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Kein Rechtsanwalt für betriebliches Eingliederungsmanagment

Betriebliches Eingliederungsmanagement ohne Rechtsanwalt

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 13.November 2014, Aktenzeichen 15 Sa 979/14

Für die Durchführung des Verfahrens zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM-Verfahren) § 84 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX (Sozialgesetzbuch 9) besteht kein Anspruch auf die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.

Ein langjährig Beschäftigter war zu einem Grad von 70% schwerbehindert. Zur Schwerbehinderung zählte unter anderem die Einschränkung seiner kognitiven Fähigkeiten. Diese Einschränkung mache es ihm unmöglich das geplante Eingliederungsverfahren ohne seinen Rechtsanwalt durchzuführen.

Der Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter wandte sich mit einem Schreiben an die Arbeitgeberin und verlangte die Einleitung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements. Die Arbeitgeberin übermittelte daraufhin per E-Mail, das BEM-Gespräch finde am folgenden Tag statt. Als Beteiligte seien neben dem Schwerbehinderten seine Ehefrau, die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebsrat eingeladen. Die Arbeitgeberin stellte im gleichen Schreiben klar, dass sie das BEM-Gespräch nicht unter Beteiligung des Prozessbevollmächtigten führen werden.

Mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht Iserlohn begehrte der Schwerbehinderte die Einleitung und Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements unter Beteiligung seines Prozessbevollmächtigten. Wegen seiner Krankheit und insbesondere der Einschränkung seiner kognitiven Fähigkeiten sei er nicht hinreichend in der Lage sich selbst ausreichend umfassend zu vertreten. Die Hinzuziehung des Rechtsanwalts sei zur Ausübung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts notwendig.

Die Arbeitgeberin beantragte, die Klage abzuweisen. Nach Ansicht der Arbeitgeberin bestehe kein Anspruch auf Durchführung eines BEM-Gesprächs unter Teilnahme eines Rechtsanwalts. Ein Rechtsanwalt sei keine an einem BEM-Verfahren zu beteiligende Person. Der Schwerbehinderte habe die Teilnahme am BEM-Gespräch nach der Einladung verweigert.

Das Arbeitsgericht Iserlohn wies die Klage ab. Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm verfolgte der Schwerbehinderte seinen Antrag weiter. Im Antrag wurde der Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter und Beistand benannt.

Das LAG urteilte, die Berufung sei unbegründet. Es bestehe kein Anspruch auf die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Rahmen eines Präventionsverfahren nach § 84 Abs.1 SGB IX.

Die Arbeitgeberin habe den gesetzlich geregelten Anspruch auf ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement durch ihre Einladung zum BEM-Gespräch erfüllt und den Betriebsrat als zuständige Interessenvertretung sowie die Schwerbehindertenvertretung in die Einladung einbezogen.

Das BEM-Verfahren sei gesetzlich nicht weiter geregelt und lasse den Beteiligten jeglichen Spielraum. Damit bestehe zwar die Möglichkeit für den Arbeitnehmer, eine Person seines Vertrauens, die auch ein Anwalt sein könnte, einzubeziehen. Ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch darauf bestehe jedoch nicht.

Im BEM-Verfahren könnten sämtliche Beteiligte Lösungsvorschläge oder sinnvoll erscheinende Aspekte einbringen. Die Arbeitgeberin könne das BEM-Gespräch nicht erzwingen und in dessen Verlauf keine einseitigen Maßnahmen treffen. Deshalb sei nicht ersichtlich, warum es auf der Arbeitnehmerseite der Teilnahme eines Rechtsanwalts bedürfe. Die Teilnahme der vom Gesetz vorgesehenen Beteiligten sei zur Erreichung des angestrebten Zieles ausreichend.

Hingegen sollte Arbeitnehmern die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bei grundlegenden Änderungen des Arbeitsvertrages oder möglicher Kündigung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht werden.

Das BEM-Gespräch verfolge den Zweck, der Gefährdung des Arbeitsverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen möglichst frühzeitig vorzubeugen. Eine rechtsverbindliche, inhaltliche Änderung des Arbeitsverhältnisses sei damit nicht verbunden.

Lediglich falls die Arbeitgeberin die BEM-Gespräche unter Begleitung eines Rechtsvertreters, wie etwa einen Vertreter des Arbeitgeberverbandes Metall durchführen würde, wäre die Vertretung des Arbeitnehmers durch einen Rechtsanwalt gerechtfertigt.

Die nicht näher benannten eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten des Schwerbehinderten seien ebenfalls kein Grund einen Rechtsanwalt zu beteiligen. Die Arbeitgeberin habe die Frau des Schwerbehinderten eingeladen, die bei einer Überforderung durch das Gespräch hilfreich eingreifen könnte.

Im BEM-Gespräch gehe es nicht um existentielle, grundlegende Angelegenheiten und es sei auch nicht davon auszugehen, dass das Gespräch über einen längeren Zeitraum geführt würde. Der Zweck des BEM-Gesprächs sei im Rahmen von Gesundheitsprävention die Überwindung und Vorbeugung von Arbeitsunfähigkeit.