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Betriebsübergang bewerten

Bewertung eines Betriebsüberganges

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.01.2015, Aktenzeichen 8 AZR 139/14

Für die Bewertung eines Betriebsüberganges sind immer die Gesamtumstände zu würdigen. Es muss eine wirtschaftliche Einheit bestehen, deren Identität beim Betriebsübergang gewahrt wurde.

Ein Objektschützer war mehr als zehn Jahre lang unter verschiedenen Arbeitgebern für die Bewachung einer Hochschule tätig. Vor dem Übergang zum aktuellen Arbeitgeber war er mit einem befristeten Arbeitsvertrag angestellt. Der neue Arbeitgeber übernahm den Objektschützer und seinen Kollegen mit einem neuen Arbeitsvertrag, unbefristet mit Probezeit. Die Tätigkeit des Objektschützers blieb unverändert. Die beiden Halbzeitkräfte für den Objektschutz wurden hingegen nicht übernommen.

Zu den Bewachungsaufgaben gehörte zusätzlich, außerhalb der Dienstzeit der Mitarbeiter der Hochschule, die Telefonanlage und die Poststelle zu betreuen.

Im fünften Monat kündigte der neue Arbeitgeber außerordentlich fristlos wegen Alkoholgenuss während der Arbeitszeit und vor Dienstantritt.

Der Objektschützer legte gegen die Kündigung Klage ein und argumentierte, es fehle an einem Grund für die außerordentliche Kündigung. Das Arbeitsverhältnis sei nach § 613a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) im Wege des Betriebsteilübergangs auf den neuen Arbeitgeber übergegangen. Der Betrieb des neuen Arbeitgebers falle in den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes. Durch den Übergang bestehe das Arbeitsverhältnis deutlich länger als 6 Monate.

Der Objektschützer beantragte festzustellen, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung nicht beendet worden, sondern bestehe weiter fort.

Der Arbeitgeber argumentierte, es läge kein Betriebsteilübergang vor. Das Arbeitsverhältnis habe nicht länger als 6 Monate bestanden.

Das Arbeitsgericht gab der Klage teilweise statt, indem es feststellte, dass das Arbeitsverhältnis nicht mit sofortiger Kündigung beendet wurde, sondern 14 Tage nach der Kündigung. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) war erfolglos. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte der Objektschützer seine Klage weiter.

Das BAG entschied, mit der vom LAG erteilten Begründung hätte die Klage nicht abgewiesen werden dürfen. Die Ausführungen des LAG belegten nicht, dass kein Betriebsübergang stattgefunden habe.

Wenn eine bestehende betriebliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortgeführt wird, liegt ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang im Sinne von § 613a Absatz 1 Satz 1 BGB und europäischer Richtlinie 2001/23/EG vor.

Es muss sich um eine auf Dauer angelegte Einheit handeln, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Jede hinreichend strukturierte und selbständige Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeit mit eigenem Zweck erfülle die Anforderungen einer solchen Einheit.

Zur Beurteilung müssten sämtliche maßgebende Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören, die Art des Unternehmens, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang materieller Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Tätigkeiten vor und nach dem Übergang und der Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Tätigkeiten. Diese Umstände seien jedoch Teilaspekte und dürften nicht isoliert betrachtet werden.

 Komme es hauptsächlich au die Arbeitskraft an, könne eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotzt fehlender materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. In diesem Fall sei die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber die Tätigkeiten weiterführt und einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt.

Komme es hingegen im Wesentlichen auf die Betriebsmittel an, könne ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen. Dabei sei es ohne Bedeutung, ob das Eigentum an den eingesetzten Betriebsmitteln übertragen wurde.
 
Die bloße Fortführung einer Tätigkeit durch einen Anderen oder eine reine Auftragsnachfolge stelle hingegen keinen Betriebsübergang dar.

Nach den bisherigen Feststellungen des LAG könne nicht entschieden werden ob ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang stattgefunden habe. Das LAG habe keine Feststellung getroffen, ob es sich bei der Bewachung der Hochschule durch das Vorgängerunternehmen um eine wirtschaftliche Einheit im Sinne eines Betriebs oder Betriebsteiles handelte, der hätte übergehen können.

Für die Betrachtung der wirtschaftlichen Einheit dürfe auch nicht nur ein Teilaspekt wie etwa die Übernahme von Personal betrachtet werden, da dies einer isolierte Betrachtung gegenüber einer Gesamtbewertung entspricht. Zahl und Sachkunde des Personals müssten gemeinsam betrachtet werden.

In Bezug auf einen Betriebsübergang bestehe grundsätzlich kein Anspruch auf Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages. Der Objektschützer gehöre jedoch zu den Arbeitnehmern, die zum Zeitpunkt des Übergangs beschäftigt waren und nahtlos weiter beschäftigt wurden. Wird eine Tätigkeit ohne Unterbrechung oder Änderung fortgesetzt, stelle dies eines der gängigsten Merkmale eines Betriebsübergangs dar. Eine befristete Tätigkeit, die sich an der Laufzeit des bisherigen Arbeitgebers orientiert und auf keinem anderen Grund basiert, stehe dieser Betrachtung nicht Wege.

Da die Frage des Betriebsübergangs nicht geklärt ist, könne auch nicht beurteilt werden, ob das Arbeitsverhältnis im Sinne von § 613a BGB auf den neuen Arbeitgeber übergegangen ist und sich der Objektschützer deshalb auf das Kündigungsschutzgesetz berufen könne.

Das Urteil des LAG wurde deshalb aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das LAG verwiesen.