Entlohnung nach gehaltlicher Eingruppierung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.01.2016, Aktenzeichen 4 AZR 916/13
Die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals zur gehaltlichen Eingruppierung sind bereits dann erfüllt, wenn die ausgeübte Tätigkeit einem in der Gehaltsgruppe genannten Tätigkeitsmerkmal entspricht.
Eine Bauleiterin war zunächst als Sekretärin/Sachbearbeiterin beschäftigt. Seit 1. Juli 2003 wurde sie als Bauleiterin in der Gehaltsgruppe D vergütet. Im Jahr 2005 schloss sie erfolgreich ihre Diplom-Prüfung im Studiengang Bauingenieurwesen ab. Ihre Entlohnung orientierte sich am unteren Gehaltsband der Gehaltsgruppe. Mitarbeiter mit der Funktionsbezeichnung Bauleiter können den Gehaltsgruppen D bis F, jeweils im unteren, mittleren oder oberen Gehaltsband zugeordnet werden.
Im Dezember 2011 reichte die Bauleiterin eine Klage beim Arbeitsgericht ein. Sie verlangte rückwirkend zum Beginn des Jahres 2008 ein höheres Entgelt in der Höhe des mittleren Gehaltsbandes der Gehaltsgruppe D.
Für den Zeitraum zwischen 1. Oktober 2011 und 30. Juni 2012 verlangte die Bauleiterin die Entlohnung nach dem Mittelwert der Gehaltsgruppe E.
Die Arbeitgeberin erklärte, die Bauleiterin werde wegen der umfassenden Vorgaben für ihre Bauvorhaben zurecht in der Gehaltsgruppe D vergütet. Sie sei in ihrer Selbständigkeit eingeschränkt und könne nur das untere Gehaltsband beanspruchen. Es sei nicht erkennbar, warum sich ihre Tätigkeiten aus der Ausgangsgehaltsgruppe hervorheben.
Das Arbeitsgericht gab der Klage der Bauleiterin statt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin weiter die Klageabweisung.
Das BAG stellte fest, mit der vom LAG gegebenen Begründung könne der Eingruppierungsfeststellungsklage nicht stattgegeben werden.
Es sei nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage die GBV (Gesamtbetriebsvereinbarung) für das Arbeitsverhältnis maßgebend sein solle. Es könne nicht beurteilt werden, ob die von der Bauleiterin vorgelegten Gehaltsbänder für den streitigen Zeitraum zur Anwendung kämen.
Beide Parteien gingen offensichtlich von der Geltung der GBV aus. Würde eine zwingende tarifliche Regelung bestehen, wäre das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung ausgeschlossen. Im bisherigen Verfahrensverlauf sei nicht festgestellt worden, ob eine zwingende tarifliche Regelung vorliegen könnte.
Die GBV sei bei der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin geschlossen worden. Die Fortgeltung der GBV käme nach der Rechtsprechung des BAG nur in Betracht, wenn die Identität des Betriebes gewahrt ist oder ein übernommener Betriebsteil als selbständiger Betrieb weiter geführt wird. Andernfalls wäre vorbehaltlich des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) von einer Transformation der Regelungen der GBV in das Arbeitsverhältnis der Klägerin nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB auszugehen. Hierzu fehle es an den erforderlichen Feststellungen durch das LAG.
Es sei auch nicht ersichtlich, wie die dem Gericht eingereichte Gehaltsstruktur, die nach dem Betriebsübergang aufgestellt wurde, Bestandteil der GBV geworden sein soll oder aus welchen anderen Gründen sie für die Entgeltansprüche der Bauleiterin maßgeblich seien. Die Gehaltsstruktur könne schon aufgrund des zeitlichen Ablaufs nicht ohne Weiteres rechtlicher Bestandteil der GBV sein.
Eine Entscheidung durch das BAG sei auch nicht möglich, weil die Tätigkeit der Bauleiterin in keinem Fall die Anforderungen des Tätigkeitsbeispiels auf das sich zuletzt bezogen wurde, Gehaltsgruppe E GBV – „Baubegehung, -vorbereitung, -begleitung und Abnahme sowie Koordinierung von Umbauten und Wartungsmaßnahmen mit fachlicher Verantwortung“, erfülle.
Die Bauleiterin sei entgegen der Auffassung des LAG ihrer Darlegungspflicht nachgekommen, zu erläutern wann und in welcher Form ihr die Arbeitgeberin höherwertige Aufgaben übertragen habe.
Für einen Anspruch nach Gehaltsgruppe E der GBV sei es zunächst ausreichend, die Anforderungen eines Tätigkeitsbeispiels zu erfüllen. Das LAG habe jedoch nicht rechtsfehlerfrei angenommen, die Tätigkeit der Bauleiterin erfülle das angeführte Tätigkeitsbeispiel der Gehaltsgruppe E.
Die Eingruppierung einer Arbeitnehmerin richte sich grundsätzlich nach der durch den Arbeitsvertrag geschuldeten Tätigkeit. Die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit könne für die Auslegung des Arbeitsvertrages von Bedeutung sein, wenn der schriftliche Vertrag keine ausreichenden Angaben enthalte. Entscheidend sei jedoch letztlich immer die vertraglich vereinbarte und geschuldete Tätigkeit.
Maßgeblich sei das Schreiben vom Juni 2003 zur Arbeitsvertragsänderung. Die dort genannte Tätigkeit entspreche der Gehaltsgruppe E. Daher ergebe sich die Eingruppierung der Bauleiterin nach der mit dieser Vereinbarung übertragenen Tätigkeit. Es fehle jedoch eine Feststellung des LAG zur tatsächlich ausgeübten Tätigkeit.
Ein Zwischenzeugnis diene ebenso wie eine Stellenbeschreibung lediglich der Dokumentation der Tätigkeit der Stelleninhaberin. Als Grundlage für eine Tätigkeitsbeschreibung könne das Zwischenzeugnis im vorliegenden Fall nicht dienen, da die tatsächlich auszuübende Tätigkeit nicht ausreichend dargestellt wurde. Es lasse nicht erkennen, welchen konkreten Inhalt die Tätigkeit der Bauleiterin habe und es fehlten Ausführungen zum Bezug der einzelnen Arbeitsschritte zueinander.
Bei der Funktionsbezeichnung Bauleiter handele es sich weder um ein Tätigkeitsmerkmal noch um ein Tätigkeitsbeispiel. Das Landesarbeitsgericht habe festzustellen ob es sich bei der Tätigkeit der Bauleiterin um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder mehrere Teiltätigkeiten handele. Ebenso sei zu prüfen, ob die Bauleiterin in allen im Tätigkeitsbeispiel genannten Bereichen tätig sei.
Das LAG habe bisher keine Feststellung getroffen, weshalb sich die Tätigkeit der Bauleiterin durch das Qualifizierungsmerkmal des maßgebenden Tätigkeitsbeispiels heraushebe. Es sei auch zu prüfen, ob nach der GBV eine rückwirkende gerichtliche Leistungsbestimmung vorgesehen ist.
Mit diesen Vorgaben wurde das Verfahren an das Landesarbeitsgericht (LAG) zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.