Verjährung des Vergütungsanspruches für einen betrieblichen Verbesserungsvorschlag
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.12.2015, Aktenzeichen 9 AZR 431/13
Wird in einer Betriebsvereinbarung die Verjährung von Vergütungsansprüchen für Verbesserungsvorschläge festgelegt, kann eine Vergütung nicht später nachwirkend geltend gemacht werden.
Zwei Ingenieure arbeiteten in einem Kraftwerk und reichten im August 1998 einen betrieblichen Verbesserungsvorschlag ein. Der Vorschlag widmete sich dem Ersatz von Kohle durch einen Ersatzbrennstoff. Es sollte eine Brennstoffmischung mit einem deutlich höheren Brennwert als die verwendete Steinkohle zum Einsatz kommen. Die Arbeitgeberin lehnte den Vorschlag nach einem Gutachten der Fachabteilung ab.
Der innerbetriebliche paritätische Bewertungsausschuss erklärte im Jahr 2000, nach einer erneuten Befragung der Fachabteilung, der Vorschlag könne aktuell nicht verwirklicht werden. Im Zuge einer Sonderregelung werde der Vorschlag mit einer Anerkennungsprämie von 4 000,- DM ausgezeichnet. Der paritätische Ausschuss war zur Hälfte mit Mitgliedern des Gesamtbetriebsrats und zur Hälfte mit Vorstandsmitgliedern besetzt.
Das der Absage beigefügte Sitzungsprotokoll ließ erkennen, dass zu diesem Zeitpunkt eine Arbeitsgruppe verschiedene Ersatzbrennstoffe prüfte, auch den Ersatzbrennstoff der Einreicher. Sollte der Vorschlag zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden, so würde dieser im Sinne der Betriebsvereinbarung über das betriebliche Vorschlagswesen wieder aufgenommen und erneut im Ausschuss behandelt.
Im Jahr 2002 wurde eine Versuchsanlage errichtet, um die verschiedenen Ersatzbrennstoffe zu testen. Eine reguläre, funktionstüchtige Anlage wurde im Jahr 2006 in Betrieb genommen.
Im Januar 2010 wandte sich einer der Einreicher per E-Mail an den Leiter des Kraftwerks und wies darauf hin, dass die Entscheidung über den Verbesserungsvorschlag zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen werden sollte. Er bitte um weitere Veranlassung. Eine Aufstellung über Kosten und Erlöse der Ersatzbrennstoffanlage war beigefügt.
Auf Antrag der Einreicher trat im Februar 2011 der Widerspruchsausschuss zusammen. Die Voraussetzungen für eine Prämierung seien nicht erfüllt. Der Vorschlag sei jedoch auf Grundlage der gültigen Betriebsverordnung von 1989 als Sonderleistung mit einem Betrag von 100 000 Euro zu würdigen. Der Betrag wurde an die beiden Ingenieure hälftig ausgezahlt.
Die beiden Ingenieure gaben sich damit nicht zufrieden. Die in Betrieb genommene Anlage gehe auf ihren Verbesserungsvorschlag aus dem Jahr 1998 zurück. Der errechnete Nutzen aus dem Vorschlag ergebe unter Abzug der bereits erhaltenen Prämien einen Betrag von mehr als 1,8 Mill. Euro. Da der Prämienanspruch erst mit Schreiben vom 28. Februar 2011 festgelegt wurde, seien die Ansprüche erst zu diesem Zeitpunkt entstanden bzw. fällig gewesen. Deshalb könne sich die Arbeitgeberin nicht auf die 5-jährige Verjährungsfrist der Betriebsvereinbarung berufen. Sie habe im Jahr 2000 die erneute Prüfung zugesagt und diese erst im Jahr 2011 vorgenommen. Die Berufung auf Verjährung sei deshalb rechtsmissbräuchlich.
Die Ingenieure klagten vor dem Arbeitsgericht und verlangten die Auszahlung der Prämie entsprechend ihrer vorgelegten Berechnung.
Die Arbeitgeberin hingegen vertrat die Auffassung, den beiden Ingenieuren stünden keine Prämienansprüche zu. Die Entscheidung des Widerspruchsausschusses sei ein Schiedsgutachten, das gerichtlich nur beschränkt überprüfbar sei. Die Sonderzahlung stelle keinen Verjährungsverzicht dar. Es wurde kein prämierbarer Verbesserungsvorschlag angenommen. Stattdessen erfolgte die Sonderzahlung.
Das Schreiben zur erneuten Prüfung aus dem Jahr 2000 sei nicht in der Lage die 5-jährige Verjährungsfrist aufzuheben. Das Schreiben habe keine Zusage zur zeitlich unbegrenzten Nachprämierung enthalten. Mögliche Prämienansprüche seien zudem nach den Fassungen der Betriebsvereinbarung aus den Jahren 2009 und 2011 auf einen Betrag von maximal 150 000 Euro begrenzt.
Das Arbeitsgericht gab der Klage im Wesentlichen statt. Das Landesarbeitsgericht ändert auf Berufung der Arbeitgeberin das Urteil teilweise ab. Unter Anwendung der Höchstbetragsgrenze in der Betriebsvereinbarung 2011 sprach es lediglich rund 48 000 Euro zu.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, die Klage sei unbegründet. Den Ingenieuren hätten keinen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung einer Prämie für ihren Verbesserungsvorschlag. Der Anspruch sei jedenfalls verjährt. Der Lauf der Verjährungsfrist habe mit dem Ablehnungsschreiben aus dem Jahr 2000 begonnen.
Maßgeblich sei die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1989. Die beiden nachfolgenden Betriebsvereinbarungen sahen in ihren Schlussbestimmungen vor, dass vor ihrem Inkrafttreten eingereichte Verbesserungsvorschläge nach der zum damaligen Zeitpunkt gültigen BV zu behandeln seien.
Mit dem ablehnenden Schreiben aus dem Jahr 2000 und dem Versprechen auf nochmalige Prüfung sei nicht die 5-jährige Verjährungsfrist aufgehoben worden. Die Verjährungsfrist sei mit dem ablehnenden Schreiben eingeleitet worden.
Mit der Zusammensetzung des paritätischen Bewertungsausschusses ergebe sich, dass die Betriebsparteien eine umfassende gerichtliche Überprüfung nicht gewollt hätten. Der paritätische Bewertungsausschuss solle verbindliche Festlegungen zu Angelegenheiten treffen, die besser betriebsnah als von Außenstehenden bewertet werden könnten. Es handele sich um eine Schiedsgutachtenvereinbarung.
Die Ingenieure hätten die ablehnende Entscheidung des paritätischen Bewertungsausschusses im Jahr 2000 einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen lassen und Zahlungsklage erheben können.
Zwischen Vertragsparteien dürfe der Empfänger einer Erklärung nicht für unabsehbare Zeit den Vertragspartner im Zweifel darüber lassen, ob er die getroffene Festlegung billige. Für die Arbeitgeberin bestand nach der für sie günstigen Entscheidung des paritätischen Bewertungsausschusses keine Notwendigkeit und auch keine rechtliche Möglichkeit auf die Entscheidung Einfluss zu nehmen. Mit der Vorlage des Schiedsgutachtens aus dem Jahr 2000 sei die Verjährungsfrist ausgelöst worden und zum Ende des Jahres 2004 abgelaufen.
Der abgelehnte Vorschlag wurde nicht innerhalb von 5 Jahren, so wie es die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1989 verlangte, verwirklicht.