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Kein Impfnachweis – Kein gesetzliches Tätigkeitsverbot?

Kein gesetzliches Tätigkeitsverbot bei Nichtvorlage des Impfnachweises

Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 18.05.2022, Aktenzeichen 2 Ca 2082/21

Es besteht kein gesetzliches Beschäftigungsverbot für bereits vor dem 15.03.2022 beschäftigte Arbeitnehmer, die entgegen der Regelung im Impfschutzgesetz ihrer Arbeitgeberin keinen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen.

Ein Auszubildender für den Beruf des Gesundheits- und Krankenpflegers wurde vom Schulleiter der Pflegeschule einige Male darauf aufmerksam gemacht, dass er seine FFP-2-Maske zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 nicht richtig trage. Eine Abmahnung erfolgte jedoch nicht.

Am 27. November brachte der Auszubildende seinen Unmut darüber zum Ausdruck, dass er sich in der Teststelle des von der Arbeitgeberin betriebenen Krankenhauses nicht selbst testen durfte. Drei Tage später ließ sich der Auszubildende in der Teststelle auf das Coronavirus SARS-CoV-2 testen.

Während der Auszubildende im Warteraum der Teststelle auf sein schriftliches Ergebnis wartete, hatte er einen Abstand von ca. 4-5 Metern zu den anderen im Raum befindlichen Personen. Der Auszubildende zog seine Maske von der Nase herunter, sodass diese lediglich seinen Mund bedeckte. Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin wies ihn darauf hin, dass er seine Maske nicht ordnungsgemäß trage. Der Auszubildende korrigierte die Position seiner Maske zunächst nicht. Einer weiteren, energischen Aufforderung vom Geschäftsführer zum Tragen der Maske, kam der Auszubildende sodann nach. Der Geschäftsführer forderte den Auszubildenden auf, die Teststation zu verlassen.

Die Arbeitgeberin kündigte das Ausbildungsverhältnis des Auszubildenden mit Kündigungsschreiben vom 01.12.2021 außerordentlich fristlos.

Die Arbeitgeberin begründete, er habe das dortige Personal verbal attackiert und ihm vorgeworfen, das tagtägliche Testen sei nur politische Schikane und Geldmacherei.

Am 27.11.2021 habe er das Testzentrum ungetestet verlassen und erschien daraufhin auch nicht zum Unterricht.

Mehrfach täglich musste er in den Schulräumen auf das konsequente Tragen einer FFP-2-Maske hingewiesen werden, die er immer nur auf ausdrückliche Aufforderung regelgerecht getragen habe, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass in den Schulräumen eine dauernde Verpflichtung zum Tragen einer Maske besteht.

Der Schulleiter habe ihm am 29.11.2021 eine ausdrückliche und mündliche Ermahnung ausgesprochen, da er an diesem Tag entgegen dem Testkonzept der Arbeitgeberin ein negatives Testergebnis einer auswärtigen Teststelle vorlegte.

Am Morgen des 30.11.2021 wurde der Auszubildende im Wartebereich der Teststelle vom Geschäftsführer ohne Maske sitzend wahrgenommen und auf die in den Räumen geltende Maskenpflicht hingewiesen. Eine erste Aufforderung, die Maske aufzusetzen, ignorierte der Auszubildende völlig und beschäftigte sich weiterhin mit seinem Telefon. Als der Geschäftsführer ihn ein weiteres Mal etwas energischer zum Tragen der Maske aufforderte, habe er diese widerwillig hochgezogen, nicht jedoch ohne zu entgegen, er solle ihn in Ruhe lassen und er habe ihm gar nichts zu sagen. Vom Hausrecht Gebrauch machend verwies der Geschäftsführer den Auszubildenden sodann des Gebäudes.

Seit dem 1. Dezember 2021 zahlte die Arbeitgeberin keine Ausbildungsvergütung.

Der Auszubildende ist nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft.

Der Auszubildende behauptet, dass er am 30.11.2021 seine Maske nur deswegen von der Nase gezogen habe, da er sich an der Nase habe kratzen bzw. diese putzen müssen. Plötzlich habe ein ihm unbekannter Mann, der sich ihm nicht vorgestellt habe, vor ihm gestanden und ihn im lauten, aggressiven und unfreundlichen Ton angeherrscht, seine Maske aufzusetzen. Der Auszubildende sei derart perplex gewesen, dass er dieser Aufforderung zunächst nicht nachgekommen sei.

Der Auszubildende reagiere auf Nasentests sehr empfindlich. Das tiefe Einführen des Teststäbchens in die Nase führe bei ihm zu starkem Juckreiz, Anschwellen der Schleimhäute und mitunter Nasenbluten. Diese Überempfindlichkeit habe er gegenüber der Pflegeschule und der Teststelle kommuniziert.

Anfangs habe der Auszubildende die Corona-Testungen in der Teststelle selbst durchführen dürfen. Am 27.11.2021 sei allerdings eine neue Mitarbeiterin in der Teststelle gewesen, die darauf bestanden habe, den Test durchzuführen. Der Auszubildende habe sodann seinen Unmut zum Ausdruck gebracht, die Mitarbeiterin jedoch nicht verbal attackiert. Der diesbezügliche Vortrag der Arbeitgeberin sei bereits unsubstantiiert.

Ebenso gebe die Arbeitgeberin nicht an, wann, wo und von wem er aufgefordert worden sei, seine Maske regelgerecht zu tragen. Er habe seine Maske stets regelgerecht getragen und insbesondere niemanden gefährdet. Er sei nur dann darauf aufmerksam gemacht worden, dass er seine Maske nicht richtig trage, wenn er alleine in einem Raum oder auf dem Flur gewartet habe und niemand in der Nähe gewesen sei.

Der Auszubildende ist der Ansicht, dass die außerordentliche Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses unwirksam sei. Durch die Kündigung sei ihm die Möglichkeit genommen, seine kurz vor dem Abschluss stehende Ausbildung zu beenden.

Jedenfalls aber fehle es an einer vorherigen Abmahnung als milderem Mittel. Insbesondere liege kein patientengefährdendes Verhalten des Auszubildenden vor. Auch habe er keine anderen Mitauszubildenden und Mitarbeiter gefährdet. Ein konkreter Nachweis hierzu werde von der Arbeitgeberin nicht erbracht.

Beim Arbeitsgericht legte der Auszubildende Kündigungsschutzklage ein und machte in seiner Klageerweiterung Ansprüche auf Annahmeverzugslohn gegen die Arbeitgeberin geltend.

Er beantragte festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche und fristlose Kündigung vom 01.12.2021 sein Ende findet, sondern über diesen Zeitraum zu unveränderten Ausbildungsbedingungen fortbesteht.

Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, dass die vorgenannten Vorfälle angesichts der aktuellen Situation so schwerwiegend seien, dass diese für sie nicht hinnehmbar seien. Als Gesundheitseinrichtung sei die Arbeitgeberin dem Wohl der Patientinnen und Patienten verpflichtet, als Dienstgeberin treffe sie eine erheblich gesteigerte Schutz- und Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Insoweit könne die Arbeitgeberin nicht dulden, dass Einzelne durch verweigerndes Verhalten ihr Testkonzept untergraben, sich und andere in eine konkrete Gesundheitsgefahr bringen und letztlich auch die gesamtgesellschaftlichen Bestrebungen, die Pandemie einzudämmen und der Lage wieder Herr zu werden, zunichtemachen.

Das verweigernde Verhalten des Auszubildenden gegenüber Regelungen und Anforderungen stelle einen wichtigen Grund zur Kündigung des Ausbildungsverhältnisses dar. Auch zeige der Auszubildende durch sein Verhalten deutlich eine Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufes des Gesundheits- und Krankenpflegers. Er zeige damit, dass er für den Beruf ungeeignet sei.

Eine vorherige schriftliche Abmahnung halte die Arbeitgeberin aufgrund der Schwere der Verstöße für entbehrlich.

Die Arbeitgeberin ist weiterhin der Ansicht, dass sie dem Auszubildenden keinen Annahmeverzug schulde. Dies ergebe sich schon daraus, dass die außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses wirksam sei. Jedenfalls aber sei der Auszubildende nicht geimpft, sodass ab dem 15.03.2022 kein Anspruch auf Annahmeverzugslohn bestehe. Nach § 20a IfSG (Infektionsschutzgesetz) sei eine Impfung Voraussetzung für die Beschäftigung.

Das Arbeitsgericht entschied, das Ausbildungsverhältnis wurde durch die außerordentliche Kündigung der Arbeitgeberin vom 01.12.2021 nicht aufgelöst. Demgemäß hat der Auszubildende einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn gegen die Arbeitgeberin.

Es fehlt jedenfalls an einer vorherigen Abmahnung des Auszubildenden. Auch die vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten der Arbeitgeberin aus.

Vorliegend fehlt es jedenfalls an einer vorherigen Abmahnung des Auszubildenden. Es handelt sich bei den behaupteten Pflichtverletzungen um solche, die auf einem steuerbaren Verhalten des Auszubildenden beruhen. Diese wiegen nicht so schwer, dass selbst ihre erstmalige Hinnahme durch die Arbeitgeberin ausgeschlossen war. Damit war eine vorherige Abmahnung des Auszubildenden erforderlich.

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Auszubildenden, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Ausbildungsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann.

Die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus.

Das nicht ordnungsgemäße Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes am 30.11.2021 war ohne vorherige Abmahnung nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses zu rechtfertigen.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesamtumstände wiegt die Pflichtverletzung des Auszubildenden zudem nicht so schwer, dass der Arbeitgeberin eine vorherige Abmahnung des Auszubildenden unzumutbar gewesen wäre. Zwar hat der Auszubildende gegen das bei der Arbeitgeberin geltende Schutzkonzept zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 verstoßen, indem er seinen Mund-Nasen-Schutz kurzzeitig unter die Nase gezogen hat. Jedoch ist im konkreten Einzelfall keine Gefährdung von Arbeitskollegen oder Patienten der Arbeitgeberin eingetreten, da der Auszubildende den Mund-Nasen-Schutz zu einem Zeitpunkt unter die Nase gezogen hatte, als er einen weiten Abstand von weiteren, im Raum befindlichen Personen hatte.

Es liegt unter Abwägung der Gesamtumstände kein so schwerer Pflichtverstoß vor, dass selbst dessen erstmalige Hinnahme der Arbeitgeberin nach objektiven Maßstäben unzumutbar wäre.

Ebenso rechtfertigt auch das dem Auszubildenden vorgeworfene Verhalten in den Schulräumen keine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

Der Auszubildende gibt diesbezüglich jedoch an, dass er seine Maske nur dann nicht richtig getragen habe, wenn er alleine in einem Raum oder auf dem Flur gewartet habe und niemand in der Nähe gewesen sei. Dies wurde seitens der Arbeitgeberin nicht bestritten. Auch hat die Arbeitgeberin diesbezüglich keine konkrete Gefährdung von anderen Auszubildenden oder Lehrern behauptet oder dargelegt.

Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Aufforderung des Schulleiters an den Auszubildenden, seine Maske ordnungsgemäß zu tragen, mehrfach erfolgt ist, ohne dass die Arbeitgeberin eine Abmahnung dieses Verhaltens für erforderlich erachtet hätte.

Die Arbeitgeberin hat Verstöße des Auszubildenden gegen ihr Schutzkonzept zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 zunächst ohne Erteilung einer Abmahnung hingenommen, sodass er davon ausgehen musste, dass dieses Verhalten nicht zu einer Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses führen werde.

Die behauptete Äußerung, dass das tagtägliche Testen nur politische Schikane und Geldmacherei sei, unterfällt der Meinungsäußerungsfreiheit des Auszubildenden nach Artikel 5 Absatz 1 GG (Grundgesetz) und ist daher von der Arbeitgeberin grundsätzlich hinzunehmen. Eine Beleidigung oder ein persönlicher Angriff des Testpersonals liegt hierin nicht. Eine grobe Beleidigung des Testpersonals wurde von der Arbeitgeberin nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

Am Vormittag des 27.11.2021 ließ sich der Auszubildende vom Personal der Teststelle der Arbeitgeberin nicht testen und blieb aus diesem Grund vom Unterricht fern. Auch dieses Verhalten des Auszubildenden ist jedoch nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen. Eine Gefährdung der anderen Auszubildenden und Lehrern ist gerade nicht eingetreten, da der Auszubildende ohne Vorlage eines negativen Corona-Testnachweises dem Unterricht ferngeblieben ist.

Das einmalige unentschuldigte Fehlen beim Schulunterricht ist jedoch ohne vorherige Abmahnung nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses zu begründen. Auch insoweit handelt es sich um ein steuerbares Verhalten.

Ebenso ist die Vorlage eines Corona-Testnachweises einer auswärtigen Teststelle am 29.11.2021 nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes verzichtet die Arbeitgeberin konkludent auf ihr Kündigungsrecht, wenn sie wegen eines abgeschlossenen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers diesem gegenüber eine Abmahnung ausspricht.

Die Arbeitgeberin bringt mit dem Ausspruch der Abmahnung regelmäßig zum Ausdruck, dass wegen des gerügten Verhaltens keine Kündigung erfolgen werde. Dasselbe muss für den Fall des Ausspruchs einer Ermahnung durch die Arbeitgeberin gelten. Mit dem Ausspruch der Ermahnung gegenüber dem Auszubildenden hat die Arbeitgeberin selbst zum Ausdruck gebracht, dass die dem Auszubildenden vorgeworfene Pflichtverletzung nicht so schwer wiegt, dass sie diese zu dem Ausspruch einer Kündigung heranziehen werde. Die außerordentliche Kündigung des Auszubildenden kann ohne vorherige Abmahnung nicht auf den vorgenannten Pflichtverstoß des Auszubildenden gestützt werden.

Insgesamt liegen zwar mehrere Verstöße des Auszubildenden gegen das bei der Arbeitgeberin geltende Schutzkonzept zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 vor. Diese Pflichtverletzungen sind jedoch weder jeweils für sich betrachtet, noch in einer Gesamtschau geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung des Auszubildenden zu begründen.

Ebenso geht die vorzunehmende Interessenabwägung vorliegend zu Gunsten des Auszubildenden aus. Da der Auszubildende bereits gut zwei Drittel seiner Ausbildungszeit absolviert hat, ohne dass es in der Vergangenheit zu abgemahnten Beanstandungen der Arbeitgeberin gekommen ist, überwiegt das Interesse des Auszubildenden am Fortbestand seines Ausbildungsverhältnisses das Interesse der Arbeitgeberin an einer außerordentlichen Auflösung des Ausbildungsverhältnisses.

Je weiter die Ausbildung vorangeschritten ist, desto höher sind die Anforderungen an den wichtigen Grund. Damit sind Pflichtverstöße nur unter erschwerten Bedingungen als unzumutbar für den Ausbildenden zu bewerten. Eine fristlose Kündigung kurz vor Abschluss der Ausbildung ist kaum möglich.

Die Ausbildungszeit des Auszubildenden verlief ohne Beanstandungen der Arbeitgeberin. Seitens des Auszubildenden ist bei der Interessenabwägung ein hohes Interesse an der regelkonformen Beendigung seines Ausbildungsverhältnisses zu berücksichtigen, da er nur auf diese Art und Weise Zugang zum Arbeitsmarkt in diesem Ausbildungsberuf erhalten kann.

Da der Auszubildende seitens der Arbeitgeberin – trotz behaupteter Verstöße gegen ihr Schutzkonzept zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 – nicht abgemahnt wurde und es aufgrund der Einhaltung der Abstandsregelungen zu keiner konkreten Gefährdung von Dritten gekommen ist, überwiegt vorliegend das Interesse des Auszubildenden an einer Fortsetzung seines Ausbildungsverhältnisses das Interesse der Arbeitgeberin an einer sofortigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses. Es war der Arbeitgeberin zuzumuten, die Pflichtverstöße des Auszubildenden vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung abzumahnen.

Nach § 615 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn sich die Arbeitgeberin mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug befindet. Die Regelung findet auch im Ausbildungsverhältnis Anwendung.

Da in einer außerordentlichen Kündigung zugleich die Erklärung der Arbeitgeberin liegt, sie werde die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht weiter annehmen, bedarf es keines Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer.

Entsprechend kam die Arbeitgeberin mit dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses am 01.12.2021 in Annahmeverzug, ohne dass es einer weiteren Erklärung oder eines Angebotes der Arbeitsleistung seitens des Auszubildenden bedurft hätte.

Die Arbeitgeberin hat mit dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses erklärt, dass sie die weitere Arbeitsleistung des Auszubildenden nicht mehr annehmen werde.

Der Anspruch auf die Ausbildungsvergütung des Auszubildenden sowie das gezahlte Arbeitslosengeld ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben.

Der Auszubildende hat einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn in der vereinbarten Höhe aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Arbeitgeberin vom 01.12.2021. Die Arbeitgeberin befand sich aufgrund des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung im Annahmeverzug gemäß §§ 293 ff BGB, ohne dass es eines weiteren Angebotes der Arbeitsleistung durch den Auszubildenden bedurft hätte.

Die Regelung des § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG enthält kein gesetzliches Beschäftigungs- oder Tätigkeitsverbot für bereits zuvor beschäftigte Arbeitnehmer, die der Arbeitgeberin bis zum 15.03.2022 keinen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen.

Der Wortlaut von § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG lässt das Eintreten eines Tätigkeitsverbotes eines bereits vor dem 15.03.2022 beschäftigten, nicht geimpften oder genesenen Arbeitnehmer offen. Zwar „müssen“ diese Personen nach dem Wortlaut der Regelung einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen, als Folge ist jedoch lediglich eine Benachrichtigungs- und Übermittlungspflicht der Einrichtungsleitung an das zuständige Gesundheitsamt normiert. Ein Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbot für die bereits beschäftigten Arbeitnehmer ist – im Gegensatz zu § 20a Abs. 3 Satz 4, 5 IfSG für neu eingestellte Arbeitnehmer – nicht ausdrücklich gesetzlich vorgesehen.

Letztlich ist der Annahme eines gesetzlichen Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbotes für bereits vor dem 15.03.2022 beschäftige Arbeitnehmer, die ihrer Arbeitgeberin bis zum 15.03.2022 keinen Impf- oder Genesenennachweis vorgelegt haben, aus systematischen Gründen nicht zu folgen. Die gesetzliche Regelung differenziert in den Absätzen 2 und 3 deutlich zwischen den Rechtsfolgen für bereits vor dem 15.03.2022 beschäftigte und ab dem 16.03.2022 neu eintretende Arbeitnehmer.

Der Gesetzgeber hat für nicht geimpfte bzw. genesene Personen, die ab dem 16.03.2022 neu in ein Unternehmen eintreten, in § 20a Absatz 3 Satz 4 IfSG ausdrücklich geregelt, dass diese Personen nicht beschäftigt bzw. nach Satz 5 nicht tätig werden dürfen. Eine solche Regelung findet sich für bereits vor dem 15.03.2022 beschäftigte Personen gerade nicht. In diesem Fall ist lediglich eine Benachrichtigungs- und Übermittlungspflicht für die Arbeitgeberin nach § 20a Absatz 2 Satz 2 IfSG vorgesehen. Für diese Personengruppe besteht vielmehr nur dann ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot, wenn von dem zuständigen Gesundheitsamt eine solche Untersagungsverfügung erlassen wird.

Auch das Bundesverfassungsgericht geht entsprechend davon aus, dass sich für die bereits vor dem 15.03.2022 beschäftigten Arbeitnehmern aus der gesetzlichen Regelung des § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG unmittelbar kraft Gesetzes kein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot ergebe, sondern dessen Anordnung von einer ermessensgeleiteten Einzelfallentscheidung des Gesundheitsamtes abhängig gemacht worden sei.

Die Arbeitgeberin legt nicht dar, dass sie die ihr zur Verfügung stehende Möglichkeiten der Erwirkung eines Betretungs- und Tätigkeitsverbotes gegen den Auszubildenden durch das zuständige Gesundheitsamt genutzt hat bzw. aus welchen Gründen kein behördliches Betretungs- und Tätigkeitsverbot gegen den Kläger ausgesprochen wurde. Auch legt die Arbeitgeberin selbst nicht dar, aus welchen Gründen ihr die weitere Beschäftigung des Auszubildenden unzumutbar seien soll. Jedenfalls aber wären auch hier etwaige mildere Maßnahmen, wie die Umsetzung des Auszubildenden in einen Arbeitsbereich mit möglichst geringem Patientenkontakt, zu berücksichtigen gewesen

Eine Berufung zu diesem Urteil wurde im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung über den Annahmeverzugslohnanspruch ab dem 15.03.2022 gesondert zugelassen.