Unwirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.01.2019, Aktenzeichen 21 Sa 936/18
Eine sachgrundlos befristete Weiterbeschäftigung auf demselben Arbeitsplatz unter einer anderen Arbeitgeberin kann als rechtsmissbräuchliche Umgehung des Anschlussverbotes betrachtet werden.
Die Arbeitgeberin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie unterhält auf dem Campus Berlin-Buch, gemeinsam mit dem Forschungsverbund Berlin, ein Labor für molekulare Pharmakologie. Eine technische Mitarbeiterin war dort in einer Arbeitsgruppe eingegliedert. Basierend auf einem sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag war die technische Mitarbeiterin zunächst beim Forschungsverbund bis Ende Mai 2013 beschäftigt. Mit einem Änderungsvertrag wurde das Arbeitsverhältnis um zwei Jahre bis Ende Mai 2015 verlängert. Mittels eines weiteren Änderungsvertrages vom Februar 2015 wurde das Arbeitsverhältnis nochmals bis März 2017 verlängert.
Im Sommer 2015 schlug eine Koordinatorin für Personalfragen beim Forschungsverbund der technischen Mitarbeiterin vor, ihr Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden und zur Arbeitgeberin zu wechseln. Die Koordinatorin erkundigte sich bei der Personalleiterin der Arbeitgeberin, ob es möglich wäre, das Arbeitsverhältnis der technischen Mitarbeiterin sofort zu entfristen. Man arbeite schon lange mit ihr zusammen. Die Personalleiterin antwortete, die Stelle einer technischen Mitarbeiterin müsste öffentlich ausgeschrieben werden. Würde sie unbefristet ausgeschrieben gebe es viele Bewerbungen. Eine unbefristete Erstanstellung entspreche auch nicht den Befristungsrichtlinien der Arbeitgeberin. Jede technische Angestellte werde zunächst für zwei Jahre eingestellt. Da die technische Mitarbeiterin noch nie bei der Arbeitgeberin angestellt war, spreche nichts dagegen. Die Entfristung könne vorbereitet werden.
Ende Juli 2015 wandte sich der Leiter der Forschungsgruppe an den Personalrat. Er plane die technische Mitarbeiterin, deren Anstellung bisher über Drittmittel finanziert wurde, nun über Personalmittel, die aus internen Mitteln der Arbeitgeberin zur Verfügung stehen, anzustellen. Er sei nicht daran interessiert, eine gut in die Forschungsthematik eingearbeitete und geschätzte Kollegin zu ersetzen und bitte daher auf eine Ausschreibung zu verzichten. Nach Zustimmung des Personalrats wurde von den Parteien ein Arbeitsvertrag für eine sachgrundlose befristete Beschäftigung als technische Mitarbeiterin für den Zeitraum von Januar 2016 bis Dezember 2017, im September 2015 unterzeichnet.
Der Leiter der Forschungsgruppe stellte bei der Arbeitgeberin Ende August 2017 vergeblich einen Antrag, das Arbeitsverhältnis der technischen Mitarbeiterin zu entfristen.
Mit ihrer Klage vom November 2017 beim Arbeitsgericht Berlin wandte sich die technische Mitarbeiterin gegen die Befristungsabrede vom September 2015 und begehrte ihre Weiterbeschäftigung. Am 8. Dezember 2017 schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag über den Zeitraum von Januar 2018 bis Anfang September 2018 als Vertretung einer Mitarbeiterin während derer Elternzeit.
Vor dem Arbeitsgericht erklärte die technische Mitarbeiterin, die Befristungsabrede vom September 2015 sei unwirksam. Die Befristung sei nicht durch einen sachlichen Grund, insbesondere nicht durch den Sachgrund der Projektbefristung gerechtfertigt. Die Arbeitgeberin könne sich nicht auf eine sachgrundlose Befristung berufen, da das Anschlussverbots des § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) umgangen bzw. die Gestaltungsmöglichkeiten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes rechtsmissbräuchlich ausgenutzt wurden. Die technische Mitarbeiterin beantragte die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung vom September 2015 beendet worden ist, sowie ihre Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits.
Die Arbeitgeberin argumentierte, die Befristung sei wirksam. Die Befristung sei an die Laufzeit eines europäischen Forschungsobjektes gebunden und basierte zusätzlich auf einer bevorstehenden Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Eine Weiterbeschäftigung der technischen Mitarbeiterin beim Forschungsverbund sei über den 31. März 2017 hinaus aufgrund der bevorstehenden Gesetzesänderung und der absehbaren Auflösung der Arbeitsgruppe wegen des fortgeschrittenen Alters des leitenden Professors nicht möglich gewesen.
Aufgrund dieser Information habe der Professor der technischen Mitarbeiterin empfohlen, sie solle versuchen, zur Arbeitgeberin zu wechseln, da dort die Chancen auf eine Entfristung nach Ablauf von zwei Jahren besser als beim Forschungsverbund seien. Der alleinige Grund für den Wechsel sei zum einen die sichere Verlängerung des Arbeitsverhältnisses um neun weitere Monate und zum anderen die Erwartung einer eventuell möglichen Weiterbeschäftigung gewesen. Man habe der technischen Mitarbeiterin einen Gefallen tun wollen.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Es sei davon auszugehen, dass eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorliege. Der Arbeitgeberwechsel im Zusammenwirken des Forschungsverbunds und der Arbeitgeberin sei allein zwecks Eröffnung einer nach § 14 Absatz 2 TzBfG nicht vorgesehenen sachgrundlosen Befristungsmöglichkeit vorgenommen worden. Es sei darum gegangen, der technischen Mitarbeiterin aufgrund fehlender weiterer gerichtsfester Befristungsmöglichkeiten beim Forschungsverbund eine formal erstmals unproblematisch mögliche sachgrundlose Befristung bei der Beklagten zu vermitteln.
Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts legte die Arbeitgeberin Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Sie argumentierte, es gehe nicht um die Aneinanderreihung von sachgrundlosen Befristungen. Die befristeten Vorbeschäftigungen der technischen Mitarbeiterin beim Forschungsverbund seien abgesehen vom ersten Vertrag alle mit Sachgrund erfolgt. Es handele sich um den Neuabschluss eines Arbeitsvertrages nach § 14 Absatz 2 TzBfG mit einer neuen Arbeitgeberin. Der Vertrag sei nicht zu Lasten der technischen Mitarbeiterin abgeschlossen worden.
Ob und welche Befristungsmöglichkeiten bestehen, werde unabhängig von einer etwaigen Vorbeschäftigung beim Forschungsverbund geprüft. Dass damit möglicherweise eine Umgehung des Anschlussverbots des § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG verbunden sei, sei ihr nicht bewusst gewesen.
Das Landesarbeitsgericht entschied, die Berufung sei nicht begründet. Das Arbeitsgericht habe zu Recht der Klage stattgegeben und die Arbeitgeberin zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verurteilt. Das Arbeitsverhältnis habe nicht aufgrund der Befristungsabrede zum Ablauf des Monats Dezember 2017 geendet, sondern bestehe auf unbestimmte Zeit.
Es sei der Arbeitgeberin nach Treu und Glauben entsprechend § 242 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) wegen Umgehung des Anschlussverbots des § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG verwehrt, sich auf die Zulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG zu berufen. Der Grundsatz von Treu und Glauben beschränke als Gebot der Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung sowohl subjektive Rechte als auch die Inanspruchnahme von Rechtsinstituten und Normen. Die sich aus einem Rechtsinstitut oder einer Rechtsnorm an sich ergebenden Rechtsfolgen müssten zurücktreten, wenn sie zu einem mit § 242 BGB unvereinbaren Ergebnis führten.
Dies sei etwa der Fall, wenn eine Vertragspartei eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil der anderen Vertragspartei Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind, oder wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt werde, dass andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbräuchlich, ohne einen sachlich rechtfertigenden Grund, verwendet werden.
Auch die Ausnutzung der durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten könne unter bestimmten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sein. Dies sei gemäß mehreren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts etwa dann der Fall, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeberinnen oder Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge mit einem Arbeitnehmer ausschließlich deshalb schließen, um auf diese Weise über die nach § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können.
Bestehe der Zweck des Arbeitgeberwechsels allein darin, dass sich die verbundenen Arbeitgeberinnen auf diese Weise eine nicht mehr zulässige sachgrundlose Befristung mit derselben Arbeitnehmerin ermöglichen wollen, komme es nicht darauf an, ob die vormalige Arbeitgeberin oder der vormalige Arbeitgeber die Höchstgrenzen für eine sachgrundlose Befristung des Vertrags nach § 14 Absatz 2 TzBfG bereits überschritten und ob für die vormalige Befristung ein rechtfertigender Sachgrund bestanden habe.
Es genüge zunächst, dass die Arbeitnehmerin einen Sachverhalt vorträgt, der die Missbräuchlichkeit der Befristung nach § 242 BGB indiziert. Dazu gehörten insbesondere der nahtlose Anschluss der befristeten Arbeitsverträge mit neuer und vormaliger Vertragsarbeitgeberin, eine ununterbrochene Beschäftigung auf demselben Arbeitsplatz, zu im Wesentlichen unveränderten Arbeitsbedingungen, die weitere Ausübung des Weisungsrechts durch die bisherige Vertragsarbeitgeberin oder eine ohnehin gemeinsame Ausübung des Weisungsrechts, die Vermittlung der Arbeitnehmerin an die letzte Vertragsarbeitgeberin durch die vormalige Vertragsarbeitgeberin und ein erkennbar systematisches Zusammenwirken der bisherigem Arbeitgeberin mit der neuen Arbeitgeberin.
Die Befristungsabrede sei objektiv funktionswidrig. Die Arbeitgeberin und der Forschungsverbund seien bezogen auf die gemeinsam betriebene Arbeitsgruppe rechtlich und tatsächlich miteinander verbunden. Der befristete Arbeitsvertrag der technischen Mitarbeiterin schloss sich nahtlos an den mit dem Forschungsverbund zuvor bestehenden vorzeitig aufgelösten befristeten Arbeitsvertrag an. Die technische Mitarbeiterin wurde von der Arbeitgeberin auf demselben Arbeitsplatz, auf dem sie während ihres Arbeitsverhältnisses mit dem Forschungsverbund tätig war, beschäftigt. Sie unterlag weiterhin dem Weisungsrecht des Leiters der Arbeitsgruppe und Dienstvorgesetzten der technischen Mitarbeiterin. Auch ihre sonstigen Arbeitsbedingungen blieben in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen unverändert.
Diese objektiv funktionswidrige Befristungsabrede beruhe auch auf einem bewussten und gewollten Zusammenwirken der Arbeitgeberin und des Forschungsverbunds.
Der Umstand, dass im Forschungsbereich Kooperationen mehrerer Forschungsträger üblich sind, ändert nichts daran, dass es gemessen an dem Zweck des § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG, sachgrundlose Befristungen auf die erstmalige Einstellungen zu beschränken, als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, wenn kooperierende Forschungsträger die Kooperation dazu nutzen, Arbeitsverträge entgegen der Beschränkung auf Ersteinstellungen sachgrundlos zu befristeten.
In der Versagung eines unbefristeten Arbeitsvertrages liege der Nachteil der Arbeitnehmerin bzw. der Vorteil der Arbeitgeberin, nicht dauerhaft gebunden zu sein, sondern sich von der Arbeitnehmerin auch ohne Kündigungsgrund wieder trennen zu können.
Für die rechtsmissbräuchliche Umgehung des Anschlussverbots des § 2 Abs. 2 Satz 2 TzBfG mache es auch keinen Unterschied, ob der Arbeitgeberwechsel erfolgt sei, um sachgrundlose Befristungen aneinanderzureihen oder eine sachgrundlose Befristung an eine Befristung mit Sachgrund anzuschießen. Entscheidend sei, dass der Arbeitgeberwechsel allein dazu diente, eine sachgrundlose Befristung zu ermöglichen, die sonst nicht möglich gewesen wäre.