Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.05.2014, Aktenzeichen 1 ABR 50/12
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen nach § 99 Abs. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) beruht auf der Art der betrieblichen Eingliederung der Beschäftigten. Es muss nicht berücksichtigt werden in welchem tatsächlichen Rechtsverhältnis die Beschäftigten zum Betriebsinhaber stehen.
Ein Transportunternehmen hatte einen Teil seiner Dienstleistungen an eine Logistik GmbH ausgelagert. Die Logistik GmbH erbrachte diese Leistungen mit angemieteten Fahrzeugen ihrer Auftraggeberin. Die Fahrer beider Unternehmen trugen einheitliche Dienstkleidung.
Arbeitnehmer und Fahrzeuge der Logistik GmbH waren in den Dienstplänen der Auftraggeberin aufgeführt. Die Fahrer der Logistik GmbH nutzten Betriebstankstelle und Sozialräume der Auftraggeberin und erhielten von Ihr Anweisungen in unvorhergesehenen Situationen. Tagesberichte und Tachoscheiben standen unter Kontrolle der Auftraggeberin.
Nach Ansicht des Betriebsrats der Auftraggeberin habe er beim Einsatz der Fahrer der Logistik GmbH ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Der Betriebsrat stellte einen Feststellungsantrag beim Arbeitsgericht. Die Auftraggeberin beantragte die Abweisung des Antrages.
Der Antrag wurde vom Arbeitsgericht bestätigt und vom Landesarbeitsgericht (LAG) abgewiesen.
Der Betriebsrat beantragte mit seiner Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts.
Nach Rechtsauffassung des BAGs sei die Beschwerde des Betriebsrats sei begründet. Mit der vom LAG erteilten Begründung könne der Antrag nicht abgewiesen werden. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts aus § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sei vom LAG zu Unrecht verneint worden.
Das BAG könne jedoch anhand der vom LAG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Einsätze der Fahrer der Zustimmung des Betriebsrats bedürften, weil sie in den Betrieb der Auftraggeberin eingegliedert werden.
Der Beschluss des LAG wurde aufgehoben und zur neuen Anhörung und Entscheidung an das LAG zurück verwiesen.
Das BAG führte aus, dass der Betriebsrat die Feststellung begehre, der Einsatz der Fahrer der Logistik GmbH gelte als Einstellung und unterliege seinem Mitbestimmungsrecht. Der Antrag sei jedoch nicht als Globalantrag zu verstehen, sondern beziehe sich auf die Einsätze der Logistik GmbH, die für die Auftraggeberin ausgeführt werden.
Der Betriebsrat nehme das Mitbestimmungsrecht für jeden tatsächlichen Einsatz der Fahrer der Logistik GmbH, der für die Auftraggeberin ausgeführt wird, in Anspruch, unabhängig von Häufigkeit und Dauer.
Das BAG erläuterte, der Betriebsrat könne die Frage der Mitbestimmung durch einen abstrakten Feststellungsantrag stellen, losgelöst vom konkreten Einzelfall.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG habe die Arbeitgeberin in Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Einstellung zu unterrichten und dessen Zustimmung einzuholen.
Für das Recht auf Mitbestimmung komme es auf die Eingliederung der Beschäftigten an, nicht auf die Art des Rechtsverhältnisses zwischen Beschäftigten und Betriebsinhaber. Eine Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG setze nicht notwendig die Begründung eines Arbeitsverhältnisses voraus. Rechtsverhältnis könne auch ein Dienstvertrag oder Werksvertrag sein oder ganz fehlen.
Arbeitnehmer gelten als eingegliedert, wenn eine weisungsgebundene Tätigkeit verrichtet wird, die von der Arbeitgeberin organisiert wird und die Arbeitgeberin die Entscheidung über den Einsatz nach Inhalt, Ort und Zeit treffe.
Für die Betrachtung einer Eingliederung sei es jedoch unerheblich, ob beide Unternehmen Transportaufgaben durchführten und für die Durchführung der Arbeiten gemietete Fahrzeuge der Auftraggeberin genutzt würden. Auch das gleiche äußere Erscheinungsbild der Fahrzeuge sei unerheblich. Ausschlaggebend sei, ob die Auftraggeberin zumindest teilweise die für ein Arbeitsverhältnis typischen Weisungen auch gegenüber den Fahrern der Logistik GmbH erteile.
Das LAG habe nicht ausreichend gewürdigt, dass in den Dienstplänen nicht nur die Mitarbeiter der Auftraggeberin, sondern auch die Fahrer der Logistik GmbH namentlich aufgeführt seien. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Schichtpläne mit der Logistik GmbH koordiniert würden. Mit den Dienstplänen habe die Auftraggeberin zumindest teilweise das Direktionsrecht bezüglich Inhalt, Ort, Zeit und Arbeitsleistung übernommen. Das spreche für die Annahme einer betriebsverfassungsrechtlich relevanten Arbeitgeberstellung der Auftraggeberin gegenüber den von der Logistik GmbH eingesetzten Arbeitnehmern.
Für eine Sachentscheidung fehlten noch Feststellungen über das Zustandekommen von Dienstplänen und über den Einsatz von Arbeitnehmern beider Unternehmen für die Transportfahrten.
Das LAG werde bei einer erneuten Anhörung berücksichtigen müssen:
Es sei zu ermitteln, welche vertraglichen Vereinbarungen bezüglich der Transportleistungen zwischen beiden Unternehmen getroffen seien und ob die Mitarbeiter der Logistik GmbH auf Veranlassung der Auftraggeberin Leistungen über diesen Vertrag hinaus zu erbringen hätten. Der Rahmenvertrag dafür läge nicht vor.
Es bedürfe näherer Feststellungen bezüglich der Dienstpläne. Teilweise seien die Fahrer der Logistik GmbH namentlich benannt, teilweise sei nur der Firmenname eingetragen. Eventuell müsste eine differenzierte Betrachtung der Dienstpläne erfolgen.
Es sei auch die Verfahrensweise bei unvorhergesehenen Situationen zu beurteilen. Gäbe die Auftraggeberin direkte Anweisungen an die Fahrer der Logistik GmbH, so spräche das für eine Weisungsbefugnis und tatsächliche Arbeitgeberstellung der Auftraggeberin.
Weiterhin sei zu klären ob die Nutzung von Betriebstankstelle, Sozialräumen und das Tragen einheitlicher Dienstkleidung auf Anweisungen der Auftraggeberin beruht.
Zu berücksichtigen sei auch, dass die Anordnung gegenüber den Fahrern der Logistik GmbH Tagesberichte zu führen, sowie die Pflicht zur Abgabe der Tachoscheiben ein Indiz für eine Eingliederung sei.