Urlaubsanspruch während Erwerbsminderung und Krankheit
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.10.2013, Aktenzeichen 9 AZR 302/12
Urlaubsanspruch besteht auch während Krankheit und Bezug von Erwerbsminderungsrente. Der Anspruch erlischt jedoch bei langfristiger Krankheit oder Bezug von Erwerbsminderungsrente im zweiten auf den Urlaubsanspruch folgenden Jahr.
Eine schwerbehinderte Verkäuferin erkrankte arbeitsunfähig. Anschließend erhielt sie mehrfach befristet eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Erwerbsminderungsrente wurde rund 5 Jahre nach Krankheitsbeginn in eine unbefristete Rente umgewandelt. Mit dem Beginn der unbefristeten Erwerbsminderungsrente endete das Arbeitsverhältnis. Die Verkäuferin beantragte Urlaubsabgeltung für all die Jahre ihrer Betriebszugehörigkeit seit dem Beginn Ihrer Krankheit. Sie beantragte die Abgeltung gesetzlichen Urlaubs nach dem BUrlG (Bundesurlaubsgesetz) und nach § 125 SGB IX (Sozialgesetzbuch) sowie des tariflichen Mehrurlaubs.
Die Arbeitgeberin zahlte für die Urlaubsansprüche aus den letzten beiden Jahren 2010 und 2011 einen nicht aufgeschlüsselten Betrag.
Die Verkäuferin beanspruchte insgesamt 179 nicht genutzte Urlaubstage über einen Zeitraum von rund 5 Jahren. Das Arbeitsgericht (Urteil vom 28. September 2011 – 6 Ca 1516/11) gab ihrer Klage statt und verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung des finanziellen Gegenwertes für 179 Urlaubstage. Das Landesarbeitsgericht (Urteil vom 23. Februar 2012 – 5 Sa 1370/11) bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichtes, jedoch wurde der zu zahlende Betrag leicht nach unten korrigiert.
Mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin weiterhin die Abweisung der Klage.
Das BAG entschied, die Verkäuferin habe keinen Anspruch auf weitere Abgeltung von Urlaub. Während Krankheit und des Bezugs der Erwerbsminderungsrente seien Urlaubsansprüche entstanden. Die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2006 bis 2009 seien jedoch noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erloschen. Die Urlaubsabgeltung für die Jahre 2010 und 2011 sei durch Zahlung der Arbeitgeberin erfolgt. Der Anspruch sei damit nach § 362 Absatz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) erloschen.
Gesetzliche Urlaubsansprüche verfallen 15 Monate nach Beendigung des Urlaubsjahres, unabhängig von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bei langer Arbeitsunfähigkeit ende der Anspruch auf Urlaub Ende März des übernächsten Jahres. Diese Sichtweise sei konform mit dem europäischen Unionsrecht. Der gesetzliche Urlaubsanspruch setze keine Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr voraus. Für den Urlaubsanspruch sei lediglich ein bestehendes Arbeitsverhältnis Voraussetzung.
Ist ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert, verfallen seine gesetzlichen Urlaubsansprüche jedoch in konformer Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BurlG nach Unionsrecht 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entspreche die Ansammlung von Ansprüchen auf Jahresurlaub nicht dem Zweck der Urlaubsgewährung (EuGH 22. November 2011 – C-214/10). Der Arbeitgeber müsse vor einer zu langen Ansammlung von Urlaubsansprüchen geschützt werden.
Im Manteltarifvertrag seien auch keine längeren Anspruchszeiten vorgesehen.
Die Arbeitgeberin habe mit ihrer nicht aufgeschlüsselten Leistung bereits einen höheren Betrag zur Urlaubsabgeltung geleistet, als sich aus dem Zahlungsanspruch für die Jahre 2010 und 2011 ergebe. Damit sollten sämtliche eventuell entstandenen Ansprüche abgedeckt werden. Die Zahlung sei jedoch nicht als Abgeltung von Urlaubsansprüchen für frühere Jahre vor 2010 zu verstehen.
Die Klage der Verkäuferin wurde abgewiesen.