig mehr als 35 Lagerungswechsel und 13 Inkontinenzmaterialwechsel vor, leere Enten und Urinbeutel 30-mal, sei bei mindestens 7 Toilettengängen behilflich und reiche mindestens 23 Getränkegaben. Insgesamt sei die Nachtarbeit nicht weniger belastend als der Tagesdienst und der Nachtdienst erstrecke sich auf mehr als neun Stunden.
Die Arbeitgeberin verlangte Klageabweisung. Der von ihr gezahlte Nachtzuschlag sei angemessen. Der Anspruch auf 30% Nachtzuschlag sei überhöht. Ein Nachtzuschlag in der Höhe von 30% verfolge den Zweck Nachtarbeit zu verteuern, um Arbeitgeber dazu zu bewegen, Nachtarbeit zu vermeiden. Im Seniorenheim sei zwingend Nachtarbeit für die ganztägige Betreuung zu leisten. Deshalb sei ein erheblicher Abschlag von den 30% vorzunehmen. Der Pflegefachkraft sei mehrfach Wechselschicht anstelle von ständiger Nachtschicht angeboten worden, was diese jedoch ablehnte. Nachtwache sei zudem weniger belastend und einem Bereitschaftsdienst ähnlich.
Das Arbeitsgericht gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Arbeitgeberin zu weiteren Zahlungen. Das Arbeitsgericht begründete, ein Nachtzuschlag von 25% sei angemessen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) sei ein Zuschlag von 25% als angemessen anzusehen, für Dauernachtarbeit 30%. Je nach Umständen sei einer Erhöhung oder Verminderung möglich. Die absolute Untergrenze sei ein Zuschlag von 10%. Der gezahlte Zuschlag der Arbeitgeberin liege mit 13,47% bzw. 12,74% weit unterhalb der Angemessenheit.
Der Zweck der Zuschlagsregelung, Nachtarbeit zu verteuern und damit einzuschränken komme in diesem Fall nicht zum Tragen, da die Nachtarbeit zwingend notwendig sei. Der Nachtzuschlag in Höhe von 25% sei aber ohne jede weitere Verminderung angemessen, da die Tätigkeit der Pflegefachkraft in der Nachtschicht nicht weniger belastend als im Tagesdienst sei, da auch nachts intensive Pflegetätigkeit anfalle.
Beide Parteien legten beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ein.
Die Pflegefachkraft argumentierte, die Festlegung des Nachtzuschlages auf 25% sei rechtsfehlerhaft. Da sie tatsächlich in Dauernachtschicht arbeite und nicht nur Bereitschaftsdienst leiste, seien 30% angemessen. Der Nachtzuschlag sei für etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen zu zahlen. Nachtarbeit führe zu einer Gefährdung und erheblichen Störung des Befindens, unabhängig von einer Vermeidbarkeit der Nachtarbeit.
Die Arbeitgeberin argumentierte weiterhin, es handele sich weitgehend um einen Bereitschaftsdienst, da ab 23.00 Uhr die meisten Bewohner schliefen. Deshalb sei ein deutlicher Abschlag vorzunehmen. Die Pflegefachkraft könnte die ungesunde Nachtarbeit vermeiden, indem sie die angebotene Wechselschicht annähme.
Das Landesarbeitsgericht entschied, beide Berufungen seien nicht begründet. Das Arbeitsgericht habe den Nachtzuschlag zurecht mit 25% angesetzt.
Die Pflegefachkraft sei unstreitig Nachtarbeitnehmerin im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Sie leiste an mehr als 48 Tagen Nachtarbeit. Nachtarbeit sei jede Arbeit, die mehr als 2 Stunden in der Zeit zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr umfasst.
Der Arbeitgeberin sei es nicht gelungen, die Angemessenheit eines geringeren Wertes als 25% darzulegen. Die Pflegefachkraft leiste mehr als 2 Stunden in der gesetzlichen Nachtarbeit, die sie als Dauernachtarbeit ausübt. Daher sei ein Zuschlag von 30% nach § 6 Absatz 5 ArbZG anzusetzen. Es bestehe zwar ein Grund zur Verringerung, jedoch nicht in dem von der Arbeitgeberin vorgenommen Umfang.
Der Wert von 30% sei zu vermindern, da die Nachtarbeit für den Betrieb eines Seniorenheimes zwingend und unvermeidbar sei. Dieser Gesichtspunkt sei aber nicht von so großer Bedeutung, dass er zu einem erheblichen Abschlag führen müsse. Hingegen leiste die Pflegefachkraft im Gegensatz zu ihren Kolleginnen Dauernachtarbeit, die vermeidbar sei. Der Einsatz als Dauernachtwache sei arbeitsvertraglich vereinbart. Es könne der Pflegefachkraft nicht anspruchsmindernd vorgeworfen werden, dass sie an dieser Vereinbarung festhalte.
Eine Verminderung des Nachtzuschlages könne erwogen werden, falls die Belastungen in der Nachtarbeit geringer ausfielen, als im Tagesdienst, weil in größerem Umfang Arbeitsbereitschaft anfalle. Aus den Vorträgen beider Parteien sei nicht ersichtlich, dass die Belastung der Pflegefachkraft in der Nacht geringer sei als diejenige einer anderen Pflegekraft im Tagesdienst. Zeiten minderer Belastung ließen sich dem nicht entnehmen. Von einer geringeren Belastung oder Ähnlichkeit mit Bereitschaftsdienst könne nicht ausgegangen werden, da in der Nacht die Anzahl der Pflegekräfte weitaus geringer sei als am Tage.
Der Nachtzuschlag solle in einem gewissen Umfang die Arbeitnehmer für die mit Nachtarbeit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen. Die Belastungen und Beanspruchungen der Beschäftigten in der Nacht seien schädlicher und stiegen durch die Anzahl der Nächte pro Monat sowie die Anzahl der Nächte hintereinander.
Der vom Arbeitsgericht festgesetzte Satz von 25% halte auch einen gebührenden Abstand zum Stundenlohn. Die Aufstockung um 25% entspreche dem vom Gesetzgeber mit dem Lohnzuschlag verfolgten Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers den Arbeitgeber finanziell zu belasten und die mit Nachtarbeit verbundenen körperlichen Beeinträchtigungen auszugleichen.
Das Bundesarbeitsgericht habe lediglich in einem Fall, den Prozentsatz von 10% als angemessen angesehen, indem die Nachtarbeit einen erheblichen Anteil an Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftszeiten enthielt. Das sei vorliegend gerade nicht der Fall.
Die Festsetzung von 25% für den Nachtzuschlag erweise sich als angemessen.
Eine Revision zu dieser Entscheidung wurde nicht zugelassen.