Betriebliche Mitbestimmung bei der Lohngestaltung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.02.2015, Aktenzeichen 4 AZR 778/13
Der Betriebsrat hat nach dem Betriebsverfassungsgesetz ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht.
Ein Kommunikationselektroniker beanspruchte von seiner Arbeitgeberin eine Differenzvergütung für einen Zeitraum von 6 Jahren, die er mit der Forderung auf eine rückwirkend höhere Lohneinstufung begründete.
Zunächst wurde der Kommunikationselektroniker als Netzüberwacher bei einer Vorgängerin der Arbeitgeberin in der Gehaltsgruppe C eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt galt eine Gesamtbetriebsvereinbarung für Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze (GBV). Dort wurden unter anderem Regelungen zur Eingruppierung nach Gehaltsgruppen und Gehaltsbändern festgelegt. Die Tätigkeit des Kommunikationselektronikers wurde demnach als Feldinstandhalter den Gehaltsgruppen C bis E zugeordnet. Mit Änderungsvertrag vom September 2003 wurde der Kommunikationselektroniker als Feldinstandhalter in der Gehaltsgruppe C angestellt. Im März 2007 übernahm die Arbeitgeberin Betriebe, Betriebsteile und Nebenbetriebe von ihrer Vorgängerin. Damit gingen die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter auf die Arbeitgeberin über.
In einem Schreiben vom Dezember 2009 an den Gesamtbetriebsrat erklärte sich die Arbeitgeberin bereit, gegenüber Arbeitnehmern, die als Feldinstandhalter beschäftigt sind, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, soweit es um Ansprüche einer möglichen rückwirkenden Umgruppierung aus dem Jahr 2006 gehe. In einem weiteren Schreiben von Mai 2011 wurde dieser Verzicht bekräftigt.
Im Oktober 2011 versuchte der Kommunikationselektroniker vergeblich, Gehaltsansprüche seit dem Jahr 2006 auf Basis der Gehaltsgruppe E bei der Arbeitgeberin geltend zu machen.
Seit Jahresbeginn 2012 erhielt er ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ein monatliches Gehalt im Wert des unteren Gehaltsbandes der Gehaltsgruppe D. Der Kommunikationselektroniker war jedoch der Auffassung, er könne den Mittelwert des Gehaltsbandes der Gehaltsgruppe D beanspruchen.
Im Dezember 2011 verfolgt der Kommunikationselektroniker seinen Anspruch mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht. Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) machte er nur noch die Differenzvergütung zum Mittelwert des Gehaltsbandes der Gehaltsgruppe D geltend.
Das Arbeitsgericht wies die Klage im Wesentlichen ab. Das LAG gab der Klage im Wesentlichen statt. Ausgenommen waren Ansprüche aus dem Jahr 2007, da diesen die erhobene Einrede der Verjährung entgegenstehe.
Die Arbeitgeberin verlangte im Rahmen der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) das Urteil des Arbeitsgerichts wieder herzustellen.
Das BAG befand, mit der Begründung des LAGs könne der Klage nicht stattgegeben werden.
Das LAG könne nicht davon ausgehen, dass die GBV zwar unwirksam sei, die in der mündlichen Verhandlung zwischen den Parteien abgegebene Erklärung, dass sie die Regelungen der GBV für die Dauer ihrer Geltung in der Vergangenheit als bindend akzeptieren, reiche jedoch aus, um der Klage überwiegend stattzugeben.
Das LAG durfte nicht ohne Weiteres von der Unwirksamkeit der GBV wegen des Tarifvorhalts nach § 77 Abs. 3 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) ausgehen. Dort ist festgeschrieben, dass Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die üblicherweise durch einen Tarifvertrag geregelt werden, nicht Bestandteil einer Betriebsvereinbarung sein können.
Der Tarifvorbehalt greife nicht für Angelegenheiten der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung könne nur dann ausgeschlossen werden, wenn eine zwingende tarifliche Regelung vorliege. Das LAG habe jedoch keine zwingende Regelung festgestellt.
Es fehle auch an der Feststellung, dass der Gesamtbetriebsrat die Gesamtbetriebsvereinbarung GBV abschließen konnte. Die GBV enthalte zwar Eingruppierungsregelungen, konkrete Gehaltshöhen oder Festlegungen zu den Gehaltsbändern seien nicht entnehmbar.
Die mündliche Vereinbarung zwischen den Parteien besagte, die Regeln der GBV als bindend zu akzeptieren. Das LAG sei jedoch von der Unwirksamkeit der GBV entsprechend § 77 Abs. 3 BetrVG ausgegangen. Deshalb sei unklar, wie das LAG in seiner Begründung die Bindung an eine unwirksame Regelung anführen könne.
Das LAG habe in seiner erneuten Bewertung zu prüfen, ob die GBV als ausreichende kollektivrechtliche Grundlage infrage komme. Es sei zu prüfen, ob die Bedingungen für die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang vorlägen. Dafür müsse beim Betriebsübergang die Identität des übernommenen Betriebes gewahrt bleiben oder ein übernommener Betriebsteil als selbständiger Betrieb weiter geführt worden sein. Andernfalls wäre von einer Transformation der Regelungen der GBV in das Arbeitsverhältnis des Kommunikationselektronikers auszugehen.
Bei einer zugunsten des Kommunikationselektronikers unterstellten Anwendbarkeit der Eingruppierungsregelungen der GBV und der Gehaltsbänder auf Grundlage der Gehaltsstruktur könne die Klage nicht abgewiesen werden. Ob der Kommunikationselektroniker die Bedingungen der Gehaltsgruppe D erfülle, könne jedoch nicht abschließend festgestellt werden. Dafür fehle es an der Gesamtbewertung der Tätigkeit.
Die Erfordernisse eines Tätigkeitsmerkmals würden regelmäßig als erfüllt angesehen, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausübe, die in der Entgeltgruppe als Regel-, Richt- oder Tätigkeitsbeispiel genannt wird.
Der Rechtsstreit sei noch nicht zur Entscheidung reif. Wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen und der Begründung zur Abweisung der Klage wurde der Vorgang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.