Empfänger einer Klagezustellung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Februar 2014, Aktenzeichen 2 AZR 248/13
Eine Klage darf nicht an einer unvollständigen oder fehlerhaften Bezeichnung der gegnerischen Partei scheitern, solange eindeutig erkennbar ist, welche juristische Partei tatsächlich gemeint ist.
Ein Ingenieur arbeitete als ziviler Angestellter bei in Deutschland stationierten britischen Streitkräften. Nach rund 10 Jahren Beschäftigungszeit wurde der Ingenieur per Schreiben informiert, dass sein Einsatzbereich in knapp drei Monaten an ein privates Unternehmen übertragen wird. Der Ingenieur widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses.
Die britische Arbeits- und Personalverwaltung kündigte einige Zeit später dem Ingenieur ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist.
Gegen die Kündigung reichte der Ingenieur Klage beim zuständigen Arbeitsgericht gegen das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ein. Das Vereinigte Königreich wies in seiner Klageerwiderung darauf hin, dass die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten sei (gem. Art 56 Abs.8 Satz 2 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatus ZA-NTS).
Der Ingenieur beantragte daraufhin die Berichtigung der Klage, da eine Auslegung der Klageschrift ergebe, dass sich die Klage von Beginn an, gegen die Bundesrepublik Deutschland als Prozessstandschafterin für das britische Königreich gerichtet habe. Er habe die richtige Beklagte nur unrichtig bezeichnet. Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt und sein Arbeitsplatz sei nicht weggefallen.
Der Ingenieur beantragte festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis nicht mit der Kündigung und nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst wurde. Seine Arbeitgeberin solle verurteilt werden ihn als Bauingenieur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.
Das britische Königreich beantragte die Abweisung der Klage. Eine Änderung des Klageadressaten käme nicht infrage. Zudem sei die Klagefrist versäumt worden. Schon deshalb gelte die Kündigung. Die Kündigung sei auch sozial gerechtfertigt. Durch die Auslagerung des Arbeitsbereiches sei der Arbeitsplatz des Ingenieurs entfallen.
Das Arbeitsgericht wies die Klage mit Versäumnisurteil ab. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Berufung zurück. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte der Ingenieur seine Klage weiter.
Das BAG stellte fest, die Begründung des LAG sei unrichtig. Es könne die Klage nicht mit der Begründung abweisen, die Klage sei sozial gerechtfertigt, weil die Kündigungsfrist nicht eingehalten wurde.
Die gegenüber dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland ergangenen Urteile seien aufzuheben. Zur Verhandlung und Entscheidung über die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland sei das Verfahren an das Arbeitsgericht zurück zu verweisen. Die wahre Beklagte sei die Bundesrepublik Deutschland als Prozessstandschafterin für das Vereinigte Königreich.
Die unzutreffende Bezeichnung der beklagten Partei sei unschädlich. Sie könne mit der Folge berichtigt werden, dass die Bundesrepublik Deutschland von Beginn an als Beklagte anzusehen sei.
Bei äußerlich eindeutiger aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung sei grundsätzlich diejenige Person angesprochen, die nach der Rechtslage die Richtige ist und erkennbar gemeint sein soll.
Eine ungenaue oder erkennbare falsche Parteienbezeichnung kann jederzeit von Amts wegen berichtigt werden. Die im Grundgesetz gewährleisteten Verfassungsgarantien verböten es, den Zugang zu Gerichten aus unsachlichen Gründen zu erschweren. Deshalb dürfe eine Klageerhebung nicht an einer unvollständigen oder fehlerhaften Bezeichnung der Parteien scheitern solange erkennbar wäre, was wirklich gewollt sei. Aus der Klageschrift und beigefügten Anlagen müsse nur eindeutig hervorgehen, welche Partei tatsächlich gemeint sei.
Die Anlagen der Klageschrift lassen eindeutig erkennen, dass der klagende Ingenieur zivile Arbeitskraft im Sinne von Art. 56 ZA-NTS ( Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatus) ist.
Dort heißt es:
Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis und aus dem Sozial-Versicherungsverhältnis unterliegen der deutschen Gerichtsbarkeit. Klagen gegen den Arbeitgeber sind gegen die Bundesrepublik zu richten. Klagen für den Arbeitgeber werden von der Bundesrepublik erhoben.
Daher sei es zweifelsfrei, dass die Klage nicht gegen das Vereinigte Königreich, sondern die Bundesrepublik Deutschland gerichtet sei. Aus den Anlagen sei ersichtlich, dass der Ingenieur zwar bei den britischen Streitkräften beschäftigt, aber den deutschen sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Regelungen unterworfen sei.
Die Bundesrepublik Deutschland nimmt jedoch nicht die Stellung der Arbeitgeberin ein. Sie tritt lediglich aufgrund des Nato-Zusatzabkommens in den Rechtsstand des Vereinigten Königreiches ein.
Das Arbeitsgericht hätte erkennen müssen, dass der Ingenieur unter keinen Umständen das Verfahren gegen das Vereinigte Königreich fortführen wollte, nachdem das Königreich auf die Prozessvertretung durch die Bundesrepublik Deutschland verwies.
Seit dem Antrag auf Berichtigung des Klageempfängers hätte das Arbeitsgericht den Prozess gegen das Vereinigte Königreich nicht fortsetzen dürfen.
Der Rechtsstreit wurde vom BAG an das Arbeitsgericht zurückverwiesen. Die bisherigen Urteile wurden aufgehoben. Da ein Verfahrensfehler vorlag, der in der Berufungsinstanz nicht korrigiert werden konnte, hätte bereits das LAG das Verfahren an das Arbeitsgericht zurückverweisen müssen. Der Verfahrensfehler bestand darin, dass das Arbeitsgericht die Klageschrift nicht an die Bundesrepublik Deutschland zustellte. Die Entscheidung des Arbeitsgerichtes betraf nicht die richtigen Parteien.