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Einigungsstelle bei der Corona-Testpflicht

Einigungsstelle ist bei der Corona-Testpflicht nicht offensichtlich unzuständig

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.03.2022, Aktenzeichen 7 TaBV 164/22

Eine Einigungsstelle ist nur dann offensichtlich unzuständig, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Mit-bestimmung des Betriebsrats in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes zusammenfassen lässt.

Die Einrichtung einer Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand „Umsetzung der Kontrolle von Corona Geimpft-, Genesenen- oder Test-Status“ wurde vom Arbeitsgericht per Beschluss vom Januar 2022 verkündet.

Das Arbeitsgericht begründete, die Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Es komme ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) bezüglich Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb in Betracht. Den Betriebsparteien bliebe hinreichend Spielraum für eine Betriebsvereinbarung. Der Einrichtung einer Einigungsstelle stehe nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verneinte und die Betriebsparteien deshalb nicht verhandelt haben.

Die Arbeitgeberin legte gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Die Regelung in § 28 b Absatz3 IfSG (Infektionsschutzgesetz) sei zwingend. Das Mitbestimmungsrecht sei nicht anwendbar, da diese Regelung Arbeitsverhalten betrifft, das mitbestimmungsfrei sei. Für die Arbeitgeberin bestehe kein Spielraum, da sie vom Gesetz zu diesen Kontrollen beim Betreten der Arbeitsstelle verpflichtet sei und keine eigenen Corona-Teststellen betreibe.

Der Betriebsrat argumentierte, ein Mitbestimmungsrecht bestehe nicht nur nach § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz), sondern auch nach Nummer 2, 6 und 7 BetrVG. Gegenstand der zu regelnden Mitbestimmung seien der Standort der Covid-19-Kontrolle, die Funktion der Kontrollierenden, die Räumlichkeiten der Kontrolle, die Wertung von Wartezeiten als Arbeitszeit, der Zeitpunkt der Prüfung, die Eröffnung von Möglichkeiten eines digitalen Nachweises und der Umgang mit den erhobenen Daten.

Verhandlungen zwischen den Betriebsparteien haben nicht stattfinden können, da die Arbeitgeberin diese mit der Begründung abgelehnt hat, ein Mitbestimmungsrecht sei nicht gegeben.

Mit der Erklärung der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden vom November 2022, die Covid-19-Kontrollen könnten durchgeführt werden, sei für die Arbeitgeberin erkennbar gewesen, dass ein entsprechender Beschluss des Betriebsrats fehlte. Der Betriebsrat habe dem Verfahren unverzüglich widersprochen.

Das Landesarbeitsgericht entschied, die Beschwerde der Arbeitgeberin hat keinen Erfolg, da die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig ist. Der Antrag auf Einsetzung eines Vorsitzenden der Einigungsstelle kann nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist.

Offensichtlich unzuständig ist eine Einigungsstelle nur dann, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Mitbestimmung des Betriebsrats in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes zusammenfassen lässt.

In Zweifelsfällen ist der Einigungsstelle zu überlassen ihre Zuständigkeit festzustellen und somit ein beschleunigtes Einigungsstellenverfahren durchzuführen. Den Betriebsparteien soll damit bei Bedarf zeitnah eine formal funktionierende Einigungsstelle zur Verfügung gestellt werden.

Ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht und eine Klärung des Arbeitsgerichts fehlt, ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig.

Unter Beachtung dieser Maßstäbe erweise sich die Einigungsstelle nicht als offensichtlich unzuständig. Zu Recht habe das Arbeitsgericht angenommen, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Betracht zu ziehen sei.

Die Mitbestimmung des Betriebsrats bezieht sich auf Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand dieses Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist, die Arbeitnehmer an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens gleichberechtigt teilnehmen zu lassen.

Regelungen und Weisungen mit deren Hilfe die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird, so genanntes Arbeitsverhalten, sind hingegen nicht mitbestimmungspflichtig.

Die vorzunehmenden Covid-19-Kontrollen der 3G-Regeln (geimpft, genesen, getestet) durch die Arbeitgeberin betreffen Fragen der Ordnung des Betriebes, jedoch nicht das Arbeitsverhalten.

Mit der Kontrolle wird nicht die Arbeitsleistung ausgestaltet und unmittelbar konkretisiert. Auch der kontrollierte Status betrifft nicht unmittelbar die Erbringung der Arbeitsleistung selbst, sondern nur die Möglichkeit den Betrieb zu betreten, um die Arbeitsleistung zu erbringen. Es handelt sich dabei um die Umsetzung von Regelungen über das Betreten des Betriebs, die regelmäßig das Ordnungsverhalten betreffen.

Die gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeberin, die Kontrollen durchzuführen, schließt das Mitbestimmungsrecht nicht aus. Es gebe zwar keine Möglichkeiten darüber zu entscheiden, ob die Kontrollen durchgeführt werden oder nicht. Spielraum besteht aber darin, wie die Kontrollen vorzunehmen sind. So sind z.B. Regelungen über die Art des Nachweises (in Papierform oder digital), über die für die Kontrolle zuständigen Person oder auch deren Erreichbarkeit sowie die Art der Dokumentation denkbar.

Auch bei Beachtung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs ist davon auszugehen, dass die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig ist. Die hier im Streit stehende Frage ist noch nicht geklärt.

Innerbetriebliche Verhandlungen kamen nicht in Betracht, da die Arbeitgeberin ein Mitbestimmungsrecht verneint hat. Das steht dem Antrag des Betriebsrats jedoch nicht entgegen.

Die Zustimmung der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden war für die Arbeitgeberin hinreichend deutlich ein Zeichen, dass diese dem kurzfristigen Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung geschuldet war, aber nicht die abschließende Ausübung betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte darstellte.

Die Person des Vorsitzenden der Einigungsstelle sowie die Zahl der Beisitzer sind bereits mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts streitlos.

Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung wurde nicht zugelassen.