Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.01.2014, Aktenzeichen 2 AZR 372/13
Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Die Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung ist nicht möglich.
Ein kaufmännischer Angestellter arbeitete als leitender Mitarbeiter in der Verwaltung. Der Verwaltungsbereich wurde in eine neu geschaffene Service GmbH überführt, an der die Arbeitgeberin mit 50% beteiligt war.
Im Rahmen der Umstrukturierung, die als Betriebsteilübergang zu bewerten ist, schloss die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat einen Sozialplan sowie einen Interessenausgleich ab. In der Liste der übergehenden Arbeitnehmer wurde der kaufmännische Angestellte nicht benannt. Mit einem Schreiben der Arbeitgeberin wurde ihm später mitgeteilt, sein Arbeitsverhältnis gehe ebenfalls auf die Service GmbH über. Der kaufmännische Angestellte legte Widerspruch ein.
Die Arbeitgeberin hörte den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung zu einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen betrieblichen Kündigung an. Der Betriebsrat nahm keine Stellung, da es sich um einen leitenden Angestellten handelte. Das Integrationsamt erteilte seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich betriebsbedingt mit sozialer Auslauffrist, ein Jahr nach ausgesprochener Kündigung.
Der kaufmännische Angestellte klagte vor dem Arbeitsgericht. Er beantragte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde. Er argumentierte unter anderem, es fehle an einem wichtigen Grund für die Kündigung.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Auch vor dem Landesarbeitsgericht war die Klage erfolgreich. Die Arbeitgeberin verfolgte vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) weiterhin die Klageabweisung.
Das BAG erläuterte, ein ordentlich kündbarer Mitarbeiter könne grundsätzlich nicht aus betrieblichen Gründen außerordentlich gekündigt werden.
Eine betriebsbedingte Kündigung müsse immer die normalen Kündigungsfristen berücksichtigen. Falls die Arbeitgeberin aus betrieblichen Gründen das Arbeitsverhältnis nicht aufrecht erhalten könne, sei sie selbst im Insolvenzfall verpflichtet, die Kündigungsfristen einzuhalten.
In diesem Streitfall fehle es auch an einem wichtigen Grund. Bei einer außerordentlichen Kündigung würde das Fehlen sämtlicher Beschäftigungsmöglichkeiten als wichtiger Grund angesehen werden. Die Arbeitgeberin müsse aber nachweisen, dass alle zumutbaren Anstrengungen unternommen wurden. Die zumutbaren Anstrengungen seien hier gekennzeichnet, durch die auf das notwendige Maß vorgenommenen Beschränkungen, die sich durch erforderliche Anpassungen der Bedingungen des Arbeitsvertrages an das veränderte unternehmerische Konzept ergeben.
Die Arbeitgeberin habe nicht dargelegt, alle Anstrengungen unternommen zu haben, einen weiteren Einsatz des kaufmännischen Angestellten zu ermöglichen.
Nach dem Widerspruch des kaufmännischen Angestellten sei nicht ersichtlich geworden, dass sich die Arbeitgeberin bei der anderen Gesellschafterin der Service GmbH um einen weiteren Einsatz des Angestellten, zumindest für die Dauer des Sonderkündigungsschutzes, bemüht hätte. Die Arbeitgeberin habe lediglich erklärt, sie habe keinen bestimmenden Einfluss auf die Service GmbH und könne eine Beschäftigung des kaufmännischen Angestellten dort nicht durchsetzen. Aus dieser Erklärung werde nicht deutlich, dass die Arbeitgeberin alles Zumutbare unternommen hätte. Es würde nicht deutlich, dass sie sich bei der anderen gleichteiligen Gesellschafterin um eine Weiterbeschäftigung des kaufmännischen Angestellten bemüht hätte.
Eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündung nach § 140 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei nicht möglich. Es fehle in jedem Falle an der erforderlichen Zustimmung des Integrationsamtes nach § 85 SGB IX (Sozialgesetzbuch 9). Das Integrationsamt habe lediglich die Zustimmung für eine außerordentliche Kündigung erteilt. Darin sei nicht gleichzeitig eine Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung enthalten. Es habe ausdrücklich allein einer außerordentlichen Kündigung – mit sozialer Auslauffrist – zugestimmt. Nur darauf sei der Antrag der Arbeitgeberin gerichtet.
Nach § 43 Abs. 1 SGB X könne nur ein fehlerhafter Verwaltungsakt umgedeutet werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Zustimmung des Integrationsamts im Streitfall fehlerhaft erfolgt wäre, gäbe es nicht. Die Verfahren zur Zustimmung einer außerordentlichen und einer ordentlichen Kündigung würden sich erheblich unterscheiden.
Das BAG urteilte, das Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden.