Betriebsratsmitglieder unterliegen Geheimhaltungspflicht
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 23.01.2015, Aktenzeichen 6 TaBV 48/11
Veröffentlicht ein Betriebsratsmitglied geheimhaltungspflichtige Informationen der Arbeitgeberin und erklärt dies auch zukünftig zu tun, ist sein Ausschluss aus dem Betriebsrat auch dann gerechtfertigt, wenn der Verstoß aus der vorigen Amtszeit des Betriebsrats stammt.
Ein langjähriges Betriebsratsmitglied stellte in einer Betriebsratssitzung den Antrag zur Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht. Basis des Antrags waren innerbetriebliche Äußerungen eines Geschäftsführers der Arbeitgeberin zum Verkauf von Betriebsanteilen durch die Hauptgesellschafterin. Der Antrag wurde mit Betriebsratsbeschluss abgelehnt.
In Rahmen einer gewerkschaftlichen und einer betrieblichen Veranstaltung zur anstehenden Betriebsratswahl argumentierte das Betriebsratsmitglied für seine Wiederwahl mit dem Wissen um die Anteilsverkäufe, obwohl er vor der Veranstaltung auf seine Verschwiegenheitspflicht hingewiesen wurde.
Die Arbeitgeberin beantragte beim Arbeitsgericht den Ausschluss aus dem Betriebsrat. Es ändere nichts an ihrem Begehren, dass das Betriebsratsmitglied mit deutlich erhöhtem Stimmanteil wieder gewählt wurde. Das Rechtschutzbegehren der Arbeitgeberin bleibe bestehen.
Das Betriebsratsmitglied habe vertrauliche Informationen, die es in der Betriebsratssitzung erlangte, auf einer gewerkschaftlichen und einer betrieblichen Versammlung öffentlich gemacht. Er habe die Belegschaft informiert, dass 30% der Betriebsanteile verkauft werden sollen, habe einen potentiellen Käufer namentlich benannt, eine eigene Analyse der Interessenlage hinzugefügt und somit ein Schreckensszenario an die Wand gemalt. Er habe zudem die Verschwiegenheitspflicht im Eigeninteresse zur Wahlwerbung verletzt. Die anschließenden Berichte in der Presse über die geplanten Anteilsverkäufe gingen auf die Indiskretion des Betriebsratsmitglieds zurück. Der Verhandlungsprozess sei durch das Bekanntwerden der Informationen erheblich gestört worden.
Das Betriebsratsmitglied hingegen vertritt die Auffassung, nach Einleitung der Neuwahl des Betriebsrats fehle das Rechtschutzbedürfnis der Arbeitgeberin. Zudem bestreitet er, gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen zu haben.
Das Arbeitsgericht Oberhausen wies den Antrag der Arbeitgeberin zurück. Ein Betriebsrat, dessen Amtszeit geendet habe, könne nicht mehr aufgelöst werden. Das gelte auch für den Ausschluss eines Betriebsratsmitgliedes nach Ablauf der Amtszeit. Vom Gesetzgeber sei bewusst keine Regelung über den Verlust oder den Entzug der Wählbarkeit getroffen worden. Diese gesetzliche Wertung würde missachtet, wenn das Betriebsratmitglied wegen einer Pflichtverletzung aus der vorhergehenden Amtszeit ausgeschlossen werden könnte.
Die Arbeitgeberin legte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Eine Pflichtverletzung, die so gravierend sei, dass sie in die nächste Amtsperiode hineinwirke, rechtfertige den Ausschluss des neu gewählten Betriebsratsmitgliedes. Die Vertrauensbeziehung sei gestört. Die Arbeitgeberin müsse zukünftig weiterhin damit rechnen, dass das Betriebsratsmitglied Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse preisgeben werde.
Das LAG bestätigte den Ausschluss des Betriebsratsmitgliedes.
Ein Betriebsratsmitglied könne auf Antrag der Arbeitgeberin aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden, wenn es seine gesetzlichen Pflichten, die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergeben, grob verletzt. Die Verletzung müsse objektiv erheblich und schwerwiegend sein.
Das Betriebsratsmitglied habe gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen und Geschäftsgeheimnisse verraten.
Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) sind Mitglieder des Betriebsrats verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten.
Dass der Geschäftsführer auf einer vorhergehenden Betriebsversammlung auf Nachfrage des Betriebsratsmitgliedes erklärt hat, ein Verkauf von Anteilen könne nicht ausgeschlossen werden, sei eine abstrakte Aussage, die nicht die Führung konkreter Verhandlungen einräumte. Es sei auch kein potentieller Käufer genannt worden. Durch Bekanntgabe von Informationen über konkrete Verkaufsverhandlungen hätten durch die öffentlichen Reaktionen, vor allem der Medien, die Verkaufsverhandlungen beeinträchtigt werden können. Eine Gefährdung des Betriebsablaufs durch interne Unruhe in der Belegschaft sei ebenfalls zu erwarten gewesen. Die Arbeitgeberin habe die Informationen ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet.
Das Betriebsratsmitglied sei auszuschließen, obwohl der Verstoß aus der vorigen Amtszeit des Betriebsrats stammt.
Das LAG fand in der Rechtsprechung keine eindeutige Linie, ob ein Betriebsratsmitglied wegen einer Verfehlung aus der vorherigen Amtsperiode ausgeschlossen werden könne. Im vorliegenden Fall sei der Verstoß jedoch schwerwiegend und fand unmittelbar vor den Neuwahlen statt. Der Verstoß hatte unmittelbare Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat.
Die grobe Pflichtverletzung des Betriebsratsmitglieds wirke sich auf die Durchführung der Betriebsverfassung im Betrieb der Arbeitgeberin aus. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat sei ausgeschlossen, solange das Betriebsratsmitglied amtiere. Solange nicht sichergestellt sei, dass sich Betriebsratsmitglieder an ihre Verschwiegenheitspflicht halten, sei nicht zu erwarten, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat vertrauliche und geheim zu haltende Informationen übermittelt.
Deshalb wirke sich das Verhalten des Betriebsratsmitglieds direkt auf die laufende Zusammenarbeit der Betriebsparteien aus, da es sich auch zukünftig nicht an seine Verschwiegenheitspflicht halten wolle.
Der Arbeitgeberin könne angesichts dieser Ankündigung nicht zugemutet werden, dem Betriebsrat Dienst- und Geschäftsgeheimnisse anzuvertrauen und erst nach erneutem Verstoß des Betriebsratsmitgliedes ein Ausschlussverfahren einzuleiten.
Die Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil wurde zugelassen.