Schadenersatz bei falschem Versprechen zum Arbeitsvertrag
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.05.2015, Aktenzeichen 6 AZR 349/11
Eine falsche Auskunft über die Entlohnung zum Abschluss oder zur Änderung eines Arbeitsvertrages kann die Arbeitgeberin zum Schadenersatz verpflichten.
Ein Klarinettist war im Orchester einer Oper zunächst als stellvertretender 1. Soloklarinettist, danach als 1. Soloklarinettist und dann wieder als stellvertretender 1. Soloklarinettist tätig. Später dann als 2. Klarinettist. Die Vertragsänderung zum 2. Klarinettisten sollte die Besetzung der Bassklarinette absichern, da diese Planstelle nicht mehr besetzt war.
Während der Gespräche zur Vertragsänderung erklärte der Klarinettist, er stimme dem Vertragswechsel nur zu, wenn er finanziell nicht schlechtergestellt werde als bisher.
Wenige Tage nach Vertragsabschluss bestätigte die Arbeitgeberin schriftlich, dass eine Tätigkeitszulage der Stufe 2 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werde. Zusätzlich erhalte der Klarinettist für das Spielen von Nebeninstrumenten eine Tätigkeitszulage der Stufe 3.
6 Monate später erklärte die Arbeitgeberin in einem Schreiben, es ergebe sich aus einer Kommentierung des TVK (Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern), dass für die Veränderung der Tätigkeitszulage eine Verrechnung mit dem Besitzstand vorzunehmen sei. Deshalb stehe ihm die Tätigkeitszulage der Stufe 3 nur zu 50% zu. In der Folgezeit passte die Arbeitgeberin ihre Zahlungen entsprechend dieser Information an.
Beanstandungen des Rechnungshofs führten zu einer weiteren Reduzierung der Zahlungen. Die Besitzstandszulage sei nur dann zeitlich unbegrenzt zu zahlen, wenn die Zulage bereits 25 Jahre ununterbrochen gezahlt wurde. Dieser Umstand sei beim Klarinettisten nicht gegeben. Deshalb sei die Überzahlung aus der Vergangenheit mit dem aktuellen Entgelt zu verrechnen.
Der Klarinettist vertrat die Auffassung, er habe basierend auf der Besitzstandsregelung im TVK bis zu seinem Ausscheiden Anspruch auf die Tätigkeitszulage der Stufe 2. Jedenfalls habe er Anspruch auf die Zulage durch einzelvertragliche Zusage. Zum Zeitpunkt der Vertragsänderung seien die Parteien davon ausgegangen, dass die Weiterzahlung der Stufe 2 vom Tarifrecht gedeckt sei.
Vor dem Arbeitsgericht beantragte der Klarinettist, die Zahlung der Tätigkeitszulage der Stufe 2 als Besitzstandszulage entsprechend TVK, bis zum Ausscheiden aus dem Orchester weiter zu zahlen.
Das Gericht sollte zudem feststellen, dass neben der bereits gezahlten Tätigkeitszulage eine weitere Zulage der Stufe 3 in Höhe von 50% zu zahlen sei.
Sollte dieses Begehren abgewiesen werden, beantrage er hilfsweise feststellen zu lassen, dass neben der bereits nach Stufe 3 gezahlten Zulage von 50%, die weitere Zahlung nach Stufe 3 nicht 50%, sondern 100% betrage.
Unabhängig von der Besitzstandszulage habe er Anspruch auf Zulage für das Spielen von 2 Nebeninstrumenten. Diese Zulage betrage 50% der Stufe 3, falls ihm das Begehren auf Weiterzahlung der Besitzstandszulage gewährt werde. Andernfalls betrage die Zulage der Stufe 3 100%. Die Formulierungen im TVK ergäben nur Sinn, wenn für jedes Nebeninstrument eine gesonderte Vergütung zu zahlen sei. Die Vergütung für nur ein Nebeninstrument stelle eine Schlechterstellung der Berufsgruppe der Klarinettisten dar. Anders als bei den übrigen Gruppen der Holzbläser gebe es zwei vom Normalinstrument abweichende Instrumente.
Die Arbeitgeberin entgegnete, der Klarinettist habe keinen tariflichen Anspruch auf Weiterzahlung der Besitzstandszulage. Die Zeiten unterschiedlicher Einstufungen würden nicht addiert.
Es liege lediglich eine Fehlbeurteilung der Rechtslage vor. Es bestehe auch kein Anspruch auf Zulage für das Spielen eines zweiten Nebeninstrumentes, da der TVK nicht nach Anzahl der Nebeninstrumente entscheide.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen die Klage ab. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte der Klarinettist sein Begehren weiter.
Das BAG hielt die Klage insoweit für begründet, als die Arbeitgeberin Schadenersatz für die Besitzstandszulage der Stufe 2 bis zum Ausscheiden aus dem Orchester zu zahlen habe.
Hingegen bestehe kein Anspruch auf die Zahlung einer weiteren Zulage nach § 20 Abs. 5 TVK in der neuen Fassung. Der Hilfsantrag falle deshalb nicht zur Entscheidung an.
Der Klarinettist habe Anspruch auf eine Zahlung in Höhe der tariflichen Besitzstandszulage. Es sei dahingestellt, ob der Anspruch tariflich basiert sei.
Es sei sinnvoll, die zulagenberechtigten Tätigkeiten als Stellvertreter sowie als Solist als wesensgleich anzusehen und deshalb diese Tätigkeitszeiten zu addieren. Jedoch ergäben sich differenzierte Betrachtungen zur Zahlung der Zulagen. Deren Auslegung müsse in diesem Fall jedoch nicht betrachtet werden. Die Arbeitgeberin sei zum Schadenersatz verpflichtet, da sie eine falsche Auskunft über die Absicherung der Zulage der Stufe 2 gegeben habe, die zur Vertragsunterzeichnung geführt habe.
Die Arbeitgeberin habe den Klarinettisten so zu stellen, als stünden ihm seit dem Zeitpunkt der angeblichen Überzahlung bis zum Ausscheiden aus dem Orchester die tarifliche Besitzstandzulage in Höhe der jeweiligen Tätigkeitszulage zu. Deshalb ist dem zweiten Antrag stattzugeben.
Das LAG habe den Schadenersatzanspruch nur in Hinsicht der Verletzung von Aufklärungspflichten geprüft, nicht in Hinsicht auf falsche Auskunfterteilung. Die Arbeitgeberin sei nicht verpflichtet, die Vermögensinteressen eines Arbeitnehmers wahrzunehmen. Erteilt sie jedoch Auskünfte, so müssten diese richtig, eindeutig und vollständig sein.
Für den Widerruf der Tätigkeit als stellvertretender 1. Soloklarinettist lagen keine Tatsachen vor. Es war der Wunsch der Arbeitgeberin, die nicht besetzte Planstelle des Bassklarinettisten abzusichern. Die Arbeitgeberin war auf das Entgegenkommen des Klarinettisten angewiesen, um den Dienst des Bassklarinettisten abzusichern. Dieser hatte klargestellt, dass er einem Vertragswechsel nur zustimmen werde, wenn er finanziell nicht schlechtergestellt werde. Er hat damit seine Zusage auch an die Zahlung der Zulage Stufe 2 nach TVK in der alten Fassung gebunden.
Die Arbeitgeberin habe die Auskunft erteilt, der Klarinettist habe bei Abschluss des von ihr initiierten Änderungsvertrags tariflichen Anspruch auf die Weiterzahlung dieser Zulage im Wege der Besitzstandssicherung nach § 26 Abs. 6 TVK alte Fassung. Diese Auskunft war zwar rechtsfehlerhaft aber ursächlich für den Vertragsabschluss. Das BAG bemängelte, die Vertreter der Arbeitgeberin hätten sich vor Vertragsabschluss nicht über den Inhalt des tariflichen Anspruchs nach § 26 TVK sachkundig gemacht.
Die Arbeitgeberin hätte die Auskunft erteilen müssen, die von ihr vertretene Tarifauslegung sei nicht zweifelsfrei, der Klarinettist habe das Risiko über eine mögliche Einstellung der Zahlung zu tragen, falls sich herausstelle, dass kein tariflicher Anspruch bestehe.
Der Klage wurde soweit stattgegeben, wie es die Nachzahlung der Besitzstandssicherung und die Zulage wegen Spielens eines Nebeninstruments betrifft. Die Zulage für ein weiteres Nebeninstrument sei hingegen im TVK eindeutig geregelt und könne nicht gewährt werden. Es sei immer nur eine Zulage für Nebeninstrumente zu gewähren.