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Eingruppierung einer Stationsleitung im Krankenhaus

Eingruppierung der Tätigkeit einer Stationsleitung im medizinischen Bereich

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.01.2020, Aktenzeichen 4 ABR 8/18

Grundlage für die Bewertung der auszuübenden Tätigkeit ist der Arbeitsvorgang. Auf die Bezeichnung der Tätigkeit kommt es für die Bestimmung der zutreffenden Eingruppierung nicht an. Maßgeblich ist, welchem Tätigkeitsmerkmal die gesamte nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.

Die Arbeitgeberin ist Träger mehrerer Krankenhäuser an mehreren Standorten und beschäftigt über 2 000 Arbeitnehmer. Eine Arbeitnehmerin übernahm ab Januar 2017 die Funktion einer Teamleiterin einer Krankenstation mit rund 10 unterstellten Vollzeitarbeitskräften. Ihrem vorgesetzten Bereichsleiter sind rund 31 Vollzeitbeschäftigte zugeordnet. Ein Mitarbeiter aus dem Herzkatheterlabor übernahm ab Januar 2017 standortübergreifend die Teamleitung für das Herzkatheterlabor an zwei Standorten mit rund 12 unterstellten Vollzeitarbeitskräften. Eine standortübergreifende Leitung des Bereichs erfolgte durch eine Bereichsleiterin.

Für die veränderten Arbeitsaufgaben der beiden Mitarbeiter beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur Umgruppierung beider Arbeitnehmer in die Entgeltgruppe P 11. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung mit der Begründung, die Entgeltgruppe P 12 sei zutreffend. Der Mitarbeiter im Herzkatheterlabor sei zudem auch ständiger Vertreter der Bereichsleiterin.

Beim Arbeitsgericht beantragte die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats. Beide Mitarbeiter seien als Teamleiter von großen Teams im Sinne der Entgeltgruppe P 11 tätig. Eine Stationsleitung nach früherem Begriff gebe es nicht mehr. Das gelte auch wenn die Teamleitung auf einer Station eingesetzt werde. Die Teamleitung beinhalte ein reduziertes Maß an Mitverantwortung. Die Leitung, insbesondere die Planung des Personaleinsatzes, erfolge stationsübergreifend. Den beiden Mitarbeitern seien ausschließlich Aufgaben entsprechend dem neuen Konzept übertragen worden. Die Einführung der neuen Organisations- und Leitungsstrukturen habe nicht genau am Stichtag 1. Januar 2017 umgesetzt werden können. Später seien aber nur noch Klarstellungen zur Umsetzung des Konzepts erfolgt.

Der Betriebsrat argumentierte, die Arbeitgeberin habe ihn nicht ausreichend über die konkreten Aufgaben und Verantwortungsbereiche der beiden Mitarbeiter unterrichtet. Die tatsächlich auszuübende Tätigkeit entspreche seit Januar 2017 für beide Mitarbeiter einer Stationsleitung. Das ergebe sich aus der Aufgabenbeschreibung. Auf die Bezeichnung der Position komme es nicht an. Durch die neu geschaffene, zusätzliche Hierarchieebene Bereichsleitung habe sich lediglich die übergeordnete Verantwortung verlagert. Für den Mitarbeiter im Herzkatheterlabor ergebe sich die Entgeltgruppe P 12 bereits aus dem Umstand, dass er die Bereichsleitung vertrete.

Das Arbeitsgericht gab dem Begehren der Arbeitgeberin zur Zustimmungsersetzung statt. Die Beschwerde des Betriebsrats wurde vom Landesarbeitsgericht (LAG) zurückgewiesen. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte der Betriebsrat weiterhin die Abweisung der Anträge der Arbeitgeberin.

Das BAG entschied, die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats sei gerechtfertigt. Die Mitarbeiter sind in die Entgeltgruppe P 12 einzuordnen.

Die vom Betriebsrat als fehlend gerügten Angaben habe die Arbeitgeberin im Laufe des Verfahrens ergänzt.  Eine erneute Zustimmungsverweigerung war nicht notwendig, da die Arbeitgeberin von ihrer ursprünglichen Maßnahme keinen Abstand genommen und keine eigenständige, neue personelle Einzelmaßnahme eingeleitet hat.

Der Betriebsrat habe seine Zustimmung zu den geplanten personellen Maßnahmen nach § 99 Absatz 2 Nr. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) zu Recht verweigert, weil sie gegen die Bestimmungen des maßgeblichen Tarifvertrags verstoßen. Die Zuordnung der beiden Mitarbeiter in die Entgeltgruppen sei eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung.

Das Landesarbeitsgericht sei von einem unzutreffenden Begriff der Stationsleitung ausgegangen. Dies führe zur Aufhebung der Entscheidung.

Der Begriff der Stationsleitung, wie er in Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA (Tarifverträge öffentlicher Dienst/ Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) verwendet wird, entspreche dem allgemeinen berufskundlichen Verständnis. Stationsleitungen koordinieren die pflegerischen Aufgaben der Station und üben insoweit Leitungsaufgaben gegenüber den fachlich unterstellten Beschäftigten aus. Darüber hinaus wirken sie bei der Betriebsführung der Station mit. Die Übertragung der organisatorischen Gesamtzuständigkeit mit einer Alleinverantwortung für alle anfallenden Aufgaben sei hingegen tariflich nicht erforderlich. Dies ergebe die Auslegung der Tarifnorm.

Was unter Stationsleitung zu verstehen ist, sei im Tarifvertrag nicht definiert. Deshalb erfolge eine Auslegung des Wortlauts basierend auf dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Berufskreise. Nach allgemeinem Verständnis sei unter Station eine Abteilung in einem Krankenhaus zu verstehen. Entsprechend dem Tarifvertrag (TVöD/VKA) ist eine Station die kleinste organisatorische Einheit. Stationsleitung ist die Bezeichnung für diejenigen „Leitenden Beschäftigten in der Pflege“, die eine Station eines Krankenhauses leiten. Der Begriff entspreche dem älteren Begriff der Stationsschwester, der leitenden Schwester einer Station.

In neuerer Zeit würden in den einschlägigen Verordnungen der Länder zur Weiterbildung von Pflegekräften für eine solche Funktion synonym verschiedene Bezeichnungen wie etwa pflegerische Leitung einer Station oder Einheit, Staatlich anerkannter Gesundheits- und Krankenpfleger/in für Leitungsfunktionen in Einrichtungen der Pflege im Gesundheits- und Sozialwesen, Fachkraft für Leitungsaufgaben in der Pflege, Leiter/in einer Pflegeeinheit, aber teilweise auch der Begriff der Stationsleitung verwendet.

Mit dem Begriff der Stationsleitung sei ein bestimmtes Berufsbild verbunden. Stationsleiter in der Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege koordinieren die pflegerischen Aufgaben, die Pflegeübergaben und die Pflegedokumentation in ihrem Bereich. Sie haben die Personalführung einschließlich der Dienstplangestaltung inne, wirken an der Personalentwicklung und der praktischen Ausbildung von Nachwuchskräften mit und sind für die Qualitätssicherung zuständig. Hierfür kontrollieren sie die Einhaltung der Pflegestandards und der rechtlichen Vorgaben und führen Mitarbeiterschulungen durch. Darüber hinaus wirken sie in der Betriebsführung mit.

Die vom Landesarbeitsgericht geforderte Übertragung der organisatorischen Gesamtzuständigkeit mit einer Allein- und Letztverantwortlichkeit für alle anfallenden Aufgaben lasse sich bereits aus dem Wortlaut der Norm und dem damit verknüpften Berufsbild nicht ableiten.

Gegen ein solches Verständnis sprächen auch Systematik und Gesamtzusammenhang der Tätigkeitsmerkmale für leitende Beschäftigte in der Pflege. Unterste Leitungsebene ist danach die Gruppen- bzw. Teamleitung, während die Station die kleinste organisatorische Einheit darstellt. Ein Bereich bzw. eine Abteilung umfasst in der Regel mehrere Stationen. Der Begriff der Stationsleitung in den Entgeltgruppen P 12 und P 13 TVöD/VKA knüpfe insoweit an der kleinsten organisatorischen Einheit Station an, nicht an derjenigen des Teams.

Bei einem Team handelt es sich demgegenüber um eine kleinere Einheit, typischerweise die Teileinheit einer Station. Diese ist nicht organisatorisch verselbständigt, sondern zeichnet sich nur durch die Zusammenfassung von Beschäftigten aus. Sind vor diesem Hintergrund Arbeitnehmern Leitungsaufgaben stationsbezogen zugewiesen, spreche dies jedenfalls in den Fällen, in denen die Einrichtung organisatorisch am Stationsmodell orientiert ist, strukturell für die Erfüllung des Funktionsmerkmals Stationsleitung, nicht für das einer Teamleitung.

Anders als das Landesarbeitsgericht annimmt, schließe aber schon der Aufbau der Tätigkeitsmerkmale aus, dass eine Stationsleitung die alleinige organisatorische Gesamtzuständigkeit für den Bereich der Station oder die Letztverantwortlichkeit für übertragene Leitungsaufgaben besitzen muss. Anderenfalls verbliebe den Bereichsleitern ebenso wenig Raum zur Leitung der ihnen unterstellten Stationen wie der Pflegedienstleitung im Hinblick auf deren Gesamtverantwortung.

Von einer Stationsleitung könne eine eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnis in disziplinarischer Hinsicht nicht verlangt werden.

Der Betriebsrat habe die Zustimmung zu den beabsichtigten Umgruppierungen in die Entgeltgruppe P 11, Stufe 2 bzw. 4 TVöD/VKA zu Recht verweigert. Die auszuübende Tätigkeit der Mitarbeiterin und des Mitarbeiters  erfülle nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Tätigkeitsmerkmal Stationsleitung im Sinne der Entgeltgruppe P 12, Fallgruppe 1 bzw. im Fall der Leitung einer großen Station der Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA.

Grundlage für die Bewertung der auszuübenden Tätigkeit sei der Arbeitsvorgang. Bei der Tätigkeit als Teamleiter handele es sich um einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Es ließe sich zwar zwischen unmittelbaren Leitungstätigkeiten und anderen Tätigkeiten unterscheiden, aber letztlich dienten alle Tätigkeiten der Arbeitnehmer dem Arbeitsergebnis des jeweiligen Teams. Wenn die Leiterin/der Leiter einer Organisationseinheit selbst Aufgaben wahrnimmt, die innerhalb des von ihr/ihm betreuten Bereichs anfallen, gehören diese Tätigkeiten als Zusammenhangsarbeiten zur einheitlich zu bewertenden Leitungstätigkeit.

Die Mitarbeiterin der Krankenstation und der Mitarbeiter im Herzkatheterlabor leiten jeweils eine Station im Tarifsinn.

Die Organisationsstruktur bei der Arbeitgeberin entspreche derjenigen, wie sie in der Anlage 1 zum TVöD/VKA als regelmäßige Organisationsstruktur beschrieben und den Tätigkeitsmerkmalen zugrunde gelegt ist. Insbesondere bestehe in organisatorischer Hinsicht bei der Arbeitgeberin eine Gliederung in Stationen und Bereiche, wie sich sowohl aus den Verantwortungsbeschreibungen Teamleitung/mittleres Management als auch aus der entsprechenden Aufgabenbeschreibung ergebe. Dies habe das Landesarbeitsgericht festgestellt und hierüber bestehe zwischen den Parteien auch kein Streit. In Frage stehe vielmehr, ob die von der Arbeitgeberin als Teamleiter bezeichneten Mitarbeiter lediglich eine solche Funktion im Sinne der Entgeltgruppen P 10 und P 11 TVöD/VKA auszuüben haben oder die Funktion einer Stationsleitung im Tarifsinn.

Auf die Bezeichnung einer Tätigkeit komme es für Bestimmung der zutreffenden Eingruppierung nach § 12 TVöD/VKA nicht an. Maßgeblich sei vielmehr, welchem Tätigkeitsmerkmal die gesamte nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Dass die Arbeitgeberin die Tätigkeit als Teamleitung bezeichnet oder nach ihrem Konzept generell die Bereichsleitung die Stationsleitung ersetzen sollte, sei eingruppierungsrechtlich für sich genommen unerheblich.

Nach der „Verantwortungsbeschreibung Teamleitung im Pflege- und Funktionsdienst“ sei das Ziel der Tätigkeit der Teamleitung die verantwortliche Übernahme der näher beschriebenen Aufgaben und Tätigkeiten für ihre Station. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seien die Teamleitungen unter anderem für die Sicherstellung der Umsetzung des Pflegeprozesses, die Sicherstellung einer rechtssicheren Pflegedokumentation und die Sicherstellung des Überleitungs- und Entlassungsmanagements zuständig. Dies mache bereits einen wesentlichen Teil der Tätigkeit einer Stationsleitung im Tarifsinn aus, die Koordinierung und Sicherstellung der unmittelbaren pflegerischen Aufgaben. Auch die weiter aufgeführten patientenbezogenen und organisatorischen Aufgaben stellten ebenso wie die im Bereich des Personalmanagements typischen Tätigkeiten einer Stationsleitung dar. Hinzu komme in organisatorischer Hinsicht, dass das Team mit der jeweiligen Station und in personeller und fachlicher Hinsicht mit den dort tätigen Pflegekräften identisch ist.

Der genaue Aufgabenzuschnitt und die jeweilige Kompetenzstufe – auch in Abgrenzung zur Bereichsleitung – ergeben sich aus der „Aufgabenbeschreibung Bereichsleitung / Teamleitung“. In deren Präambel heiße es ausdrücklich, dass die Teamleitung für die Planung und Koordination innerhalb des Pflegedienstes einer Station oder Einheit verantwortlich ist und unter Zuhilfenahme aller zur Verfügung stehenden Ressourcen den reibungslosen Arbeitsablauf plant und organisiert. Auch dies beschreibe die für Stationsleitungen typischen Tätigkeiten.

Dabei sei, wie die Arbeitgeberin zutreffend herausgestellt habe, die Personaleinsatzplanung einschließlich der Erstellung von Dienst- und Urlaubsplänen ein wichtiger Teil der typischen Tätigkeit einer Stationsleitung. Diese seien entsprechend der Aufgabenbeschreibung von der Teamleitung selbständig vorzubereiten und dem Vorgesetzten (hier: der Bereichsleitung) zu unterbreiten. Die entscheidende Tätigkeit verbleibe bei der „Teamleitung“. Diese müsse die Planung vornehmen, sich mit den fachlich unterstellten Pflegekräften auseinandersetzen und im Nachgang den Personaleinsatz nach diesen Dienstplänen koordinieren und überwachen.

Anders als die Arbeitgeberin in ihrer Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, könne deshalb nicht davon gesprochen werden, dass die „Teamleitungen“ lediglich Unterstützungsleistungen und Zuarbeit für die Bereichsleitungen erbringen. Für die Funktionseinheit, die der Mitarbeiter des Herzkatheterlabors leitet, ergebe sich kein anderes Ergebnis. Auch für diese gelte die Aufgabenbeschreibung mit der Kompetenzverteilung zwischen „Teamleitung“ und Bereichsleitung.