Verfallene Gleitzeit
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.12.2013, Aktenzeichen 1 ABR 40/12
Der Verfall von Überstunden im Rahmen von Gleitzeitarbeit kann vom Betriebsrat nicht angegriffen werden, solange der Verfall unter Beachtung gesetzlicher Arbeitszeitregelungen vollzogen wird und die Vergütungspflicht nicht angetastet wird.
In einem Gemeinschaftsunternehmen wurde in der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit (BV-Arbeitszeit), als einer Vereinbarung zwischen den Arbeitgeberinnen und dem Betriebsrat, die Handhabung von Überstunden geregelt. Über den Umfang der Vereinbarung hinausgehende Überstunden und Zeiten außerhalb der Rahmenarbeitszeit sollten im Zeiterfassungssystem protokolliert aber systemseitig gekappt werden.
Der Betriebsrat kündigte später die entsprechenden Formulierungen mit der Begründung, dass sie unzulässig in vergütungsrechtlich geschützte Positionen der betroffenen Arbeitnehmer eingreife.
Vor dem Arbeitsgericht beantragte der Betriebsrat festzustellen, dass zwei Formulierungen der BV-Arbeitszeit zum Verfall von Arbeitszeit unwirksam seien. Das betreffe die Regelung zur Kappung von Überstunden bei mehr als 10 geleisteten Arbeitsstunden pro Tag sowie die Kappung von mehr als 300 Arbeitsstunden jährlich auf dem Arbeitszeitkonto.
Die beantragten Feststellungen des Betriebsrats wurden vom Arbeitsgericht als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht wies die Beschwerde des Betriebsrats zurück. Mit einer Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte der Betriebsrat seine Anträge weiter.
Das Bundesarbeitsgericht erklärte, die BV-Arbeitszeit regele die Arbeitszeit im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne, nicht die Vergütungspflicht der Arbeitszeit. Das gelte auch für die beiden streitigen Regelungen.
Die Kappung der Arbeitszeit führe nicht dazu, dass in vergütungsrechtliche geschützte Positionen der betroffenen Arbeitnehmer eingegriffen würde.
Mit der Kappung der Arbeitszeit würde berücksichtigt, dass die Arbeitszeit nur innerhalb der gesetzlichen bzw. tariflichen Regelungen festgelegt werden könne.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte fest:
Wortlaut, Systematik und Zweck der BV-Arbeitszeit sowie der Protokollnotiz machen deutlich, dass die Betriebsparteien mit Satz 2 PN eine Arbeitszeitregelung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG getroffen haben. Die Pflicht zur Vergütung geleisteter Arbeit bleibt hiervon unberührt.
Es sei sichtbar, dass die Parteien ein Arbeitszeitsystem haben schaffen wollen, das den Arbeitnehmern ein hohes Maß an Zeitsouveränität beschere und sicherstelle, dass die gesetzlichen Höchstgrenzen des Arbeitsrechts beachtet würden.
Die betriebliche Vereinbarung entspreche dem betrieblichen Mitbestimmungsrecht das die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit gleichzeitig der Mitbestimmung ihrer privaten freien Zeit berücksichtige. Da die gesetzlichen Höchstgrenzen zu beachten sind, haben die Parteien die Kappung der täglichen Arbeitszeit vereinbart, die über 10 Arbeitsstunden täglich hinausgehe.
Die Annahme des Betriebsrats, die Kappung betreffe vergütungspflichtige Arbeitszeit sei unbegründet. Der für den Betrieb geltende Manteltarifvertrag sehe vor, dass als vergütungspflichtige Mehrarbeit auch die arbeitgeberseitig angeordnete oder gebilligte Arbeitszeit gelte, welche 10 Stunden Arbeitszeit pro Tag überschreitet. Damit sei der vergütungsrechtliche Teil abschließend geregelt.
Eine gesetzeskonforme Auslegung der BV-Arbeitszeit und der Protokollnotiz spreche gegen die Auffassung, die Kappung von Arbeitsstunden beseitige Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer.
Die Überschreitung des maximalen täglichen Umfanges von 10 Arbeitsstunden würde zwar nur in Ausnahmefällen und in besonderen Notfällen nach Prüfung und Zustimmung von Arbeitgeber und Betriebsrat dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben. Die Bezahlung der geleisteten Überstunden bleibe jedoch unberührt.
Die mit der BV-Arbeitszeit getroffene Regulierung, dass am Jahresende ein Volumen von mehr als 300 geleisteten Überstunden gekappt werde, diene dem alleinigen Zweck das Volumen der gleitbaren Arbeitszeit zu begrenzen. An der Vergütungspflicht der geleisteten Arbeitszeit ändere die Regelung nichts.
Die Anträge des Betriebsrats wurden vom BAG als unbegründet abgewiesen.