Vergütung eines Beisitzers der Einigungsstelle
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2019, Aktenzeichen 7 ABR 15/18
Der Vergütungsanspruch eines umsatzsteuerpflichtigen Beisitzers einer Einigungsstelle umfasst auch die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer.
In die vom Arbeitsgericht eingesetzte Einigungsstelle entsandte der Betriebsrat einen außerbetrieblichen Beisitzer. Dieser ist hauptberuflich Sekretär einer Gewerkschaft. Daneben übt er eine selbstständige Tätigkeit aus. Eine Vereinbarung über seine Entlohnung für die Tätigkeit als Beisitzer wurde nicht getroffen. Der Beisitzer nahm an 3 Sitzungen der Einigungsstelle im Jahr 2015 teil.
Wenige Tage nachdem der Vorsitzende der Einigungsstelle sein Honorar in Rechnung stellte, schrieb auch der Beisitzer seine Rechnung, adressiert an die Arbeitgeberin. Er benannte sein Honorar mit Bezug auf die 7/10 Regelung, die für den Beisitzer der Einigungsstelle eine Entlohnung von 7/10 (70%) des Einigungsstellenvorsitzenden vorsieht. Zuzüglich stellte er die Mehrwertsteuer auf den durch Stundenaufwand errechneten Betrag in Rechnung.
Die Rechnung des Vorsitzenden der Einigungsstelle bezahlte die Arbeitgeberin ohne Abzüge. Die Forderung des Beisitzers sowie eines weiteren Beisitzers erfüllte sie hingegen nicht. Der Beisitzer reichte Klage beim Arbeitsgericht ein und forderte die Begleichung seiner Honorarrechnung.
Sein Anspruch ergebe sich bereits daraus, dass die Arbeitgeberin die Rechnung des Einigungsstellenvorsitzenden beglichen und damit anerkannt habe. Die Arbeitgeberin sei auch verpflichtet, die auf das Honorar entfallende Umsatzsteuer zu bezahlen. Zwar lägen seine Umsätze unter der Jahresschwelle für Kleinunternehmer von 17 500 Euro/Jahr. Er habe aber davon abgesehen, von dieser Regelung Gebrauch zu machen und rechne deshalb die Umsatzsteuer an das Finanzamt ab.
Die Arbeitgeberin zahlte dem Beisitzer einen Honorarbetrag von 6 000 Euro aus. Daraufhin hatten beide Parteien im Februar 2017 vor dem Arbeitsgericht die Sache für erledigt erklärt.
In seiner Rechtsbeschwerde hatte der Beisitzer einen weiteren Betrag von mehr als 600 Euro gefordert. Die Arbeitgeberin erklärte, die Bestimmung der Vergütungshöhe durch den Beisitzer sei unbillig. Er habe seinen Zeitaufwand nicht nachvollziehbar dargelegt.
Weiter führte die Arbeitgeberin aus, falls der Einigungsstellenvorsitzende eine aufwandsorientierte Vergütung erhält, sei den Beisitzern nur 70% von ihrem eigentlichen Aufwand zu vergüten. Bei einer Besprechung im Oktober 2016 hätten die Parteien vereinbart, dass die Arbeitgeberin 6 000 Euro zahlt und der Beisitzer habe im Gegenzug das vorliegende Verfahren für erledigt erklärt. Der Beisitzer unterliege nicht der Umsatzsteuerpflicht und könne deshalb keine Erstattung der Umsatzsteuer verlangen.
Das Arbeitsgericht wies den Antrag des Beisitzers ab. Die Beschwerde des Beisitzers wurde vom Landesarbeitsgericht (LAG) zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte der Beisitzer seinen Antrag weiter.
Das BAG entschied, mit der vom LAG gegebenen Begründung hätte der Antrag nicht abgewiesen werden dürfen. Das LAG habe zu Unrecht angenommen, der Zahlungsanspruch sei durch die Zahlung von 6 000 Euro gemäß § 362 Absatz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) erloschen, weil der Antragsteller keine Umsatzsteuer auf seine Honorarforderung verlangen könne.
Der außerbetriebliche Beisitzer einer Einigungsstelle habe gegenüber der Arbeitgeberin Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit nach § 76 a Absatz 3 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz). Ein umsatzsteuerpflichtiger Beisitzer einer Einigungsstelle habe einen Anspruch auf Erstattung der auf die Vergütung entfallenden Umsatzsteuer. Die Zahlung der Umsatzsteuer muss nicht separat mit der Arbeitgeberin vereinbart werden. Die Umsatzsteuer ist keine eigenständige Honorarforderung, sondern Teil von ihr, die aufgrund umsatzsteuerrechtlicher Bestimmungen lediglich gesondert auszuweisen ist.
Allein aufgrund der Angabe des Antragstellers, er erziele weniger als 17 500 Euro an Umsätzen aus selbständiger Tätigkeit pro Jahr, durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, der Antragsteller sei Kleinunternehmer im Sinne von § 19 UStG (Umsatzsteuergesetz) und deshalb von der Umsatzsteuer befreit.
Das Landesarbeitsgericht habe bereits keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, in welchen Jahren der Antragsteller Einkünfte unterhalb der Schwelle von 17 500 Euro pro Jahr erzielte. Der Antragsteller erbrachte seine Leistungen als Beisitzer der Einigungsstelle im Jahr 2015 und stellte diese auch im Jahr 2015 in Rechnung. Insofern hätte es Feststellungen zu den Umsätzen des Antragstellers in den Jahren 2014 und 2015 bedurft. Aus der Feststellung, die Umsätze hätten sich auf weniger als 17 500 Euro pro Jahr belaufen, ergibt sich nicht, dass dies auch im Jahr 2014 der Fall war.
Es sei zudem nicht festgestellt, ob sich die Angabe des Antragstellers allein auf seinen Umsatz oder auf seinen Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuern bezieht.
Der Unternehmer kann gemäß § 19 Absatz 2 Satz 1 UStG dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung erklären, dass er auf die Anwendung des Absatz 1 verzichtet. Macht der Unternehmer von dieser Option Gebrauch, unterliegt er der Besteuerung nach den übrigen Vorschriften des UstG und hat aufgrund seiner Umsatzsteuerpflicht Anspruch auf Erstattung der auf die Vergütung entfallenden Umsatzsteuer.
Der Verzicht könne für den Beisitzer vorteilhaft sein und führe nicht zu einer zusätzlichen wirtschaftlichen Belastung für die Arbeitgeberin.
Die Gefahr eines Missbrauchs der Option, um die Kosten der Einigungsstelle für die Arbeitgeberin in die Höhe zu treiben, sei im Übrigen regelmäßig schon dadurch ausgeschlossen, dass die Arbeitgeberin die Mehrkosten der Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs in Abzug bringen kann.
Berechnet der Unternehmer in den Voranmeldungen oder in der Steuererklärung für das Kalenderjahr die Steuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG, sei darin grundsätzlich eine Erklärung im Sinne des § 19 Absatz 2 Satz 1 UStG zu erblicken. In Zweifelsfällen müsse das Finanzamt den Kleinunternehmer fragen, welcher Besteuerungsform er seine Umsätze unterwerfen will.
Das Landesarbeitsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Antragsteller Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt vorangemeldet hat und welchen Inhalt seine Steuererklärung für das Jahr 2015 und ggf. für die Vorjahre hatte. Ausweislich der Entscheidungsgründe sei auch das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Antragsteller sich entschieden hatte, von der Kleinunternehmerregelung in § 19 Absatz 1 UStG keinen Gebrauch zu machen.
Ferner habe der Antragsteller gegenüber der Arbeitgeberin die Umsatzsteuer in seiner Rechnung ausgewiesen. Dies lege nahe, dass der Antragsteller auch gegenüber dem Finanzamt die Steuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG berechnet hat.
Das Landesarbeitsgericht werde zu klären haben, ob der Antragsteller der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG unterlag.
Der Antrag könnte der Abweisung unterliegen, wenn der Antragsteller mit der Arbeitgeberin in der Besprechung am 14. Oktober 2016 einen wirksamen außergerichtlichen Vergleich dahingehend geschlossen haben sollte, dass das Honorar 6 000 Euro inklusive Umsatzsteuer beträgt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein außerbetrieblicher Einigungsstellenbeisitzer bis zum Erlass einer die Honorarhöhe regelnden Rechtsverordnung berechtigt, den Umfang der Vergütung mit der Arbeitgeberin zu vereinbaren oder durch eine einseitige Erklärung zu bestimmen. Als Bezugsgröße komme dafür regelmäßig das dem Einigungsstellenvorsitzenden gezahlte Honorar in Betracht.
Das von § 76a Absatz 4 Satz 3 bis Satz 5 BetrVG geforderte Abstandsgebot, das dem Unterschied in den Aufgaben und der Beanspruchung des Vorsitzenden und der Beisitzer Rechnung tragen soll, habe der Antragsteller bei seiner Leistungsbestimmung anhand der sogenannten 7/10-Regelung beachtet. Diese Leistungsbestimmung sei ohne Vorliegen besonderer Umstände nicht unbillig.
Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, die 7/10-Regelung sei zu modifizieren, wenn mit dem Vorsitzenden der Einigungsstelle ein Stunden- oder Tageshonorar vereinbart sei. Bei einer solchen aufwandsorientierten Vergütung des Vorsitzenden sei Beisitzern nur 7/10 von ihrem tatsächlichen Aufwand zu vergüten.
Selbst wenn zwischen dem Vorsitzenden der Einigungsstelle und der Arbeitgeberin eine Vereinbarung über die Vergütung auf Stundenbasis getroffen worden sein sollte, stehe die Auffassung, in einem solchen Fall sei auch Beisitzern nur 7/10 von ihrem tatsächlichen Aufwand zu vergüten, im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Senats. Danach ist ein außerbetrieblicher Einigungsstellenbeisitzer bis zum Erlass einer die Honorarhöhe regelnden Rechtsverordnung berechtigt, den Umfang der Vergütung mit der Arbeitgeberin zu vereinbaren oder durch eine einseitige Erklärung zu bestimmen.
Soweit die Arbeitgeberin geltend macht, der Vorsitzende habe besonders viel Zeit in den Entwurf der Betriebsvereinbarung investieren müssen, weil der Betriebsrat seinerseits keinen Entwurf vorgelegt habe, werde zu berücksichtigen sein, dass dem unterschiedlichen Zeit- und Vorbereitungsaufwand zwischen Vorsitzendem und Beisitzern bei einer Pauschalierung regelmäßig bereits durch eine dem Abstandsgebot genügende Verringerung des Beisitzerhonorars gegenüber dem des Vorsitzenden Rechnung getragen wird.
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts wurde aufgehoben und die Sache zur Neuverhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen, da sie nach dem bisher festgestellten Sachverhalt nicht zur Entscheidung reif sei.