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Arbeitszeugnis – Zweifel an Unterschrift

Anforderung an die Unterschrift eines Arbeitszeugnisses

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 27.07.2016, Aktenzeichen 4 Ta 118/16

Wird eine Unterschrift unter ein Arbeitszeugnis quer zum Zeugnistext gesetzt, können Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterschrift nicht ausgeschlossen werden, da diese Art der Unterzeichnung im Rechtsverkehr völlig unüblich ist. Diese Form der Unterschrift entwertet den Text des Arbeitszeugnisses.

Eine technische und kaufmännische Angestellte war direkt dem Geschäftsführer unterstellt. Im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreites wurde festgelegt, der Mitarbeiterin ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen.

Das Zeugnis wurde den Vorgaben entsprechend erteilt, jedoch vom Personalreferenten statt vom Geschäftsführer unterschrieben. In einem Gütetermin wurde ein Vergleich geschlossen, in dessen Folge die Unterschrift vom Geschäftsführer persönlich zu leisten war.

Mehr als 5 Wochen nach dem Vergleich stellte die Mitarbeiterin beim Arbeitsgericht einen Zwangsmittelantrag. Die Unterschrift des Geschäftsführers unter dem übermittelten Arbeitszeugnis sei zwar geleistet, entspräche jedoch einer Art Kinderschrift, nicht der üblichen Unterschrift des Geschäftsführers. Die Arbeitgeberin erklärte, die Unterschrift stamme vom Geschäftsführer. Die Unterschrift weiche von der Normalform ab, weil der Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung einen Schlüsselbeinbruch erlitten habe.

Gegen Androhung eines Zwangsgeldes und ersatzweise Zwangshaft wurde vom Arbeitsgericht eine Vollstreckungsurkunde zur Durchsetzung des Vergleichs ausgefertigt, die sich an den Geschäftsführer der Arbeitgeberin richtete. Die Pflicht zur Unterschriftsleistung sei nicht erfüllt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum ein Schlüsselbeinbruch eine ordnungsgemäße Unterschrift verhindere. Sollte die Unterschrift tatsächlich vom Geschäftsführer stammen, läge dennoch keine wirksame Erfüllung vor. Der Geschäftsführer müsse das Arbeitszeugnis so unterschreiben, wie er im Geschäftsverkehr Dokumente unterschreibe.

Die Arbeitgeberin wandte sich am gleichen Tag gegen die Vollstreckungsanordnung des Arbeitsgerichts. Sie sei bereit eidesstattlich zu versichern, dass die Unterschrift vom Geschäftsführer stamme. Sie habe sich aber aus rein ökonomischen Gründen entschlossen, das Zeugnis neu auszudrucken und zu unterschreiben.

Das erneut unterschriebene Zeugnis trug nun die übliche Unterschrift des Geschäftsführers. Der Schriftzug kreuzte jedoch von links oben nach rechts unten den Firmennamen und die Namenswiedergabe des Geschäftsführers in einem Winkel von 30 Grad.

Zunächst erklärte die Mitarbeiterin, das Verfahren habe sich nun erledigt, da das Zeugnis nun mit der richtigen Unterschrift gezeichnet sei. Wenige Tage später widerrief sie jedoch die Erledigungserklärung.

Die Mitarbeiterin machte geltend, die Unterschrift sei quer geleistet worden. Daraus sei zu entnehmen, dass die Arbeitgeberin mit den Leistungen der Mitarbeiterin nicht zufrieden gewesen sei. Die diagonal abfallende Schrift sei ein Zeichen deutlicher Distanzierung. Es sei erforderlich, dass der Geschäftsführer eine horizontal verlaufende Unterschrift leiste.

Die Arbeitgeberin erwiderte, bereits die erste Unterschrift sei richtig gewesen. Sie beruhte lediglich auf der Schlüsselbeinverletzung des Geschäftsführers. Es führe nicht zur Unwirksamkeit, wenn die Mitarbeiterin die Unterschrift nicht schön finde. Es ergebe sich aus dieser Unterschrift keine Unzufriedenheit mit den Leistungen der Mitarbeiterin, sie habe schließlich ein gutes Zeugnis erhalten. Die Arbeitgeberin legte Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm ein.

Das Landesarbeitsgericht Hamm lehnte die Beschwerde der Arbeitgeberin ab. Die Arbeitgeberin sei ihrer Verpflichtung aus dem Vergleich bisher nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Der Inhalt des Arbeitszeugnisses sei nicht strittig, jedoch dessen ordnungsgemäße Unterschrift.

Eine Erledigungserklärung könne einseitig widerrufen werden, solange sich die Gegenseite der Erledigungserklärung noch nicht angeschlossen und das Gericht keine Entscheidung in der Hauptsache getroffen habe.

Die ordnungsgemäße Unterschrift sei nach § 888 Absatz 1 ZPO (Zivilprozessordnung) vollstreckbar, da sie eine persönliche, nicht durch Vertretung zu ersetzende Handlung darstelle. Eine Unterschrift habe in der Form zu erfolgen, dass sie einen Schriftzug darstelle, der die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichne. Die Unterschrift erfordere individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale, die eine Nachahmung erschweren. Die Echtheit einer Urkunde solle mit der Unterschrift gewährleistet und beweisbar gemacht werden, die Identität des Ausstellers erkennbar sein. Ist die Unterschrift für Dritte unbekannt oder unverständlich, sei sie lediglich als Handzeichen zu bewerten. Ein Handzeichen erfordere nach § 126 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) eine notarielle Beglaubigung oder nach §129 Absatz 2 BGB eine notarielle Beurkundung.

Die Unterzeichnung des Arbeitszeugnisses mit der eigenhändigen Unterschrift müsse so erfolgen, wie üblicherweise wichtige betriebliche Dokumente unterschrieben werden. Eine Abweichung davon sei unzulässig.

Nach diesen Maßgaben sei das zuerst ausgestellte Arbeitszeugnis nicht mit der Unterschrift des Geschäftsführers versehen worden. Das gelte selbst dann, wenn der Geschäftsführer zur Unterschriftsleistung durch einen Schlüsselbeinbruch behindert wäre. Der Namenszug auf dem Arbeitszeugnis weiche jedenfalls von der Art und Weise ab, wie der Geschäftsführer sonst die Unterschrift leiste. Es lasse sich nicht mehr eindeutig die Identität des Unterzeichnenden feststellen.

Die zweite Ausfertigung des Arbeitszeugnisses erfülle ebenfalls nicht die Verpflichtung aus dem Vergleich. Die Unterzeichnung sei mit dem üblichen Schriftzug erfolgt. Es führe jedoch zur Ungültigkeit der Unterschrift, dass diese von links oben nach rechts unten ausgeführt wurde, anstatt parallel zum maschinenschriftlichen Text. Eine Unterzeichnung sei unwirksam, wenn sie von der allgemein üblichen Gestaltung bedeutsam abweiche. Es dürften beim Lesen des Arbeitszeugnisses keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Textes aufkommen.

Eine diagonale Unterschriftsleistung sei im Geschäftsverkehr völlig unüblich. Die Arbeitgeberin habe auch nicht dargelegt, dass der Geschäftsführer sonst auf Urkunden diagonal unterschreibe. Es sei naheliegend, dass die diagonale Unterschriftsleistung als Distanzierung vom Zeugnistext verstanden werden könne.

Die Unterschrift verstoße gegen § 109 Absatz 2 Satz 2 GewO (Gewerbeordnung), da die Unterschrift erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Zeugnistextes erkennen lasse und diesen vollständig entwerte. Bei der Bewertung der Unterschrift komme es nicht auf die subjektive Absicht des Unterzeichners an, sondern allein auf den objektivierten Eindruck eines durchschnittlichen Zeugnislesers. Es müsse nicht nachgewiesen werden, ob die Art der Unterschriftsleistung tatsächlich dazu dienen sollte, das Arbeitszeugnis zu entwerten.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen die Zwangsvollstreckung wurde zurückgewiesen.