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Videoüberwachung einer kranken Mitarbeiterin – Persönlichkeitsrecht verletzt

Überwachung kranker Mitarbeiter kann Persönlichkeitsrecht verletzen

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.Februar 2015, Aktenzeichen 8 AZR 1007/13

Wird ein Arbeitnehmer wegen Verdachts einer vorgetäuschten Krankheit durch einen von der Arbeitgeberin beauftragten Detektiv überwacht, ist das rechtswidrig, wenn der Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht.

Eine Sekretärin hatte eine Meinungsverschiedenheit mit ihrem Vorgesetzten. Zwei Wochen später war sie zunächst wegen einer Bronchialerkrankung arbeitsunfähig erkrankt. Es schlossen sich nahtlos 5 weitere krankheitsbedingte ärztliche Bescheinigungen an und deckten insgesamt einen Zeitraum von rund zwei Monaten ab. Die ersten vier Bescheinigungen im Verlauf des ersten Monats stammten von einem Facharzt für Allgemeinmedizin. Im zweiten Monat bescheinigte eine Fachärztin für Orthopädie.

Der Geschäftsführer bezweifelte den zuletzt telefonisch mitgeteilten Bandscheibenvorfall und ließ die Mitarbeiterin von einem Detektiv in der zweiten Hälfte des zweiten Krankheitsmonats an insgesamt 4 Tagen überwachen.

Der von Detektiv erstellte Überwachungsbericht enthielt 11 Bilder, 9 davon aus Videoaufnahmen.
Auf einer Aufnahme war die Sekretärin bei einem Besuch eines Waschsalon zu sehen. Dort trug sie einen gefüllten Waschkorb und später einen Wäschesack zum Auto und lud diese ein.

Die Arbeitgeberin kündigte am letzten Tag des zweiten Monats in Folge der Überwachung fristlos und ersatzweise ordentlich fristgerecht. Nachdem die Sekretärin nach der Kündigung nicht der Aufforderung folgte, innerhalb von 24 Stunden die dienstlichen Schlüssel zurückzugeben, mahnte die Arbeitgeberin ab und kündigte ein weiteres Mal fristlos.

Vor dem Arbeitsgericht Münster (Urteil vom 11.01.2013, Aktenzeichen 4 Ca 455/12) klagte die Sekretärin gegen die beiden Kündigungen. Später erweiterte sie die Klage um Zahlungsanträge für Schmerzensgeld wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte sowie für Arbeitsentgelt. Die Arbeitgeberin hingegen klagte auf Ersatz der Detektivkosten.

Die Sekretärin hielt die Beauftragung ihrer Beobachtung einschließlich der erstellten Videoaufnahmen für rechtswidrig und forderte ein Schmerzensgeld. 3 Monatsgehälter (10 500 €) seien angemessen, doch die genaue Höhe sollte das Gericht bestimmen. Sie habe erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten, die einer ärztlichen Behandlung bedurften.

Das Arbeitsgericht stellte fest, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigungen nicht aufgelöst worden. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen, ebenso die Gegenklage der Arbeitgeberin. Das Arbeitsgericht ging davon aus, dass die Sekretärin tatsächlich arbeitsunfähig krank war, so wie ärztlich bescheinigt. Um Zweifel auszuräumen, wäre nach Ansicht des Arbeitsgerichts die Beauftragung des medizinischen Dienstes kompetenter und kostengünstiger als ein Detektiv gewesen.

Die Sekretärin legte vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm Revision ein und begehrte weiterhin Schmerzensgeld in Höhe von drei Monatsgehältern, überließ die Festlegung der Höhe aber ausdrücklich dem Gericht.

Das LAG Hamm gab der Revision der Sekretärin statt. Das Urteil des Arbeitsgerichtes wurde teilweise abgeändert. Das LAG sprach ein Schmerzensgeld in Höhe von 1 000 Euro zu. (Urteil vom 11.07.2013, Aktenzeichen 11 Sa 312/13)

Das LAG begründete, die Videoaufnahmen im Rahmen der Krankheitskontrolle seien rechtswidrig im Sinne von § 32 Abs. 1 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz). Die Sekretärin sei schwerwiegend in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt worden.

Die Revision beider Parteien vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) blieb erfolglos.

Die Observation einschließlich der Videoaufnahmen sei rechtswidrig. Für die Arbeitgeberin gab es keinen Anlass für die Überwachung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei nicht dadurch beeinträchtigt, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten. Dass der Bandscheibenvorfall zunächst vom Hausarzt behandelt worden sei und sich das Krankheitsbild geändert habe, sei ebenfalls kein Grund für Zweifel.

Das BAG sah keinen Anlass, die Höhe des Schmerzensgeldes zu korrigieren.