Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil v. 15.08.2012, 7 Sa 165/12
Wird gegen Mitarbeiter eine Änderungskündigung ausgesprochen, so ist es gerechtfertigt, Betriebsratsmitglieder davon auszunehmen, da sie Sonderkündigungsschutz genießen.
In einem Senioren- und Pflegeheim beschloss die Geschäftsführung, im Unternehmen keine examinierten Mitarbeiter mehr zu beschäftigen, die ausschließlich Nachtdienst leisten. Vom Beschluss wurden lediglich Mitarbeiter ausgenommen, die nur außerordentlich kündbar sind.
Die im Altenheim angestellte examinierte Pflegerin war, entsprechend ihrem Arbeitsvertrag, ausschließlich im Nachtdienst tätig. Die Arbeitgeberin sprach der examinierten Pflegerin eine ordentliche Änderungskündigung aus. Die von der Pflegerin daraufhin erhobene Kündigungsschutzklage wurde in der ersten Instanz vom Arbeitsgericht Oberhausen (4 Ca 1269/11) zu ihren Gunsten entschieden.
Das Arbeitsgericht Oberhausen erklärte, die unternehmerische Entscheidung sei willkürlich, da Betriebsratsmitglieder, die laut Arbeitsvertrag ebenfalls ausschliesslich Nachtdienste leisteten, von der Änderungskündigung ausgenommen wurden. Die Arbeitgeberin habe damit die Betriebsratsmitglieder unzulässig bevorzugt. Die Betriebsratsmitglieder hätten eine ausserordentliche Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist erhalten müssen.
Das Landesarbeitsgericht änderte das Urteil des Arbeitsgerichtes Oberhausen ab, weil es in der Berücksichtigung des Sonderkündigungsschutzes der Betriebsratsmitglieder keine Unverhältnismäßigkeit erkennen konnte.
Die Arbeitgeberin bot der examinierten Pflegerin an, das Arbeitsverhältnis mit einer unveränderten monatlichen Bruttovergütung und gleicher wöchentlicher Arbeitszeit fortzusetzen. Der Unterschied bestand lediglich darin, dass die examinierte Pflegerin sowohl in Tag- als auch Nachtschicht einsetzbar ist.
Abhängig vom Dienstplan war für die examinierte Pflegerin dadurch absehbar, dass sie zukünftig durch weniger zu leistende Nachtdienste weniger Nachtschichtzuschläge erhalten wird. Daraus lassen sich, nach Ansicht des Landesarbeitsgerichtes für die examinierte Pflegerin jedoch keine Ansprüche ableiten, die einer Änderungskündigung entgegen stehen. Die Arbeitgeberin beabsichtigte nicht, die Anzahl der Nachtschichtzuschläge in ihrer Summe zu reduzieren. In Abhängigkeit vom Dienstplan werden diese Zuschläge nur auf unterschiedliche Personen verteilt.
Die examinierte Pflegerin legte eine ärztliche Bescheinigung vor, wonach sie aus gesundheitlichen Gründen keine Wechselschichten durchführen soll. Es wurde hier jedoch nicht bescheinigt, dass die Pflegerin -aus gesundheitlichen Gründen- nur für Nachtschichten eingesetzt werden soll. Die gesundheitlichen Interessen der examinierten Pflegerin hat die Arbeitgeberin nach billigem Ermessen, in Abwägung der betrieblichen Interessen, ebenso wie andere persönliche Interessen der Klägerin, bei der Dienstplangestaltung nach § 3 Abs. 1 der “Betriebsvereinbarung über Dienstplangestaltung und Regelung der Arbeitszeit” zu berücksichtigen, erläuterte das Landesarbeitsgericht.
Die Arbeitgeberin argumentierte zusätzlich, dass es große Schwierigkeiten gebe, den Tagesdienst mit examinierten Fachkräften zu besetzen. Ursache dafür sei, neben einem hohen Krankenstand, die hohe Anzahl examinierter Fachkräfte, die arbeitsvertraglich ausschließlich für den Nachtdienst zur Verfügung stehen.
Das Landesarbeitsgericht folgte der Entscheidung der Arbeitgeberin und begründet:
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die Unternehmerentscheidung nicht etwa deshalb willkürlich, weil die Beklagte Betriebsratsmitglieder sowie die unter gleichem Schutz stehenden Ersatzbetriebsratsmitglieder von der Regelung ausgenommen hat. Es kann nicht als willkürlich oder missbräuchlich angesehen werden, wenn Mitarbeiter mit Sonderkündigungsschutz, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, in die neue Regelung nicht einbezogen werden, solange sie dem besonderen Kündigungsschutz unterfallen.
Bezüglich der Betriebsratsmitglieder gab es für den Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist, die das Vorliegen eines wichtigen Grundes erfordert, keine Basis. Die Betriebsratsmitglieder können bis zum Ende des Sonderkündigungsschutzes im Nachtdienst sinnvoll beschäftigt werden.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat die Arbeitgeberin eine vernünftige Entscheidung getroffen, selbst wenn zunächst nur ein Teil der infrage kommenden Mitarbeiter per Änderungskündigung in ein flexibleres Dienstsystem gedrängt werden können. Sobald Angehörige des Betriebsrats ihren besonderen Kündigungsstatus verlieren, sind diese ebenfalls vom betrieblichen Beschluss betroffen.
Die Revision zu diesem Urteil wurde unter dem Aktenzeichen 2 AZR 990/12 eingelegt.