Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist reiner Geldanspruch
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.06.2012, 9 AZR 652/10
Das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers endete durch Kündigung. Nach Beendigung des Rechtsstreites über den Kündigungstermin klagte der Arbeitnehmer die Entlohnung für nicht beanspruchten Urlaub während der Arbeitsphase ein. Mit seinem Urteil stellte das BAG klar, Urlaubsabgeltung ist ein reiner Geldanspruch, der nicht den Verfallsfristen des Bundesurlaubsgesetzes (BurlG) unterliegt.
Das BAG gibt seine bisherige Rechtsprechung auf. In Harmonie mit der europäischen Rechtsprechung gilt für nicht beanspruchten Urlaub:
Der Abgeltungsanspruch ist ein Geldanspruch, dessen Erfüllbarkeit nicht von der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers abhängt und der nicht dem Fristenregime des BUrlG unterliegt.
Für die Inanspruchnahme von Urlaub sind grundsätzlich Fristen gesetzt. Damit soll eine Ansammlung von Urlaubsanspruch verhindert werden. Die finanzielle Abgeltung des Urlaubs für Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis ist generell ausgeschlossen. Urlaub soll in regelmäßigen Abständen zur Erholung der Arbeitnehmer dienen.
Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht erst, nachdem ein Arbeitsverhältnis beendet wurde. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist es jedoch ausgeschlossen, dass sich weiterer Urlaub ansammeln kann. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt gleiche Maßstäbe für Urlaubsanspruch und Urlaubsabgeltung anzusetzen.
Das Bundesarbeitsgericht hält mit diesem Urteil nicht mehr an der Surrogatstheorie fest. Somit ist die Urlaubsabgeltung nicht mit dem Urlaubsanspruch gleich zu setzen.
Die Urlaubsabgeltung ist als reiner Geldanspruch unabhängig vom Bundesurlaubsgesetz zu betrachten. War es dem Arbeitnehmer nicht möglich, während seiner Beschäftigungszeit Urlaub in Anspruch zu nehmen, soll ihm deshalb nicht jeglicher Anspruch auf Urlaub entzogen werden. Die Fristenregelung zur Inanspruchnahme von Urlaub gemäß Bundesurlaubgesetz gilt für die Urlaubsabgeltung nicht mehr, da nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch naturgemäß nur noch als Urlaubsabgeltung in Form eines Geldanspruchs gewährt werden kann.
Der Europäische Gerichtshof kam bereits im Jahr 2009 mit seiner Entscheidung zur Rechtssache C-350/06 zu einer aus deutscher Sicht neuen Ansicht für die Urlaubsregelung von Arbeitnehmern, die krankheitsbedingt nicht ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wahrnehmen konnten.
Der Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums nicht erlöschen darf, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.
Das Bundesarbeitsgericht hält es auf Grundlage des geltenden Rechts sowie aus rein sachlichen Gründen für nicht gerechtfertigt, die Urlaubsabgeltung für arbeitsunfähige und arbeitsfähige Arbeitnehmer zu differenzieren.
Zur Wahrung von Ausschlussfristen argumentiert das BAG:
Es ist grundsätzlich nicht nur dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, sondern erst recht auch dem arbeitsfähig ausgeschiedenen Arbeitnehmer regelmäßig unschwer tatsächlich möglich, seinen Abgeltungsanspruch zur Wahrung von Ausschlussfristen geltend zu machen.
Damit wird ausgedrückt, dass zwar nicht die Verfallsfristen gemäß BurlG gelten, dennoch im allgemeinen Fristen gelten, die einen Verfall des Urlaubsanspruchs nach sich ziehen.