Nichterscheinen zur Arbeit ist grundsätzlich keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.04.2013, Aktenzeichen 8 AZR 130/13
Kommt ein Arbeitnehmer nicht seiner Arbeitspflicht nach, bedeutet dieser Umstand nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Nachdem das Insolvenzverfahren über die Arbeitgeberin eröffnet wurde, erhielt mehr als ein Drittel der Belegschaft eine Kündigung. Einen Monat später kündigte ein Ingenieur sein Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Termin. Zeitgleich bat er um einen Aufhebungsvertrag zum Monatsende, da er mit Beginn des neuen Monats ein neues Arbeitsverhältnis beginnen wolle. Ein Aufhebungsvertrag wurde nicht abgeschlossen, doch es erfolgte eine Übergabe der Projekte am Monatsende.
Der Ingenieur erschien am 1.Tag des Folgemonats nicht zur Arbeit. Der Insolvenzverwalter forderte den Ingenieur per E-Mail auf, zur Arbeit zu kommen. Mit einer E-Mail am Folgetag lehnte der Ingenieur die Aufforderung ab, da er bereits seit dem 1.Tag des neuen Monats in einem neuen Arbeitsverhältnis stehe. Daraufhin kündigte der Insolvenzverwalter wegen beharrlicher Vertragsverweigerung außerordentlich fristlos und machte eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsgehalts geltend. Der Ingenieur griff die Kündigung nicht im Rechtsweg an.
Im gleichen Monat erhob der Insolvenzverwalter Klage beim zuständigen Arbeitsgericht. Der Ingenieur habe das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beendet. Die fristgemäße Kündigung wäre erst zwei Monate später zum Monatsende möglich gewesen. Gemäß Ziffer 14.5 des Arbeitsvertrages habe er eine Vertragsstrafe von einem Bruttomonatsgehalt zu zahlen.
Der Ingenieur argumentierte in der Klageerwiderung er habe das Arbeitsverhältnis fristgemäß beendet. Er habe nur seine Arbeitsleistung vorher eingestellt. Die Erbringung der Arbeitsleistung sei von der Vertragsstrafe nicht erfasst, da diese nur die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses betrachte.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die nicht erbrachte Arbeitsleistung sei grundsätzlich keine Kündigung und keine Vertragsbeendigung. Vor dem Landesarbeitsgericht hatte die Berufung keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgte der Insolvenzverwalter weiterhin das Ziel, die Vertragsstrafe von einem Monatsgehalt zu erhalten.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen.
Die Klausel zur Vertragsstrafe im Arbeitsvertrag verstoße gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs.1 Satz 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Nach Auslegung der Klausel sehe diese auch für den Fall einer außerordentlichen berechtigten Kündigung des Ingenieurs eine Vertragsstrafe vor. Die Klausel sei deshalb unangemessen im Sinne § 307 Abs.1 Satz 1 BGB.
Die Vertragsstrafenklausel sei eine allgemeine Geschäftsbedingung. Diese seien so zu formulieren, dass sie von durchschnittlichen Vertragspartnern verstanden werden können. Bei geregelten Verträgen sei das Rechtsverständnis rechtsunkundiger Partner zu erwarten und zu berücksichtigen.
Wer allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet sei dazu verpflichtet, Rechte und Pflichtens des Vertragspartners möglichst klar und verständlich darzustellen. Wirtschaftliche Nachteile und Belastungen müssen erkennbar sein. Klauseln der AGB verletzen das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthalten.
Das Bestimmtheitsgebot wäre nur dann nicht verletzt worden, wenn das die Vertragsstrafe auslösende Fehlverhalten ausreichend beschrieben worden wäre.
Allein die Nichterfüllung einer vertraglichen Leistung stelle keine Kündigung und damit auch nicht die Beendigung des vertraglichen Verhältnisses dar.
Dazu das BAG:
Ein Arbeitsvertrag wird aber weder im Zeitpunkt des Zugangs einer fristgemäßen Eigenkündigung noch durch die Einstellung der Arbeitsleistung rechtlich beendet.
Indem sich der Ingenieur mit seinem Kündigungsschreiben und später per E-Mail deutlich von seiner Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis losgesagt hatte, trat keine Vertragsbeendigung ein. Da der Ingenieur die Kündigung auf den nächstmöglichen Termin abstellte, sei seine Kündigung auf jeden Fall als fristgemäß anzusehen. Die Kündigungsfrist sei damit eindeutig gewahrt.
Das BAG stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Ingenieurs beendet wurde. Vielmehr habe die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis beendet, weil der Ingenieur nicht zur Arbeit erschien. Für diesen Fall der arbeitgeberseitigen Kündigung sei jedoch im Arbeitsvertrag keine Vertragsstrafe vorgesehen.
Das BAG ließ offen, ob die Arbeitgeberin Ansprüche auf Schadensersatzansprüche nach § 628 Abs. 2 BGB haben könnte. Diese seien jedoch nicht Gegenstand der Klage. Die Zahlung der beantragten Vertragsstrafe wurde abgewiesen.