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Mitbestimmungsrecht bei betrieblicher Überwachung

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei betrieblichem Überwachungssystem

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.01.2016, Aktenzeichen 1 ABR 68/13

Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht über Einrichtungen, die das Verhalten und die Leistung von Arbeitnehmern überwachen, zu. Dagegen ist der Konzernbetriebsrat nicht für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts in Bezug auf die eingesetzten Überwachungsanlagen zuständig.

Die Arbeitgeberin ist die Konzernobergesellschaft eines Krankenhauskonzerns. Bei ihr ist ein Konzernbetriebsrat eingerichtet. Ein Klinikum des Konzerns wurde durch umwandlungsrechtliche Ausgliederung auf eine GmbH übertragen. Die Konzernobergesellschaft ist die einzige Gesellschafterin der GmbH. Das Klinikum ist damit weiterhin vollständig Bestandteil des Krankenhauskonzerns.

Im ausgegliederten Klinikum sind verschiedene Monitore und Kameras als Bestandteil einer Überwachungsanlage installiert. Die Kameras erfassen auch Arbeitnehmer von anderen Konzernunternehmen, die im Klinikum tätig sind. Zwischen der Arbeitgeberin und dem Konzernbetriebsrat besteht eine Einigungsstelle zur Regelung der Verwendung arbeitnehmerbezogener Daten durch die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien.

Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, der Konzernbetriebsrat sei nicht für die Ausübung des Beteiligungsrechts bezüglich Kameras und Monitore zuständig. Es gebe kein zwingendes Erfordernis, die Aufzeichnung der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer unternehmensweit zu regulieren.

Die Arbeitgeberin beantragte beim Arbeitsgericht die Feststellung, dass dem Konzernbetriebsrat bezüglich der Einführung und des Betriebes der im ausgegliederten Klinikum eingesetzten Video-Überwachungsanlagen kein Mitbestimmungsrecht zustehe.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies auf die Beschwerde des Konzernbetriebsrats den Antrag ab. Die Arbeitgeberin begehrte mit ihrer Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) die Wiederherstellung des Beschlusses des Arbeitsgerichts.

Das BAG hielt die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin für begründet. Das Arbeitsgericht habe bereits festgestellt, dass sich der Streit auf den Betrieb der vorhandenen Kameras, nicht aber deren erstmalige Einführung beziehe. Die Arbeitgeberin habe an der begehrten alsbaldigen Feststellung schon wegen des zwischen ihr und dem Konzernbetriebsrat anhängigen Einigungsstellenverfahrens ein berechtigtes Interesse.

Dem Konzernbetriebsrat stehe das Beteiligungsrecht bei der Anwendung der Video-Überwachung nicht zu. Die Ausgestaltung des visuellen Aufzeichnungssystems unterliege der Mitbestimmung nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz).  Der Betriebsrat habe bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu geeignet sind das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter zu überwachen, das Mitbestimmungsrecht.

Für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten sei in erster Linie der Betriebsrat zuständig, der von den Arbeitnehmern gewählt und legitimiert wurde. Er nehme die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Unternehmer wahr. Könnten die Interessen der Arbeitnehmer nicht mehr auf der betrieblichen Ebene wahrgenommen werden, weil die zu regelnde Angelegenheit nicht auf den einzelnen Betrieb oder ein Unternehmen beschränkt ist, trete die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats ein.

Der Konzernbetriebsrat ist für die Behandlung von Angelegenheiten zuständig, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können. Es muss sich um eine mehrere Unternehmen betreffende Angelegenheit handeln und ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmensweite Regelung bestehen. Maßgeblich seien die konkreten Umstände im Konzern und in den einzelnen Unternehmen.

Der alleinige Wunsch des Arbeitgebers oder der Arbeitnehmervertretung nach konzerneinheitlicher Regelung genüge nicht, um die Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats zu begründen.

Die der Mitbestimmung unterliegenden Gegenstände des Klinikums beträfen unterschiedliche betriebliche Vorgänge. Es liege keine unternehmensweite Überwachung und Auswertung des Aufzeichnungssystems vor. Eine Weitergabe der erhobenen Daten oder deren Auswertung erfolge nicht an andere Konzernunternehmen. Diese hätten auch keine Zugriffsmöglichkeit auf die im Klinikum installierten Geräte sowie die aufgezeichneten Daten.

Die Betreiberin der Überwachungsanlagen muss mit dem Betriebsrat ihres Betriebes die Rahmenbedingungen für den Einsatz des installierten Überwachungssystems regeln. Die Rahmenbedingungen berücksichtigen Vereinbarungen über die eingesetzte Hardware, Gegenstand und Dauer der visuellen Aufzeichnung sowie deren Verwertung und Archivierung. Für Arbeitnehmer von Drittbetrieben, unabhängig ihrer Konzernzugehörigkeit, hätten die Betriebsleitung und der Betriebsrat keine Regelungsbefugnis.

Die Betriebsparteien anderer Unternehmen des Konzerns, deren Arbeitnehmer beim überwachenden Klinikum eingesetzt sind, könnten nicht die Bedingungen für dessen visuelles Überwachungssystem festlegen. Ihre Regelungsbefugnis sei auf Aspekte des Zutritts der von ihnen vertretenen Arbeitnehmer im von Kameras überwachten Bereich des Klinikums beschränkt. Die entsendende Arbeitgeberin habe dafür zu sorgen, dass der Betriebsrat ihres Unternehmens das Mitbestimmungsrecht beim Einsatz von Arbeitskräften der eigenen Belegschaft in anderen Unternehmen wahrnehmen kann.
 
Es sei belanglos ob es sinnvoll wäre eine Betriebsvereinbarung für alle von der Überwachungsanlage betroffenen Arbeitnehmer des Konzerns mit einheitlichen Regeln aufzustellen. Solche Überlegungen zur Zweckmäßigkeit seien keine Begründung für eine Verlagerung der Regelungsbefugnis von den zuständigen Betriebsräten auf den Konzernbetriebsrat.