Rückerstattung der Fortbildungskosten unangemessen
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.03.2014, Aktenzeichen 9 AZR 545/12
Es kann unangemessen sein, dass ein Arbeitnehmer seine Fortbildungskosten bei vorzeitiger Kündigung selbst zu tragen hat. Insbesondere, wenn die vertragliche Formulierung zur Rückzahlung einseitig von der Arbeitgeberin vorgegeben wurde und nicht die Interessen beider Vertragsparteien berücksichtige.
Ein Bankangestellter absolvierte neben seiner Vollzeitbeschäftigung bei seiner Arbeitgeberin eine Ausbildung zum Betriebswirt. Ein Jahr später wurde er als Gruppenleiter eingesetzt. Ein weiteres Jahr danach beantragte der Bankangestellte, einen zweijährigen Masterstudiengang berufsbegleitend absolvieren zu können.
Zwischen Bank und Angestellten wurde ein Fortbildungsvertrag geschlossen. Der Vertrag sah die Rückzahlung der Fortbildungskosten und verbundener Vergütungen für den Fall einer Kündigung des Angestellten, innerhalb von 3 Jahren nach Abschluss der Fortbildung vor, wobei die Rückzahlungssumme jährlich um ein Drittel reduziert wurde. Ebenso sollte eine Rückerstattung erfolgen, wenn der Mitarbeiter vor Abschluss der Fortbildung das Unternehmen verlässt.
Der Mitarbeiter kündigte noch während der Ausbildung mit der Begründung, die Bank könne ihn nach der Ausbildung nicht seiner Qualifikation entsprechend einsetzen.
Die Bank behielt einen Teil seines vorletzten Monatsgehalts ein und forderte die Rückzahlung von insgesamt mehr als 30 000 Euro Fortbildungskosten.
Der Mitarbeiter klagte auf Zahlung des einbehaltenen Teiles seines Monatsgehaltes. Die Arbeitgeberin erhob Gegenklage und forderte die Rückzahlung der Fortbildungskosten gemäß Fortbildungsvertrag.
Das Arbeitsgericht gab der Klage des Mitarbeiters statt und wies die Gegenklage der Arbeitgeberin ab. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück.
Mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin weiterhin die Klageabweisung sowie die Durchsetzung ihrer Gegenklage.
Das BAG stellte klar, die Klage des Bankangestellten sei gerechtfertigt. Er habe Anspruch auf den nicht gezahlten Lohnanteil. Die Arbeitgeberin habe kein Recht zur Aufrechnung von Lohnanteilen mit dem Forderungen aus dem Ausbildungsvertrag.
Die Regelungen im §5 des Ausbildungsvertrages seien nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) unwirksam, weil sie den Angestellten unangemessen benachteiligten.
Regelungen, die das Hauptleistungsversprechen ausgestalten, seien als allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen, da der Vertrag einseitig von der Arbeitgeberin formuliert wurde. Es sei nicht ersichtlich, dass der Angestellte die Möglichkeit hatte, auf die Formulierung der Klauseln Einfluss zu nehmen.
Die Kostentragungspflicht wurde ausschließlich mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Angestellten verbunden. Es wurde nicht unterschieden, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Angestellten oder bei der Arbeitgeberin läge. Damit käme die Klausel auch dann zur Anwendung, wenn die Gründe der Kündigung, zumindest teilweise bei der Arbeitgeberin lägen. Etwa bei einem vertragswidrigen Verhalten der Arbeitgeberin.
Der Angestellte werde durch diese einseitige Regelung unangemessen benachteiligt. Eine Rückzahlungsregelung sei nur dann angemessen, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand habe, durch Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen.
Verluste von Investitionen, die nachträglich wertlos werden, habe grundsätzlich die Arbeitgeberin zu tragen. Muss der Angestellte selbst dann die Aus- und Weiterbildungskosten tragen, falls die Gründe für das vorzeitige Ausscheiden bei der Arbeitgeberin lägen, würde er mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition der Arbeitgeberin belastet. Damit würden nicht die wechselseitigen Interessen beider Vertragsparteien berücksichtigt.
Das gelte auch, wenn die Arbeitgeberin gemäß ihrer eigenen Darstellung an der Fortbildung des Angestellten selbst kein Interesse hatte. Die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung müssten in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen.
Es müssten auch die Vorteile der Arbeitgeberin betrachtet werden, die sich aus der Weiterbildung ergeben sollen. Im Regelfall möchte die Arbeitgeberin möglichst lange von der Investition in die Ausbildung profitieren. Kann oder will die Arbeitgeberin die im Rahmen der Fortbildung erreichte Qualifikation nicht nutzen, kann der Bleibedruck durch die Rückzahlungspflicht nicht mit dem Interesse an einer möglichst langen Nutzung der erworbenen Qualifikation abgewogen werden. In diesem Fall fehle es an der Rechtfertigung einer langen Bindungsdauer.
Aufgrund von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB der die unangemessene Benachteiligung eines Vertragspartners ausschließt, führte die Rückzahlungsklausel des Fortbildungsvertrags nicht zur Rückzahlungspflicht des Angestellten.