Kosten für Reinigung von Hygienekleidung trägt Arbeitgeberin
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.06.2016, Aktenzeichen 9 AZR 181/15
Die Kosten für die Reinigung von Hygienekleidung sind von der Arbeitgeberin zu tragen. Die Arbeitgeberin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten durch die Arbeitnehmer.
Ein Arbeitnehmer ist seit 1985 in einem Schlachtbetrieb tätig. Im März 2014 verlangte der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin unter anderem die Zahlung der von Januar 2011 bis Februar 2014 einbehaltenen monatlichen Beiträge für die Reinigung der weißen Hygienekleidung.
In seiner Klageschrift vor dem Arbeitsgericht argumentierte der Arbeitnehmer, es bestehe keine Rechtsgrundlage, die Kosten für die Reinigung der Hygienekleidung einzubehalten. Der seit mehreren Jahren von der Nettovergütung abgezogene Betrag von 10,23 Euro werde unberechtigt einbehalten. Es sei auch keine konkludente Vereinbarung über den Einbehalt zustande gekommen, nur weil der Arbeitnehmer diesem nicht widersprochen habe.
Der Arbeitnehmer beantragte, die Arbeitgeberin zur Rückzahlung der abgezogenen Beträge zu verurteilen, sowie festzustellen, dass die Arbeitgeberin nicht berechtigt sei, monatlich einen Betrag für Arbeitskleidung abzuziehen.
Die Arbeitgeberin beantragte die Klageabweisung. Dem Arbeitnehmer sei bereits bei der Einstellung mitgeteilt worden, dass er die Kosten für die tägliche Reinigung der Arbeitskleidung zu tragen habe. Das Kleidergeld sei seit Beschäftigungsbeginn in der Verdienstbescheinigung ausgewiesen worden. Deshalb sei eine konkludente (stillschweigende) Vereinbarung über die Kostentragungspflicht zustande gekommen. Es handele sich auch nicht um Schutzkleidung nach § 618 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), da sie nicht den Zweck habe, den Träger zu schützen.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Mit ihrer Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin weiterhin die Klageabweisung.
Das BAG entschied, die Revision sei unbegründet. Die Arbeitgeberin war und ist nicht berechtigt, von der monatlichen Vergütung des Arbeitnehmers die Kosten für die Reinigung der Arbeitskleidung abzuziehen. Die Arbeitgeberin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Reinigungskosten gegenüber dem Arbeitnehmer.
Es sei keine konkludente Vereinbarung über die Reinigungskosten der Hygienekleidung zustande gekommen. Die Hinnahme der Abzüge von der Vergütung lasse nicht auf einen vertraglichen Erklärungswillen des Arbeitnehmers schließen. Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Reinigungskosten sei nicht ersichtlich und werde von der Arbeitgeberin nicht behauptet.
Die Auslegung einer konkludenten Willenserklärung richte sich danach, wie der Erklärungsempfänger dies nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte. Als Voraussetzung hierfür müsste dem Arbeitnehmer bewusst gewesen sein, dass es für den Abzug der Reinigungskosten einer vertraglichen Grundlage bedarf. Hierzu seien keine Tatsachen festgestellt worden.
Während des laufenden Arbeitsverhältnisses hätten beide Parteien schriftlich vereinbart, dass mündliche Nebenabreden nicht bestünden. Beide Parteien hätten damit erkennbar nicht das Bewusstsein gehabt, mit den Abzügen würden konkludent rechtsgeschäftliche Abreden getroffen.
Die Reinigungskosten für die Hygienekleidung seien keine Aufwendungen, die die Arbeitgeberin im Interesse des Arbeitnehmers tätige. Im Gegenteil sei die Arbeitgeberin rechtlich verpflichtet, Hygienekleidung zur Verfügung zu stellen. Die Reinigung der Kleidung durch die Arbeitgeberin erfolge im eigenen Interesse.
Die Pflicht der Arbeitgeberin, den Beschäftigten saubere und geeignete Hygienekleidung zur Verfügung zu stellen folge aus den Vorschriften der Lebensmittelhygiene. Nach der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) müssen Personen, die mit Primärerzeugnissen umgehen oder in Lebensmittelbereichen arbeiten, geeignete saubere Arbeitskleidung tragen.
Nach Artikel 3 der europäischen Verordnung Nr. 852/2004 haben die Lebensmittelunternehmer sicher zu stellen, dass auf allen ihrer Kontrolle unterstehenden Stufen die Hygienevorschriften dieser Verordnung erfüllt werden. Die Erfüllung der Hygienevorschriften sei Voraussetzung für die behördliche Zulassung des Betriebes.
Der Arbeitnehmer habe Anspruch auf Zahlung der zu Unrecht einbehaltenen Beträge für die Reinigungskosten der Hygienekleidung. Die Ansprüche des Arbeitnehmers seien nicht verfallen. Die zweimonatige Ausschlussfrist des Arbeitsvertrages sei gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) unwirksam.
Das formale Erscheinungsbild des Arbeitsvertrages spreche dafür, dass es sich bei den Regelungen im Arbeitsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, die der Inhaltskontrolle nach §307 BGB unterliegen. Für die schriftliche Geltendmachung ist eine Frist von weniger als 3 Monaten nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Regelung benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen entgegen dem Gebot von Treu und Glauben. Die Erreichung des Vertragszwecks sei gefährdet, falls alle Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit der Regelung erfasst werden. Eine einzelvertragliche Verfallsfrist von zwei Monaten sei mit dem Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechtes nicht vereinbar.