Befragung sachkundiger Mitarbeiter durch den Betriebsrat ohne Arbeitgeberin
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.01.2015, Aktenzeichen 1 ABR 25/13
Sachkundige Mitarbeiter dürfen vom Betriebsrat ohne Beisein der Arbeitgeberin oder beauftragten Personen befragt werden.
Der Betriebsrat eines Krankenhauses beschloss, einen externen Sachverständigen für die Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Anwendung der Informationstechnik zu beauftragen. Die Arbeitgeberin lehnte dieses Begehren ab, da im eigenen Betrieb genügend Fachleute zur Verfügung stünden.
Der Betriebsrat beabsichtigte nun, sachkundige Auskunftspersonen nach § 80 Abs. 2 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) einzubeziehen. Er informierte die Arbeitgeberin und bat um Freistellung der benannten Beschäftigten.
Zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Anwesenheit des Verwaltungsdirektors bei der Befragung der ausgewählten Beschäftigten.
Der Betriebsrat vertrat die Ansicht, er sei berechtigt, die Befragung der sachkundigen Auskunftspersonen ohne die Anwesenheit weiterer Personen durchführen zu können.
Der Betriebsrat beantragte beim Arbeitsgericht, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat sachkundige Auskunftspersonen nach § 80 Abs. 2 BetrVG zur Befragung zur Verfügung stellt, ohne die Anwesenheit weiterer Personen.
Das Arbeitsgericht lehnte das Begehren des Betriebsrats ab. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die vom Betriebsrat gegen das Urteil erhobene Beschwerde zurück. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte der Betriebsrat sein Begehren weiter.
Das BAG entschied, der Antrag des Betriebsrats sei berechtigt. In Auslegung von § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG könne der Betriebsrat verlangen, eine Anhörung sachkundiger Mitarbeiter ohne Anwesenheit anderer Personen durchzuführen.
Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats notwendig ist, habe die Arbeitgeberin sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen. Dabei habe die Arbeitgeberin die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit dem keine betrieblichen Notwendigkeiten entgegenstehen.
Das Betriebsverfassungsgesetz enthält keine Aussage darüber, ob anwesende Personen bei der Befragung vom Betriebsrat geduldet werden müssen. Die gesetzliche Systematik spreche jedoch für die Sichtweise des Betriebsrats.
Die sachgerechte Wahrnehmung der Interessen setzte für Arbeitgeberin und Betriebsrat voraus, dass sie unabhängig voneinander ihre Meinung bilden können. Dieser Grundsatz drücke sich beispielsweise in § 30 Satz 4 BetrVG aus. Die dort gebotene Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen soll den anwesenden Betriebsratsmitgliedern eine Willensbildung frei von Einflüssen Dritter ermöglichen.
Selbst die Arbeitgeberin hat nur das Recht zur Teilnahme an Betriebsratssitzungen, die auf ihr Verlangen einberufen wurden, oder zu denen sie eingeladen wurde. Davon ausgeschlossen sei jedoch die der Beschlussfassung vorhergehende Aussprache sowie die Beschlussfassung des Betriebsrats.
Der Betriebsrat könne auch ohne Einbeziehung der Arbeitgeberin Arbeitnehmer an deren Arbeitsplätzen aufsuchen und sich über deren Arbeitsbedingungen informieren. Auch das Gutachten eines Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG müsse der Arbeitgeberin nicht eröffnet werden.
Im Gegenzug sei der Betriebsrat nicht berechtigt an Besprechungen der Arbeitgeberseite teilzunehmen, in denen sich eine betriebsverfassungsrechtliche Willensbildung vollzieht.
Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin bestünden keine wechselseitigen Unterrichtungsansprüche über den Kenntnisstand der anderen Seite.
Die Vermittlung von Fachwissen durch innerbetriebliche Fachkräfte sei Teil der Willensbildung des Betriebsrats. Die Anwesenheit der Arbeitgeberseite stünde einer freien, unabhängigen Meinungsbildung entgegen. Bei Anwesenheit würde die Arbeitgeberin darüber Erkenntnis erlangen, welches Wissen aus Sicht des Betriebsrats erforderlich sei, um sachgerecht über eine mögliche Aufgabenwahrnehmung zu befinden. Zudem wäre auch der unbefangene Meinungsaustausch unter den Betriebsratsmitgliedern bei der Befragung sachkundiger Mitarbeiter beeinträchtigt.
Der Arbeitgeberin stünde es frei, im Rahmen ihres Weisungsrechts die Befragung auf die mit dem Betriebsrat vereinbarten Inhalte zu beschränken. Die Arbeitgeberin könne Gegenstand und Umfang der zu erteilenden Auskünfte bestimmen. Die Arbeitnehmer seien damit bei der Beantwortung von Fragen gebunden.
Der Betriebsrat ist berechtigt, innerbetriebliche Befragungen sachkundiger Mitarbeiter nach § 80 Abs. 2 BetrVG ohne Anwesenheit weiterer Personen durchzuführen.