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Urlaubsabgeltung, tarifvertragliche Ausschlussfrist

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.01.2023, Aktenzeichen 9 AZR 244/20

Amtliche Leitsätze:

  1. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 7 Abs. 4BUrlG) kann als reiner Geldanspruch tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen.
  2. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) und war es dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die vormalige Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen zuvor nicht zumutbar, den Arbeitgeber auf Urlaubsabgeltung in Anspruch zu nehmen, begann die Ausschlussfrist im Hinblick auf den unabdingbaren Schutz, den der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs genießt, frühestens am 7. November 2018.

Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG:

  1. Soweit § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, eine Gesamtbetrachtung aller Umstände anordnet, haben die Gerichte für Arbeitssachen bei ihrer Entscheidungsfindung verfassungsrechtlichen Wertungen Rechnung zu tragen. Ist der Dienstberechtigte Träger des Grundrechts der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), kann dies als weiterer Umstand iSd. § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB zu würdigen sein. Ein grundsätzlicher Bedarf an Beschäftigung in freier Mitarbeit kann aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bei den redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern bestehen (Rn. 23).
  2. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 7 Abs. 4 BUrlG) unterliegt der Verjährung nach Maßgabe der §§ 194 ff. BGB (Rn. 27).
  3. Bei der Bestimmung des Fristlaufs ist allerdings der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Anspruch des Arbeitnehmers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 20 Abs. 3 GG) zu berücksichtigen. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) und war es dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die vormalige Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, begann die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende des Jahres 2018 (Rn. 25, 27).
  4. Als reiner Geldanspruch kann der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 7 Abs. 4 BUrlG) nach Maßgabe tarifvertraglicher Ausschlussfristenregelungen verfallen (Rn. 67).
  5. § 18 Nr. 1 Satz 1 MTV erfasst „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ und damit auch den Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG (Rn. 64).
  6. Die dreimonatige Ausschlussfrist beginnt in der Regel mit der Fälligkeit des Anspruchs. Soweit es dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die vormalige Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen im laufenden Arbeitsverhältnis nicht zumutbar war, Ansprüche auf Abgeltung gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen, lief die Ausschlussfrist ausnahmsweise erst nach dem Tag der Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Unionvom 6. November 2018 (-C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]). Dies er- gibt die gesetzeskonforme Auslegung der Tarifnorm unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Effektivitätsgebots (Rn. 68).

Die Leitsätze beruhen auf nachfolgendem Sachverhalt sowie denn dargelegten Gründen des Gerichts:

Der Kläger fordert von der Beklagten die Entschädigung für Urlaubstage aus den Jahren 2007 bis 2010. Die Beklagte ist die Eigentümerin eines Verlagshauses, das mehrere Zeitungen herausgibt. Der Kläger war gemäß eines Vertrags über freie Mitarbeit vom 8. Februar 2007, der am 1. April 2007 in Kraft trat und bis zum 30. Juni 2010 lief, als sogenannter Pauschalist in der Online-Redaktion tätig. An fünf Tagen in der Woche verfasste er aktuelle Nachrichten und bereitete Texte anderer Mitarbeiter für die Veröffentlichung vor. Anfangs arbeitete der Kläger täglich von 10:00 Uhr bis mindestens 18:30 Uhr in den Redaktionsräumen der Beklagten in K und erhielt dafür einen Tagessatz von 130,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer. Im Jahr 2008 wechselte er in die Online-Redaktion der Beklagten in D, wo er Schichtdienst leistete, der jeweils acht Stunden dauerte. Die Beklagte erwartete, dass der Kläger die dortige Redaktion, die neben ihm lediglich aus einer Mitarbeiterin in Teilzeit bestand, im Tagesgeschäft leitete. Außerdem war er für die Teilnahme an Redaktionskonferenzen und die Urlaubsvertretung seiner Kollegin zuständig. Für seine Tätigkeit in D stellte der Kläger der Beklagten täglich einen Betrag von 230,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung. Während seiner Zeit als Pauschalist gewährte die Beklagte dem Kläger keinen Urlaub.

Unter dem 16. April 2010 schlossen die Parteien einen „Anstellungsvertrag“, der u. a. folgende Bestimmungen vorsieht:

„§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses
Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01.07.2010.
§ 5 Gehalt
Für das Vertragsverhältnis gelten im Übrigen die jeweiligen Tarifverträge für Redakteure an Tageszeitungen.
§ 7 Urlaub
Der Redakteur erhält einen Urlaub, dessen Dauer sich nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages richtet.“

Der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen (MTV) enthält ua. folgende Regelungen:

„§ 9 Urlaub …
5. Der Urlaub muss innerhalb des laufenden Urlaubsjahres, spätestens bis zum 31. März des folgenden Jahres gewährt und genommen werden, und zwar grundsätzlich zusammenhängend. Er kann aus betrieblichen Gründen in höchstens zwei Abschnitte geteilt werden, auch auf Wunsch der Redakteurin/des Redakteurs ist eine Teilung möglich, sofern betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.
§ 18 Anspruchsverfolgung …
1. Mit Ausnahme der Regelung für den Urlaub (§ 9 Abs. 5) … sind nicht erfüllte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb dreier Monate nach Fälligkeit geltend zu machen. Lehnt eine Partei die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs schriftlich ab, so muss dieser innerhalb eines halben Jahres nach Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht werden. Bei späterer Geltendmachung als nach Satz 1 und Satz 2 kann die Erfüllung verweigert werden.“

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 30. September 2014. Der Kläger forderte mit Schreiben vom 1. August 2018 erfolglos die Beklagte auf, den Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 abzugelten.

In seiner Klage, die der Beklagten am 14. Januar 2019 zugestellt wurde, argumentierte der Kläger, dass die Beklagte gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG verpflichtet sei, insgesamt 65 Arbeitstage Urlaub abzugelten (15 Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2007, je 20 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2008 und 2009 sowie zehn Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2010). Er behauptete, dass das Rechtsverhältnis, das die Parteien vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 verbunden habe, ein Arbeitsverhältnis gewesen sei. Als Redakteur, der in den Betrieb der Beklagten eingebunden war, habe er den Anweisungen der Beklagten unterstanden. Die Urlaubsansprüche bestünden über die in § 7 Abs. 3 BUrlG genannten zeitlichen Grenzen hinaus, da die Beklagte ihren Verpflichtungen bei der Gewährung von Urlaub nicht nachgekommen sei.

Der Kläger beantragte, die Beklagte zu verurteilen, ihm 14.391,50 Euro brutto Urlaubsabgeltung zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16. August 2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage mit der Begründung, dass der Abgeltungsanspruch gemäß § 18 Nr. 1 MTV verfallen sei, selbst wenn man zugunsten des Klägers von einem durchgehenden Arbeitsverhältnis ausgehe, jedenfalls sei er verjährt.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung des Klägers zurück. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte nicht die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückweisen dürfen, wie es begründet wurde. Aufgrund der festgestellten Tatsachen kann das Gericht nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger ein Anspruch auf Abgeltung von Urlaub gegenüber der Beklagten zusteht. Daher ist das angefochtene Urteil gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Angelegenheit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen., § 563 Abs. 1 ZPO.

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger in den Jahren 2007 bis 2010 als Arbeitnehmer der Beklagten galt. Als solcher habe er Anspruch auf mindestens 65 Arbeitstage Urlaub erworben, der weder durch Erfüllung (gemäß § 362 Abs. 1 BGB) noch durch Fristablauf (gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG) erloschen sei. Allerdings sei der Anspruch auf Abgeltung dieses nicht genommenen Urlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG nach Ablauf der dreijährigen Frist des § 195 BGB am 31. Dezember 2017 verjährt. Da der Kläger beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis sowohl Kenntnis von der Beklagten als Schuldnerin des Abgeltungsanspruchs als auch von allen tatsächlichen Umständen hatte, die den Anspruch begründeten (gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB), wäre es ihm zumutbar gewesen, die Beklagte gerichtlich in Anspruch zu nehmen.

Die Begründung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

  • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass zwischen den Parteien im Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, jedoch versäumt, im Rahmen einer angemessenen Gesamtabwägung aller Umstände auch die Grundrechte der Pressefreiheit zu berücksichtigen, die der Beklagten als Trägerin eines Verlagshauses zustehen.
  • Bezüglich der rechtlichen Einordnung des Rechtsverhältnisses der Parteien im genannten Zeitraum sind die Grundsätze maßgebend, die das Bundesarbeitsgericht zur Unterscheidung zwischen einem Arbeitsverhältnis und einem Vertragsverhältnis eines freien Mitarbeiters entwickelt hat, bevor die gesetzliche Regelung in § 611a Abs. 1 BGB am 1. April 2017 in Kraft trat.
  1. a) Ein Arbeitsverhältnis zeichnet sich durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit aus, in dem sich der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber befindet. Der Arbeitnehmer ist jemand, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen arbeitet, weisungsgebunden und in persönlicher Abhängigkeit. Es kommt auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände an, wobei nicht die Bezeichnung der Parteien, sondern der tatsächliche Inhalt des Geschäfts entscheidend ist. Bei Widersprüchen zwischen Vereinbarung und Durchführung ist letztere maßgeblich.
  2. b) Die Tatsacheninstanzen haben einen weiten Beurteilungsspielraum bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus. Ihre Entscheidung ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie den Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt haben oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen haben.
  3. c) Das Landesarbeitsgericht ist im Wesentlichen von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, die das Arbeitsverhältnis von dem Vertragsverhältnis eines selbständigen Unternehmers abgrenzen. Es hat korrekterweise festgestellt, dass der Kläger dem Weisungsrecht der Beklagten unterlag und in deren Redaktionsräumen tätig war. Spätestens mit seinem Eintritt in die Redaktion in D war er in das von der Beklagten vorgegebene Schichtsystem eingebunden und dem Chefredakteur unterstellt. Er war verpflichtet, an Redaktionskonferenzen teilzunehmen und im Urlaubsfall seine Kollegin zu vertreten.

Das Landesarbeitsgericht hat wesentliche Aspekte des Streitfalls nicht angemessen berücksichtigt und in seiner Statusbestimmung vernachlässigt. Insbesondere hat es versäumt zu würdigen, dass die Beklagte als Verlagshaus Trägerin des in Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes verbürgten Grundrechts der Pressefreiheit ist.

Nach der Verfassung sind die Gerichte für Arbeitssachen verpflichtet, Grundrechte in ihre Interpretation einzubeziehen, um sicherzustellen, dass deren wertsetzender Gehalt auch auf der Ebene der Rechtsanwendung gewahrt bleibt. Im Bereich des Zeitungswesens erfordert dies in der Regel eine Abwägung zwischen der Bedeutung der Pressefreiheit und den Rechtsgütern, die durch die Normen des Arbeitsrechts geschützt werden. Die Pressefreiheit umfasst auch das Recht des Zeitungsverlags, bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter, die maßgeblichen Einfluss auf den redaktionellen Inhalt nehmen, die redaktionelle Freiheit zu wahren. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben sind bei der Feststellung des Vertragsstatus zu berücksichtigen.

Es kann grundsätzlich ein Bedarf an freier Mitarbeit bei redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern bestehen. Als “redaktionell verantwortlich” gelten Mitarbeiter, die wesentlich am Inhalt des redaktionellen Teils der Zeitung mitwirken und typischerweise ihre eigene Auffassung zu verschiedenen Sachfragen einbringen. Jedoch kann auch bei diesen Mitarbeitern ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn sie einem weitgehenden Weisungsrecht unterliegen und nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit besitzen.

Das Landesarbeitsgericht hat nicht berücksichtigt, dass der Kläger während seiner Tätigkeit in der Online-Redaktion möglicherweise die Redaktion im Tagesgeschäft leitete. Abhängig von seinem konkreten Aufgabenbereich hätte dies dazu führen können, dass er als redaktionell verantwortlicher Mitarbeiter anzusehen ist. In diesem Fall hätte die Pressefreiheit zugunsten der Beklagten in die Gesamtabwägung einbezogen werden müssen.

Die Feststellung, ob der Kläger als Arbeitnehmer gemäß § 2 Satz 1 BUrlG anzusehen ist, erweist sich als wesentlich. Falls der Kläger im Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 als Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Satz 1 BUrlG Ansprüche auf den gesetzlichen Mindesturlaub erworben hat (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG), wäre sein Anspruch auf Abgeltung dieses Urlaubs (§ 7 Abs. 4 BUrlG) zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2019 nicht verjährt gewesen. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) hätte entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht bereits Ende des Jahres 2014, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, sondern erst Ende des Jahres 2018 begonnen. Vor diesem Zeitpunkt wäre es dem Kläger nicht zumutbar gewesen, eine Klage zu erheben. Zu dieser Zeit wurde davon ausgegangen, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfielen, unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten. Erst nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union (Gerichtshof) mit Urteil vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgab, wäre es dem Kläger obgelegen, die Abgeltung der Urlaubsansprüche aus den Jahren 2007 bis 2010 gerichtlich geltend zu machen.

Gemäß § 194 Abs. 1 BGB unterliegt das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, der Verjährung. Die regelmäßige Verjährungsfrist, die nach § 195 BGB drei Jahre beträgt, beginnt dem Grundsatz nach mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den Umständen, die den Anspruch begründen, und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Urlaubsabgeltung als reiner Geldanspruch der Verjährung gemäß § 194 Abs. 1 BGB unterliegt. Die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 7 Abs. 4 BUrlG zur Abgeltung des Urlaubs, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, begründet einen Zahlungsanspruch. Dieser Anspruch richtet sich auf ein Tun des Arbeitgebers als Schuldner und fällt somit unter den Anspruch gemäß § 194 Abs. 1 BGB. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet (§ 199 Abs. 1 BGB). Die Frist wird jedoch gehemmt, solange der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Anspruch des Arbeitnehmers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) die Erhebung einer Klage als unzumutbar erscheinen lassen.

  • 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB legt den Beginn der Verjährungsfrist fest, der auf die Entstehung des Anspruchs zurückzuführen ist. Ein Anspruch entsteht, wenn er erstmals geltend gemacht und notfalls klageweise durchgesetzt werden kann. Normalerweise entsteht ein Anspruch im Sinne der Verjährung mit dessen Fälligkeit, die gemäß § 271 Abs. 2 BGB im Zweifel eintritt, wenn der Gläubiger die Leistung erfolgreich fordern und den Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung verhindern kann. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird regelmäßig zu diesem Zeitpunkt fällig.

Für den Start der regulären Verjährungsfrist ist entscheidend, dass der Gläubiger Kenntnis von den Umständen erlangt, die den Anspruch begründen, sowie von der Identität des Schuldners oder dass er diese Kenntnis ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Diese Kenntnis liegt vor, wenn der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten Fakten eine Klage gegen eine bestimmte Person erheben kann, sei es auch nur eine Feststellungsklage, und diese Klage bei vernünftiger Einschätzung genügend Aussicht auf Erfolg hat, um für den Gläubiger zumutbar zu sein. Im Interesse von Rechtssicherheit und Fairness setzt der Beginn der Verjährung grundsätzlich nur die Kenntnis der Umstände voraus, die den Anspruch begründen. In der Regel ist es nicht erforderlich, dass der Gläubiger aus den bekannten Fakten die korrekten rechtlichen Schlussfolgerungen zieht (vgl. BAG 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A) – Rn. 31, BAGE 172, 337).

Wenn ein Gläubiger Klage gegen den Schuldner erhebt, sind die Zivilgerichte verpflichtet, bei der Festlegung des Verjährungsbeginns das Eigentumsrecht des Gläubigers und sein Recht auf effektiven Rechtsschutz gegen das Interesse an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden abzuwägen. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend macht.

Die Zivilgerichte müssen bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die Grenzen beachten, die durch die Grundrechte gezogen werden. Sie müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung so vornehmen, dass die konkurrierenden Grundrechte der verschiedenen Grundrechtsträger berücksichtigt werden und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermieden werden. Wenn bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Interpretationen möglich sind, sollte diejenige bevorzugt werden, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die Grundrechte der Beteiligten möglichst umfassend in praktischer Harmonie zur Geltung bringt. Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen erstreckt sich nicht nur auf Generalklauseln, sondern auf alle auslegungsfähigen und -bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften (vgl. BAG 25. Januar 2022 – 9 AZR 146/21– Rn. 13).

(2) Wenn ein Arbeitnehmer die Abgeltung nicht genommenen Urlaubs vom Arbeitgeber verlangt, müssen bei der Festlegung des Zeitpunkts, zu dem die Verjährungsfrist beginnt, sowohl die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums als auch der grundrechtsgleiche Anspruch auf effektiven Rechtsschutz des Arbeitnehmers berücksichtigt werden.

(a) Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des Urlaubs, den der Arbeitgeber während des laufenden Arbeitsverhältnisses nicht gewährt hat, genießt als obligatorisches Recht den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums gemäß Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes. In den Schutzbereich des Grundrechts auf Eigentum fallen nicht nur absolute, sondern auch relative Rechte wie die schuldrechtliche Forderung eines Gläubigers gegenüber einem Schuldner. Der Anspruch auf Zahlung gemäß § 7 Absatz 4 des Bundesurlaubsgesetzes ist eine “geldwerte Forderung” und wird dem Arbeitnehmer als Anspruchsinhaber genauso ausschließlich zugewiesen wie das Eigentum an einer Sache.

(b) Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) garantiert den Parteien im Zivilprozess effektiven Rechtsschutz. Durch die zeitliche Begrenzung eines Anspruchs wird die Möglichkeit des Inhabers, sein Recht gegebenenfalls zwangsweise vor Gericht durchzusetzen, eingeschränkt. Dies gilt auch für die Verjährung, die nicht zum Erlöschen des Anspruchs führt, sondern dem Schuldner lediglich eine Einrede gibt, die er geltend machen muss. Erhebt der Schuldner die Einrede der Verjährung, wird für den Gläubiger nach Ablauf der Verjährungsfrist ein dauerhaftes Hindernis geschaffen, den bestehenden Anspruch erfolgreich durchzusetzen.

(3) In Fällen, in denen zwischen der Entstehung des Anspruchs und dessen Geltendmachung durch den Gläubiger ein erheblicher Zeitraum liegt, steht der grundrechtliche Schutz, den der Abgeltungsanspruch genießt, in einem Spannungsverhältnis zum Regelungsziel der Vorschriften über die Verjährung. Die §§ 194 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches sind Ausdruck des Ziels, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herzustellen. Die Verjährung soll nicht nur eine Inanspruchnahme aus unbekannten oder unerwarteten Forderungen vermeiden, sondern auch den Schutz vor unbegründeten Forderungen gewährleisten. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Verjährung dienen damit zugleich öffentlichen Interessen. Der Rechtsverkehr benötigt klare Verhältnisse und soll vor einer Verdunkelung der Rechtslage bewahrt bleiben, wie sie bei der Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund längst vergangener Tatsachen zu befürchten wäre. Je länger die Entstehung eines angeblichen oder tatsächlichen Anspruchs zurückliegt, desto schwieriger wird es, zuverlässige Feststellungen über jene Tatsachen zu treffen, die für die Rechtsbeziehungen der Parteien maßgebend sind. Der Gläubiger kann sich gegen derartige Beweisnöte durch rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs oder entsprechende Beweissicherung schützen. Der Schuldner hingegen muss regelmäßig warten, bis der Gläubiger tätig wird. Er trägt demzufolge gerade für anspruchshemmende und anspruchsvernichtende Tatsachen in höherem Maße das Risiko zeitablaufbedingter Unaufklärbarkeit als der Gläubiger für anspruchsbegründende Tatsachen.

(4) Bei der Festlegung des angemessenen Ausgleichs zwischen dem Interesse des Gläubigers, seine Rechtsposition auch nach dem Verstreichen geraumer Zeit gerichtlich durchsetzen zu können, und dem Interesse des Schuldners, ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, dürfen dem Gläubiger keine übermäßigen Pflichten auferlegt werden. Die Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten und prozessuale Mittel auszuschöpfen, darf insbesondere nicht vereitelt werden, wenn das Kostenrisiko nicht im angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht. Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht.

Vor der Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) war es einem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Ansprüche auf die Abgeltung nicht genommenen Urlaubs gerichtlich durchzusetzen. Dies galt insbesondere dann, wenn diese Ansprüche gemäß der bis dahin geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Ablauf der in § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG bezeichneten Fristen, nämlich jeweils am Ende des jeweiligen Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums, als verfallen galten. Ausnahmsweise konnte eine längere Frist von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres gelten, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen gehindert war, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Dies wurde in der grundlegenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 7. August 2012 (- 9 AZR 353/10 – Rn. 32, BAGE 142, 371) festgestellt.

Die Änderung der Rechtslage trat erst mit der Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) hinreichend konkret zutage. Zu diesem Zeitpunkt erkannte der Gerichtshof erstmals, dass nationale Regelungen wie § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG, die besagten, dass der dem Arbeitnehmer zustehende Mindesturlaub und der Anspruch auf finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub automatisch am Ende des Bezugszeitraums verfallen, mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC unvereinbar sind.

Angesichts der besonderen Bedeutung des Urlaubs sah der Gerichtshof vor, dass ein Verfall des Urlaubsanspruchs nur dann in Betracht kommt, wenn der Arbeitgeber sicherstellt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Dies erfordert eine konkrete und transparente Aufforderung seitens des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, den Urlaub zu nehmen, sowie eine klare und rechtzeitige Mitteilung darüber, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfällt. Diese Grundsätze wurden vom Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. November 2018 festgelegt

Mit der unionsrechtskonformen Umsetzung dieser Vorgaben, die der Senat am 19. Februar 2019 (- 9 AZR 423/16 – Rn. 14, BAGE 165, 376) vollzogen hat, konnten betroffene Arbeitnehmer bereits ab Verkündung des Urteils des Gerichtshofs rechnen. Zu diesem Zeitpunkt war das Hindernis einer Geltendmachung von Urlaubsansprüchen aufgrund der früheren Rechtsprechung des Senats beseitigt. Die Verjährungsfristen für diese Ansprüche begannen somit spätestens mit Ablauf des Jahres 2018 zu laufen.

Nachdem der Gerichtshof sein Urteil verkündet hatte, mussten Arbeitnehmer berücksichtigen, dass nicht erfüllte Ansprüche auf Urlaub nach Ablauf der Fristen des § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG nur dann verfallen würden, wenn der Arbeitgeber zuvor seine Pflichten bei der Gewährung des Urlaubs erfüllt hat. Der Gerichtshof betonte klar, dass Adressaten von Art. 31 Abs. 2 GRC nicht nur die Mitgliedsstaaten sind, sondern auch Privatpersonen, sofern ihre Rechtsbeziehung unionsrechtliche Sachverhalte umfasst.

In Fällen, in denen nationale Regelungen nicht im Einklang mit Art. 31 Abs. 2 GRC ausgelegt werden könnten, obliegt es dem mit der Entscheidung des Rechtsstreits befassten Gericht, im Rahmen seiner Befugnisse den aus Art. 31 Abs. 2 GRC erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit der Bestimmung zu sorgen, indem es erforderlichenfalls die nationale Regelung unangewendet lässt.

In diesem Verständnis stehen die Vorschriften über die Verjährung im Einklang auch mit dem Unionsrecht, insbesondere mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC, wie sie der Gerichtshof der Europäischen Union mit für den Senat nach Art. 267 AEUV verbindlicher Wirkung ausgelegt hat. Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. zu den Voraussetzungen hierfür BVerfG 9. Mai 2018 – 2 BvR 37/18 – Rn. 29; BAG 23. Mai 2018 – 5 AZR 303/17 – Rn. 23 mwN) bedarf es nicht.

Weder die Richtlinie 2003/88/EG noch Art. 31 Abs. 2 GRC enthalten Vorgaben hinsichtlich der Möglichkeit, den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub (EuGH 25. Juni 2020 – C-762/18 und C-37/19 – [Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria] Rn. 83) nach nationalem Recht einer zeitlich befristeten Geltendmachung zu unterwerfen. Fehlt es an einer unionsrechtlichen Regelung des Verfahrens der Rechtsdurchsetzung, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs entsprechend dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedsstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten auszugestalten, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten (vgl. EuGH 19. Juni 2014 – C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 und C-541/12 – Rn. 112; 8. Juli 2010 – C-246/09 – [Bulicke] Rn. 24 f. mwN). Die getroffenen Regelungen dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. EuGH 19. Juni 2014 – C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 und C-541/12 – Rn. 112).

Nach dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Anwendung der §§ 194 Abs. 1, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB auf den in Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC verankerten Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs mit Unionsrecht vereinbar, soweit die Verjährung ausnahmsweise erst Ende des Jahres 2018 beginnt, wenn es dem Arbeitnehmer zuvor nicht zumutbar war, seine Rechte dem Arbeitgeber gegenüber gerichtlich geltend zu machen.

Der Grundsatz der Äquivalenz ist gewahrt. § 194 Abs. 1, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB unterscheiden nicht zwischen Ansprüchen, die auf Unionsrecht beruhen, und solchen, die einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben (vgl. EuGH 8. Juli 2010 – C-246/09 – [Bulicke] Rn. 26 mwN) und aus innerstaatlichem Recht resultieren. Der streitgegenständliche, auf Abgeltung von Urlaub gerichtete Zahlungsanspruch ist mit sonstigen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber vergleichbar, insbesondere mit Ansprüchen auf Zahlung von Vergütung, für die das Verjährungsrecht in gleicher Weise gilt.

(bb) Das Verjährungsrecht schränkt die Effektivität der Durchsetzung des unionsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nicht unzulässig ein. Es ist nicht ersichtlich, dass die in § 195 BGB bestimmte Frist von drei Jahren nach Schluss des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet ist, als solche die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren könnte (vgl. für eine Frist von zwei Monaten [zu § 15 Abs. 4 AGG] EuGH 8. Juli 2010 – C-246/09 – [Bulicke] Rn. 39; 6. Oktober 2009 – C-40/08 – [Asturcom Telecomunicaciones] Rn. 42 ff.). Der ausscheidende Arbeitnehmer ist grundsätzlich in der Lage, seinen Abgeltungsanspruch anhand des Bundesurlaubsgesetzes und der übrigen einschlägigen Vorschriften selbst zu berechnen und geltend zu machen. Er ist regelmäßig nicht auf weitere Auskünfte angewiesen, deren Einholung zusätzliche Zeit beanspruchen würde (vgl. BAG 7. Juli 2020 – 9 AZR 323/19 – Rn. 33 mwN). In Fällen, in denen der Durchsetzung des Abgeltungsanspruchs die gegenteilige Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen entgegenstand, begann die Verjährungsfrist ausnahmsweise jedoch erst mit dem Ende des Jahres 2018. Erst ab dem 6. November 2018 konnte und musste ein Arbeitnehmer in Anbetracht der Entscheidung des Gerichtshofs vom selben Tage (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) erkennen, dass der Urlaub entgegen der überkommenen Rechtsprechung des Senats nicht ohne Weiteres mit Ablauf der in § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG bestimmten Fristen erlischt.

(c) Die Entscheidung des Gerichtshofs vom 22. September 2022 (- C-120/21 –) steht dem nicht entgegen. Sie befasst sich mit der Verjährung von Urlaubsansprüchen im laufenden Arbeitsverhältnis und betrifft nicht die Fristen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Geltendmachung von Abgeltungsansprüchen beachten muss.

(aa) Der EuGH entschied in seinem Urteil vom 22. September 2022 (- C-120/21 –) auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 29. September 2020 (- 9 AZR 266/20 (A) – BAGE 172, 337). Dabei stellte der Gerichtshof fest, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der einem Arbeitnehmer für einen Bezugszeitraum zusteht, nach Ablauf einer dreijährigen Verjährungsfrist erlischt. Diese Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, sofern der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen. Da der Arbeitnehmer als die schwächere Vertragspartei betrachtet wird, darf die Verantwortung für die Wahrnehmung des Urlaubsanspruchs nicht vollständig auf ihn übertragen werden. Die Zweckbestimmung der Verjährungsvorschriften, die Sicherstellung von Rechtssicherheit, darf nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber aus seiner Unterlassung, seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen, einen Vorteil zieht, indem er die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nach eigenem Ermessen bestimmt. Eine gegenteilige Entscheidung würde zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Arbeitgebers führen und dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 GRC, die Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen, widersprechen.

(bb) Diese Erwägungen sind im vorliegenden Fall nicht einschlägig.

(aaa) Zwar ändert sich gemäß der neueren Rechtsprechung des Senats mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses der Anspruch auf Urlaub nach § 1 BUrlG in einen Anspruch auf Abgeltung des noch nicht genommenen Urlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG, ohne dass der finanzielle Aspekt des ursprünglichen Urlaubsanspruchs zunächst erlischt (vgl. BAG 22. Januar 2019 – 9 AZR 45/16 – Rn. 23, BAGE 165, 90).

(bbb) Dennoch besteht trotz ihres gemeinsamen Ursprungs kein vollständiges Deckungsgleichheit zwischen dem Urlaubs- und dem Abgeltungsanspruch, da der Urlaubsanspruch eine bezahlte Freistellung vom Dienst beinhaltet, während der Abgeltungsanspruch lediglich auf eine finanzielle Vergütung abzielt (vgl. BAG 5. Juli 2022 – 9 AZR 341/21 – Rn. 15). Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses markiert einen Wendepunkt, der nicht nur die Hauptleistungspflichten betrifft, sondern auch den Anspruch auf den bezahlten Jahresurlaub. Nach dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer nicht mehr zur Erholung unter Beibehaltung seines Gehalts von der Arbeit freigestellt werden (vgl. zuletzt BAG 16. August 2022 – 9 AZR 76/22 (A) – Rn. 15). Darüber hinaus können weder neue Urlaubsansprüche entstehen noch bestehende gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG erlöschen. Die Verbindung zwischen der tatsächlich erbrachten oder zu erbringenden Arbeit auf der Grundlage des Arbeitsvertrags und dem Urlaub wird durch die Ablösung des Freistellungsanspruchs von der Vergütungskomponente und seine Umwandlung in einen Abgeltungsanspruch aufgehoben (vgl. zum Kürzungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 17 Abs. 1 BEEG BAG 19. März 2019 – 9 AZR 495/17 – Rn. 34, BAGE 166, 189).

(ccc) Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht für den Arbeitgeber keine Verpflichtung mehr, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub tatsächlich in Anspruch nimmt. Die Erfüllung von Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten setzt voraus, dass es dem Arbeitgeber objektiv möglich ist, den Arbeitnehmer durch seine Mitwirkung in die Lage zu versetzen, den Urlaubsanspruch zu realisieren (vgl. BAG 7. September 2021 – 9 AZR 3/21 (A) – Rn. 28). Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses erlischt nicht nur die Pflicht zur Arbeitsleistung, sondern auch die Möglichkeit des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer von der Arbeit freizustellen, um Urlaub zu nehmen, und ihn über drohenden Urlaubsverfall zu informieren oder zur rechtzeitigen Urlaubsnahme aufzufordern.

(ddd) Die strukturell schwächere Position des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber, aus der der Gerichtshof die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet (vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 41), endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Spätestens ab diesem Zeitpunkt besteht nicht mehr die Gefahr, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer “eine Beschränkung seiner Rechte auferlegen kann”. Der Arbeitnehmer kann dann nicht mehr “aufgrund dieser schwächeren Position … davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen, da insbesondere die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen könnte, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken können.“

(ff) Bis zur Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) war es dem Kläger nicht zumutbar, seine Ansprüche auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen. Hätte der Kläger nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Jahr 2015 die Beklagte zu 1. auf Abgeltung seines Urlaubs aus den genannten Jahren in Anspruch genommen, wäre seine Klage aufgrund der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewiesen worden.

Die Verjährung im vorliegenden Fall ist durch die Klageerhebung gehemmt (gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Der Kläger hat am 27. Dezember 2018 einen Schriftsatz eingereicht, der am 14. Januar 2019 der Beklagten zugestellt wurde.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (gemäß § 561 ZPO).

Sollte der Kläger in den Jahren 2007 bis 2010 Ansprüche auf den gesetzlichen Mindesturlaub erworben haben, wären diese nicht gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG verfallen. Aufgrund der Unterlassung seitens der Beklagten, ihren Mitwirkungsverpflichtungen bei der Realisierung des Urlaubs nachzukommen, hätte der Urlaub bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen zeitlichen Beschränkungen unterlegen.

Die Befristung des Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG erfordert bei einer Auslegung im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG grundsätzlich, dass der Arbeitgeber aktiv sicherstellt, dass der Arbeitnehmer seinen bezahlten Jahresurlaub tatsächlich nehmen kann. Dazu gehört, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gegebenenfalls explizit dazu auffordert, seinen Urlaub zu beantragen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub am Ende des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums verfällt, wenn er nicht genommen wird. Gemäß einer richtlinienkonformen Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG liegt die Verantwortung für die Realisierung des Urlaubsanspruchs beim Arbeitgeber. Die Erfüllung dieser Mitwirkungsverpflichtungen durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich eine Voraussetzung für die Anwendung der urlaubsrechtlichen Fristenregelungen (vgl. BAG 26. April 2022 – 9 AZR 367/21 – Rn. 11). Wenn der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist, wird der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub dem Urlaubsanspruch hinzugefügt, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Für diesen Urlaub gelten die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG genauso wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch (vgl. BAG 26. April 2022 – 9 AZR 367/21 – Rn. 12).

Die Beklagte hat es versäumt, dem Kläger mitzuteilen, wie viele Arbeitstage Urlaub ihm zustehen und dass dieser Urlaubsanspruch am Ende des Kalenderjahres verfällt, wenn er nicht rechtzeitig genommen wird. Ebenso wenig hat sie ihn aufgefordert, seinen Urlaub rechtzeitig zu nehmen.

Der Anspruch auf Abgeltung, den der Kläger für den Zeitraum von 2007 bis 2010 bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätte geltend machen können, wäre gemäß der tarifvertraglichen Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 MTV nicht mit Ablauf des 31. Dezember 2014 verfallen. Durch ein Schreiben vom 1. August 2018 hätte der Kläger die dreimonatige Frist zur Geltendmachung gewahrt.

Abgesehen von der Regelung bezüglich des Urlaubs (§ 9 Abs. 5 MTV) müssen nicht erfüllte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden. Gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 MTV muss der Urlaub innerhalb des laufenden Urlaubsjahres, spätestens bis zum 31. März des folgenden Jahres gewährt und genommen werden.

  1. b) Der Abgeltungsanspruch, sofern ein solcher zugunsten des Klägers besteht, fällt unter die Fristenregelung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV.

Die Bestimmungen des MTV wurden gemäß § 5 Satz 3 des Anstellungsvertrages der Parteien vom 16. April 2010 auf das Arbeitsverhältnis angewendet. Die Tatsache, dass die Parteien die Anwendung des MTV zu einem Zeitpunkt vereinbarten, der nach der Entstehung der Urlaubsansprüche liegt, die der Kläger geltend macht, hindert nicht die Anwendung der Fristenregelung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV. Der Kläger beansprucht keine Urlaubsansprüche, sondern Ansprüche auf Urlaubsabgeltung. Während erstere vom Arbeitnehmer nach Ablauf der Wartezeit (§ 4 BUrlG) zu Beginn eines jeden Urlaubsjahres erworben werden (vgl. BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 486/10 – Rn. 14), entstehen letztere erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 6. August 2013 – 9 AZR 956/11 – Rn. 22). Das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund des Anstellungsvertrags vom 16. April 2010 endete zum 30. September 2014, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Parteien bereits die Geltung des MTV vereinbart hatten.

  1. bb) Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV werden “Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” erfasst, was auch den Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG einschließt. Unter den Begriff “Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” fallen grundsätzlich alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die sich aus der Rechtsstellung ergeben, die die Arbeitsvertragsparteien durch den Arbeitsvertrag zueinander haben (vgl. BAG 27. Oktober 2020 – 9 AZR 531/19 – Rn. 12). Die Ausnahme für die “Regelung für den Urlaub (§ 9 Abs. 5)” in § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV betrifft nicht den Anspruch eines Arbeitnehmers auf die Abgeltung nicht genommenen Urlaubs. Dies ergibt sich aus der Auslegung der Tarifbestimmung (vgl. BAG 19. Juni 2018 – 9 AZR 564/17 – Rn. 17).

Dem Wortlaut nach sind die Arbeitsvertragsparteien nicht verpflichtet, Ansprüche innerhalb der in § 18 Abs. 1 MTV genannten Fristen geltend zu machen, soweit es sich um die “Regelung für den Urlaub (§ 9 Abs. 5)” handelt. Die genannte Vorschrift regelt, ähnlich wie § 7 Abs. 3 BUrlG, die zeitlichen Rahmenbedingungen für die Gewährung des Urlaubs durch den Arbeitgeber und die Inanspruchnahme durch den Arbeitnehmer. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist jedoch nicht Teil dieser Regelungen in § 9 Abs. 5 MTV.

(2) Das Verständnis, das sich aus dem Wortlaut ergibt, wird durch den Sinn und Zweck der Einschränkung in § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV bestätigt. Durch die Ausnahme der “Regelung für den Urlaub (§ 9 Abs. 5 MTV)” aus dem Anwendungsbereich wird deutlich gemacht, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, seinen Urlaubsanspruch, der nach Ablauf der Wartezeit zu Beginn des Kalenderjahres entsteht, innerhalb einer Frist von drei Monaten, d. h. bis zum 31. März jedes Urlaubsjahres, geltend zu machen. Dadurch werden mögliche Auslegungsschwierigkeiten vermieden, wie sie bei umfassenden Fristenregelungen auftreten können, die sich auf den Urlaubsanspruch beziehen (vgl. zum Beispiel zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen BAG 24. Mai 2022 – 9 AZR 461/21 – Rn. 42).

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs kann gemäß §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG als reiner Geldanspruch tariflichen Geltendmachungsfristen unterliegen (st. Rspr., vgl. zu tarifvertraglichen Ausschlussfristen BAG 27. Oktober 2020 – 9 AZR 531/19 – Rn. 17 ff.; 7. Juli 2020 – 9 AZR 323/19 – Rn. 25; 22. Januar 2019 – 9 AZR 149/17 – Rn. 33 mwN; zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen BAG 9. März 2021 – 9 AZR 323/20 – Rn. 10; 18. September 2018 – 9 AZR 162/18 – Rn. 29, BAGE 163, 282). Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Gerichtshofs vom 22. September 2022 (- C-120/21 –) an dieser Rechtsprechung aus den unter Rn. 47 ff. genannten Gründen fest.

  1. d) Die dreimonatige Ausschlussfrist beginnt üblicherweise mit der Fälligkeit des Anspruchs gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV. Falls es dem Arbeitnehmer aufgrund früherer Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen im laufenden Arbeitsverhältnis unzumutbar war, Ansprüche auf Abgeltung gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen, begann die Ausschlussfrist bei einer gesetzeskonformen Auslegung der Tarifnorm ausnahmsweise erst nach dem Tag der Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) zu laufen.

Tarifnormen sollten so ausgelegt werden, dass sie im Einklang mit höherrangigem Recht stehen und Bestand haben (BAG 15. Juni 2021 – 9 AZR 413/19 – Rn. 32). Gesetze, die der Umsetzung von Unionsrecht dienen, müssen unionsrechtskonform ausgelegt werden, soweit dies möglich ist (vgl. BAG 25. August 2020 – 9 AZR 214/19 – Rn. 16, BAGE 172, 55). Eine richtlinienkonforme Auslegung eines nationalen Gesetzes kann folglich die Auslegung eines Tarifvertrags beeinflussen (BAG 16. November 2022 – 10 AZR 210/19– Rn. 13).

  1. bb) Vorliegend stellt höherrangiges Recht die Bestimmungen des BUrlG dar, insbesondere § 7 Abs. 4 sowie §§ 1, 2 und 3 Abs. 1, von denen die Tarifvertragsparteien nicht abweichen dürfen.

Die Tarifvertragsparteien verfügen auch im Bereich des Urlaubsrechts über ein umfassendes Recht zur Normsetzung, das durch das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) geschützt ist. Allerdings wird die Tarifautonomie durch § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG verfassungsgemäß eingeschränkt, soweit Vorschriften über den Mindesturlaub in § 1 BUrlG, den Geltungsbereich in § 2 BUrlG und die Dauer des Mindesturlaubs in § 3 Abs. 1 BUrlG einer tariflichen Regelung zu Lasten des Arbeitnehmers entzogen sind (vgl. ErfK/Gallner 23. Aufl. BUrlG § 13 Rn. 3). Ebenso dürfen Tarifverträge nicht zu Lasten der Arbeitnehmer von Vorschriften des BUrlG abweichen, die in § 13 Abs. 1 BUrlG nicht genannt sind, sofern sich ihr Regelungsgehalt bereits unmittelbar aus den Bestimmungen der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG ergibt (vgl. BAG 5. August 2014 – 9 AZR 77/13 – Rn. 19).

(2) Die Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubs gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG erstreckt sich auch auf den vom Kläger geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG (vgl. BAG 5. Juli 2022 – 9 AZR 341/21 – Rn. 50). Der gesetzliche Mindestschutz ist durch tarifliche Regelungen nicht zu Lasten der Arbeitnehmer abänderbar (vgl. BAG 19. März 2019 – 9 AZR 406/17 – Rn. 19, BAGE 166, 176). Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der Urlaubsanspruch gemäß § 1 BUrlG, der aus Freistellung von der Arbeitspflicht und Bezahlung besteht (vgl. BAG 16. Februar 2021 – 9 AS 1/21 – Rn. 21, BAGE 174, 53), in einen Anspruch auf Abgeltung des noch nicht genommenen Urlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG um, ohne dass der finanzielle Aspekt des ursprünglichen Urlaubsanspruchs erlischt (vgl. BAG 22. Januar 2019 – 9 AZR 45/16 – Rn. 23, BAGE 165, 90).

Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) setzt mit seinen Bestimmungen in §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG, die das Recht auf einen bezahlten Jahresurlaub von vier Wochen gewährleisten, und § 7 Abs. 4 BUrlG, der die Abgeltung nicht genommenen Urlaubs regelt, die unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC in deutsches Recht um. Eine Auslegung von § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV, die den Beginn der dreimonatigen Ausschlussfrist ohne Berücksichtigung der Zumutbarkeit der Geltendmachung festlegt, würde im Falle der Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs durch den Arbeitnehmer gegen die gesetzlichen Vorgaben des BUrlG in ihrer unionsrechtskonformen Auslegung verstoßen.

(1) Ähnlich wie die Verjährung beschränkt eine tarifvertragliche Ausschlussfristenregelung den Zeitraum, innerhalb dessen der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Arbeitgeber erfolgreich auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs in Anspruch nehmen kann. In beiden Fällen würde die Pflicht des Arbeitnehmers, den Anspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG rechtzeitig geltend zu machen, eine übermäßige Hürde und damit einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Effektivitätsgebot darstellen, wenn die Frist zu einem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Arbeitnehmer den Anspruch oder dessen Umfang nicht kennt und auch nicht kennen muss (vgl. zu den entsprechenden Anforderungen des Unionsrechts Rn. 40).

  • Vor der Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) war es dem Kläger aus den in den Rn. 37 ff. genannten Gründen nicht zuzumuten, die Beklagte auf Abgeltung seines Urlaubs aus den Jahren 2007 bis 2010 in Anspruch zu nehmen. Nach der damaligen Rechtsprechung des Senats galt dieser Urlaub zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien am 30. September 2014 als verfallen. Durch sein Schreiben vom 1. August 2018 und die darauf folgende Klage hat der Kläger die Ausschlussfrist des § 18 Abs. 1 MTV eingehalten.

Der Rechtsstreit ist noch nicht entscheidungsreif gemäß § 563 Abs. 3 ZPO. Um abschließend über die Ansprüche des Klägers auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 zu entscheiden, bedarf es weiterer Feststellungen seitens des Landesarbeitsgerichts.

Im Rahmen des fortgesetzten Berufungsverfahrens wird das Landesarbeitsgericht prüfen müssen, ob der Kläger im Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 als Arbeitnehmer gemäß § 2 Satz 1 BUrlG für die Beklagte tätig war. Dabei wird das Gericht eine umfassende Abwägung aller Umstände vornehmen, einschließlich des “Vertrags über freie Mitarbeit” und der Stellung der Beklagten als Zeitungsverlag, was auch ihr Grundrecht auf Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst.

Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Pauschalist und somit im gesamten Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 30. September 2014 kontinuierlich in einem Arbeitsverhältnis stand (vgl. BAG 20. Oktober 2015 – 9 AZR 224/14 – Rn. 14, BAGE 153, 57), wird es die Höhe des Zahlungsanspruchs gemäß § 11 Abs. 1 BUrlG berechnen müssen. Dabei ist der durchschnittliche Tagesverdienst anzusetzen, den der Kläger in den letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beanspruchen konnte, und nicht die Tagespauschale, die der Kläger seinen Abrechnungen in den Jahren 2007 bis 2010 zugrunde legte (vgl. BAG 22. Oktober 2019 – 9 AZR 98/19 – Rn. 29).