Betriebsrat darf dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung ablehnen
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 19.09.2012, 17 TaBV 124/11
Eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung ist nicht zulässig. Beabsichtigt die Arbeitgeberin die dauerhafte Besetzung eines vorhandenen Arbeitsplatzes mit Leiharbeitnehmern, so kann der Betriebsrat die Beschäftigung des Leiharbeitnehmers für diese Stelle ablehnen.
Der Betriebsrat wurde von der Arbeitgeberin, einem Zeitungsverlag, informiert, alle zukünftigen Neubesetzungen von Arbeitsplätzen würden nur noch mit Leiharbeitnehmern erfolgen. Die Arbeitgeberin erklärte, diese Maßnahme sei notwendig, weil die dadurch erzielten Kosteneinsparungen umfassend zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen.
In vorliegendem Streitfall sollte die Stelle einer Personalreferentin, Schwerpunkt Recruiting, dauerhaft per Arbeitnehmerüberlassung besetzt werden. Der Betriebsrat lehnte die Forderung ab und begründete:
Die beim A-Zeitungsverlag praktizierte Dauerausleihe und die damit einhergehende Umgehung der im A-Zeitungsverlag geltenden Tarifordnung verstößt gegen Artikel 9 des Grundgesetzes. Ziel des AÜG ist es, neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu erschließen. Ziel war und ist es nicht, Stammarbeitsplätze in Leiharbeitsplätze umzuwandeln.
Ungeachtet der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats führte die Arbeitgeberin die Einstellung der Personalreferentin wie geplant durch. Die nunmehr als vorläufig deklarierte Einstellung sei aus sachlichen Gründen dringend notwendig. Beim Arbeitsgericht Braunschweig beantragte die Arbeitgeberin die Ersetzung der verweigerten Zustimmung durch den Betriebsrat.
Das Arbeitsgericht ersetzte die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung. Gegen diesen Beschluss legte der Betriebsrat beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen Beschwerde ein.
Das Landesarbeitsgericht stellte die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat fest.
Die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers erfordert generell die Zustimmung des Betriebsrates des Entleiher-Betriebes.
Der Dauerverleih eines Arbeitnehmers im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit ist seit der Neufassung des AÜG unzulässig. Die unbefristete Einstellung der Leiharbeitnehmerin verstößt gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG n.F., nachdem die Arbeitnehmerüberlassung ab dem 01.12.2011 nur noch vorübergehend gestattet ist.
Weil die Arbeitgeberin gegen rechtliche Vorgaben verstieß, konnte sie sich auch nicht auf ihre unternehmerische Freiheit berufen.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichtes soll die Arbeitnehmerüberlassung arbeitslosen Männern und Frauen eine sozial abgesicherte Beschäftigung und Perspektiven schaffen. Mit der Arbeitnehmerüberlassung sollen keine Dauerarbeitsplätze abgedeckt werden. Bereits aufeinanderfolgende Verlängerungen der Arbeitnehmerüberlassung sind unzulässig, da sie geeignet sind, den Zweck der Arbeitnehmerüberlassung zu unterlaufen. Der Leiharbeitnehmer darf nicht zur Umgehung tariflicher Arbeitsbedingungen missbraucht werden.
Ziel des AÜG ist es, die Position ausgeliehener Arbeitnehmer langfristig zu verbessern und ihnen eine Chance auf eine dauerhafte Anstellung zu eröffnen. Deshalb darf die Arbeitgeberin nicht umgekehrt systematisch die Zahl der festangestellten Mitarbeiter minimieren, indem nur noch per Arbeitnehmerüberlassung eingestellt wird.
Die Leiharbeitnehmerin erhält mit der Dauerentleihung zudem keine Chance auf gleichwertige Arbeitsbedingungen wie die festangestellten Mitarbeiter.
Das Landesarbeitsgericht erläutert:
Stellt der Arbeitgeber grundsätzlich nur noch Leiharbeitnehmer ein, um eine Senkung der Personalkosten zu erreichen, so kann dies unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als institutioneller Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begründen. In einem solchen Fall kann nicht festgestellt werden, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 2 S 3 BetrVG).
Auch das kollektive Interesse der Belegschaft erfordert die Zustimmungsverweigerung zur Besetzung des Dauerarbeitsplatzes mit einer Leiharbeitnehmerin. Der schleichende Abbau der Stammbelegschaft führt langfristig zu einer Betriebseinschränkung und/oder Änderung der Betriebsorganisation bzw. Betriebsspaltung.
Gegen das Urteil wurde die Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 7 ABR 79/12 eingelegt.