3-wöchige Frist für Kündigungsschutzklage darf nicht unterlaufen werden
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.09.2014, Aktenzeichen 2 AZR 788/13
Zur Einreichung einer Kündigungsschutzklage gilt eine gesetzlich geregelte Frist von 3 Wochen. Wird ein Arbeitnehmer damit überrascht, auf diese Frist ohne Gegenleistung zu verzichten, ist diese Regelung unwirksam.
Ein Bauwerker wurde durch einen Arbeitsunfall arbeitsunfähig. Nach rund 1,5 Jahren wurde er als aus der Rehabilitation entlassen und galt als arbeitsfähig. Anschließend befand er sich im Einverständnis mit der Arbeitgeberin für 6 Wochen im Erholungsurlaub. In den letzten 18 Tagen des Erholungsurlaubs war der Bauwerker arbeitsunfähig erkrankt.
Die Arbeitgeberin stellte ihm noch während der Krankheitszeit die Kündigung zu.
Der Bauwerker erhob gegen die Kündigung eine Kündigungsschutzklage. Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Er beantragte festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Arbeitgeberin nicht beendet wurde und die Verurteilung der Arbeitgeberin ihn zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.
Die Arbeitgeberin beantragte die Abweisung der Klage. Der Bauwerker hätte selbst um die Kündigung gebeten. Er habe direkt nach der Übergabe der Kündigung eine Ausgleichsquittung unterschrieben und damit auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Die formale und inhaltliche Gestaltung der Ausgleichsquittung ließ vorrangig darauf schließen, dass lediglich die Übergabe von Arbeitspapieren bestätigt werden sollte.
Der Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage war zwar in der Ausgleichsquittung eindeutig formuliert aber nicht vom übrigen Text abgegrenzt. Wörtlich war formuliert:
„Eine Kündigungsschutzklage werde ich nicht erheben; eine bereits erhobene Kündigungsschutzklage werde ich unverzüglich zurücknehmen.“
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht (LAG) gab der Klage statt. Mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) strebte die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der Rechtsprechung des Arbeitsgerichts an.
Das BAG bestätigte die Entscheidung des LAG, der Kündigungsschutzklage stattzugeben. Der in der Ausgleichsquittung erklärte Verzicht auf die Kündigungsschutzklage sei unwirksam.
Der Klageverzicht sei eine überraschende Klausel, die gemäß § 305c Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) nicht Bestandteil der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien geworden ist. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sei die Klausel unwirksam.
Der in der Ausgleichsquittung formulierte Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage sei eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. BGB. Die vorformulierte Ausgleichsquittung sei ganz offensichtlich für die Mehrfachverwendung vorgesehen.
Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen sind gemäß § 305c Absatz 1 BGB nicht Vertragsbestandteil, falls sie so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner nicht mit ihnen zu rechnen braucht.
Die Gestaltung der Ausgleichsquittung würde keinen Hinweis darauf liefern, dass auf das Recht der Kündigungsschutzklage verzichtet werden soll. Der Verzicht wurde nicht einmal optisch hervor gehoben und nicht in einem separaten Absatz aufgeführt.
Der Verzicht auf die Kündigungsschutzklage in einem Formular sei zudem nach § 307 Abs. Satz 1 unwirksam. Die Arbeitgeberin habe versucht, ihre Rechtsposition ohne Rücksicht auf die Interessen des Arbeitnehmers zu verbessern. Mit dem Verzicht wollte sie dem Bauwerker die Möglichkeit entziehen, die Rechtswirksamkeit der Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Dieser Verzicht wirke einseitig zulasten des Arbeitnehmers.
Mit dem Verzicht sei von einer gesetzlichen Regelung abgewichen worden. Mit der Regelung in § 4 Satz 1 iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) wird Arbeitnehmern die Chance gegeben innerhalb einer Frist von drei Wochen zu überlegen ob sie eine Kündigungsschutzklage einreichen möchten. Die Arbeitgeberin soll mit dieser Frist davor geschützt werden, sich nach der vom Gesetzgeber bestimmten Frist von 3 Wochen noch weiter mit der Frage auseinandersetzen zu müssen, ob es zu einer Kündigungsschutzklage kommen könnte. Es soll aber für Arbeitnehmer auch keine Einschränkung der Frist geben, damit diese ihre Rechte wahrnehmen können.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung sei unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren.
Dass der Arbeitnehmer um seine Kündigung bat, bedeute nicht zwangsläufig, dies sei sein Wunsch. Vielmehr könne er den Wunsch seiner Kündigung geäußert haben, nachdem man ihm seitens der Firma nahelegte, keine Verwendung mehr für ihn zu haben. Der vom Bauwerker geäußerte Wunsch, möglichst schnell Arbeitslosengeld zu erhalten, zeige lediglich auf, warum er selbst nicht gekündigt habe.
Das LAG habe zu recht angenommen, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, da sie nicht in der Person des Bauwerkers liege und damit unwirksam sei. Das LAG ging davon aus, die Arbeitgeberin habe eine negative Prognose des Krankheitsverlaufs nicht ausreichend dargelegt. Die Kündigung sei auch unverhältnismäßig, da mit dem Bauwerker eine Wiedereingliederung vereinbart gewesen sei.