Vergütung von Rufbereitschaft an einem Wochenfeiertag
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.10.2018, Aktenzeichen 8 Sa 35/18
Arbeitet ein Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst an einem Wochenfeiertag außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit im Rahmen einer Rufbereitschaft, hat er auch bei Gewährung von Freizeitausgleich Anspruch auf zusätzliche Vergütung der tatsächlich angefallenen Arbeit.
Ein Vorarbeiter in einer Autobahnmeisterei des Bundeslandes Rheinland-Pfalz wurde für den 1. Mai 2015 zur Rufbereitschaft eingeteilt. Im Rahmen der Rufbereitschaft war er außerhalb der Regelarbeitszeit zwischen 14.15 Uhr und 19.30 Uhr im Arbeitseinsatz. Die normale Regelarbeitszeit an Freitagen erstreckte sich von 7.00 Uhr bis 12.30 Uhr.
Der Vorarbeiter erhielt für seinen Einsatz am 01. Mai 2015 Entgeltfortzahlung nach § 2 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz). Zusätzlich erhielt er das Vierfache Stundenentgelt als Rufbereitschaftspauschale gemäß § 8 Absatz 5 Satz 2 TV-L (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder). Seinem Arbeitszeitkonto wurden 6 Stunden (aufgerundet von 5 Stunden und 15 Minuten) gutgeschrieben. Weiterhin vergütete die Arbeitgeberin die Inanspruchnahme seiner Person in der Rufbereitschaft außerhalb seines Aufenthaltsortes für Überstunden 30 v.H. und für Feiertagsarbeit mit Freizeitausgleich 35 v.H.
Mit seiner Klage beim Arbeitsgericht machte der Vorarbeiter eine Zeitgutschrift von weiteren 5.15 Stunden für seinen Einsatz am 1. Mai geltend. Er habe zwar die Zeitgutschrift für die Feiertagsarbeit erhalten, nicht jedoch eine Gutschrift für die an sich geleistete Arbeitszeit. Nach § 8 Absatz 1 Satz 1 TV-L habe er neben den Zeitzuschlägen auch Anspruch auf Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung. Dies habe das beklagte Land in Form einer weiteren Zeitgutschrift neben den unstreitig in das Arbeitszeitkonto eingebuchten Stunden für den Freizeitausgleich noch zu leisten.
Seine Forderung entspreche der tarifvertraglichen Regelung. Ansonsten würde ein Arbeitnehmer, der anstelle des Freizeitausgleichs die Vergütung der Stunden wähle, ohne ersichtlichen Grund besser behandelt. Dieser würde die Arbeitszeit während der Rufbereitschaft vergütet bekommen und zusätzlich einen Zeitzuschlag von 135 Prozent erhalten, d. h. insoweit für diese Stunden insgesamt 235 Prozent. Er hingegen, der Freizeitausgleich gewählt habe, erhalte keine Vergütung bzw. keine Zeitgutschrift für die tatsächlich geleisteten Stunden, sondern nur den Freizeitausgleich und den Zuschlag von 35 Prozent, also nur 135 Prozent für die geleisteten Arbeitsstunden. Überstundenzuschläge habe er für diese Berechnung nicht berücksichtigt.
Die Arbeitgeberin beantragte Klageabweisung. Der Vorarbeiter habe erhalten was ihm nach Tarifvertrag zustehe. Er verlange hingegen für dieselben Stunden zweimal einen Freizeitausgleich. Tarifvertrag und Rechtsprechung schlössen das aber aus.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Die Arbeitsleistung sei nicht während der regelmäßigen Arbeitszeit am Vormittag geleistet worden. Entsprechend der tariflichen Vereinbarung werde der Feiertagszuschlag neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung gewährt. Die geleisteten Arbeitsstunden seien zu vergüten bzw. dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.
Das beklagte Land als Arbeitgeberin legte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Die Zeitgutschrift wurde dem Vorarbeiter auf eigenen Wunsch gewährt. Seine Tätigkeit sei voll vergütet worden. Damit sei keine weitere Vergütung und keine auf das Arbeitszeitkonto gutzuschreibende Zeit übrig. Es sei richtig, dass bei vollständiger Auszahlung summiert 265% der Vergütung gewährt würde, hingegen bei Zeitgutschrift nur in Summe 165% (einschließlich Überstunden) erreicht werden. Dieser Unterschied sei nicht unbillig, sondern von den Tarifparteien so gewollt und von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bestätigt. Anspruch für Freizeitausgleich könne nur einmal für dieselbe Stunde entstehen. Neben seiner Rufbereitschaft habe er auch Entgeltfortzahlung erhalten. Während er dann irgendwann die gutgeschriebene Zeit durch Freizeitausgleich in Anspruch nehme, erhalte er auch eine Entgeltfortzahlung. In Hinsicht auf den Freizeitausgleich lägen keine Überstunden vor, die zu vergüten seien.
Das LAG bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichtes. Gemäß Tarifvertrag sei bei einem Einsatz außerhalb des Aufenthaltsortes die geleistete Arbeit neben dem Freizeitausgleich zu vergüten. Das entsprechende Entgelt könne unstreitig in Zeit umgewandelt und dem Freizeitkonto gutgeschrieben werden. Die Arbeitgeberin schulde dem Vorarbeiter eine weitere Zeitgutschrift über 5 Stunden und 15 Minuten.
Nach dem Wortlaut von § 8 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 TV-L sei die tatsächlich neben der Rufbereitschaft geleistete Arbeit zu vergüten, unabhängig davon ob Freizeitausgleich gewählt wurde. Die Zuschläge seien neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeit zu leisten. Ein Einsatz außerhalb des Aufenthaltsortes innerhalb der Rufbereitschaft sei mit dem Entgelt für Überstunden zu bezahlen. Die Zeit der tatsächlichen Inanspruchnahme des Vorarbeiters innerhalb der Rufbereitschaft habe die Arbeitgeberin nicht vergütet. Der Vorarbeiter habe für seine Überstundenvergütung Null Euro angesetzt. Die Entgeltfortzahlung nach § 2 EFZG beziehe sich vorliegend auf die wegen des Feiertags (am Vormittag) tatsächlich ausgefallenen Arbeitsstunden. § 8 Absatz 5 TV-L regele nach seinem Wortlaut nicht, dass die Zeit der tatsächlichen Inanspruchnahme innerhalb der Rufbereitschaft nur zu vergüten sein soll, wenn es sich hierbei um Überstunden handelt, sondern dass sie “mit dem Entgelt für Überstunden” (d.h. mit den entsprechenden Zuschlägen) zu vergüten sein soll.
Die Handhabung des beklagten Landes führe dazu, dass Arbeitnehmer, die statt Freizeitausgleich Auszahlung wählen, bei einer einheitlichen Betrachtung von Zeit und Vergütung bessergestellt werden. Die Arbeitgeberin biete damit einen Anreiz, nicht Freizeitausgleich, sondern Auszahlung zu wählen. Dies entspreche weder dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, noch ihrer Systematik. Das LAG gehe davon aus, dass die Tarifparteien den Ausgleich von Feiertagsarbeit durch Freizeit bevorzugten. Für Überstunden haben sie das ausdrücklich geregelt. Arbeitnehmer würden jedoch die Auszahlung vor dem Freizeitausgleich wählen, falls sie beim Freizeitausgleich schlechter gestellt würden. Es sei davon auszugehen, dass Auszahlung und Freizeitausgleich gleichwertig geregelt werden sollten, statt ohne ersichtlichen Grund einer Option den Vorzug zu geben. Mit dieser Betrachtungsweise sei davon auszugehen, dass auch der Arbeitnehmer der den Freizeitausgleich wählt, auf 235% Vergütung kommen soll. Er erhält 100% Vergütung für geleistete Arbeit, 100% für Freizeitausgleich sowie einen niedrigen Zuschlag von 35%.