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Urlaub nach Lebensalter gestaffelt ist Altersdiskriminierung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Oktober 2016, Aktenzeichen 9 AZR 123/16

Die Gewährung von tariflichem Jahresurlaub, abhängig vom Lebensalter gestaffelt, ist eine Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer.

Ein Hotelmitarbeiter ist für den Auf- und Abbau bei Veranstaltungen in Vollzeit beschäftigt. Im entsprechenden Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe, der wegen Tarifbindung der Arbeitgeberin gilt, ist eine gestaffelte altersabhängige Urlaubsregelung vereinbart. Ausgehend vom Lebensalter werden etwa bis zum Alter von 25 Jahren 23 Tage und ab einem Alter von 50 Jahren 30 Arbeitstage Urlaub gewährt. Ab einem Lebensalter von 40 Jahren erhalten die Arbeitnehmer einen Jahresurlaub von 27 Arbeitstagen.

Der Hotelmitarbeiter beantragte im November 2013 die Gewährung weiterer drei Urlaubstage. Die Arbeitgeberin lehnte den Antrag ab.

Der Hotelmitarbeiter argumentierte, er habe bereits vor Vollendung seines 50. Lebensjahres Anspruch auf 30 Urlaubstage, nicht nur 27 Urlaubstage. Die Staffelung des Urlaubs abhängig vom Lebensalter sei eine Diskriminierung wegen des Alters und sei im Sinne von § 10 AGG (Allgemeines Gelichbehandlungsgesetz) nicht gerechtfertigt.

Vor dem Arbeitsgericht beantragte der Hotelmitarbeiter feststellen zu lassen, dass ihm in jedem Kalenderjahr 30 Tage Urlaub und aus dem Jahr 2013 noch 3 Tage Ersatzurlaub zustehen.

Die Arbeitgeberin beantragte die Klageabweisung. Sie argumentierte, die Ungleichbehandlung in der Urlaubsregelung aufgrund des Alters sei nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Beschäftigten hätten mit zunehmendem Alter aufgrund ihrer körperlichen Beanspruchung ein gesteigertes Erholungsbedürfnis. Das Hotel- und Gaststättengewerbe sei typischerweise durch körperlich anstrengende Arbeiten gekennzeichnet, die überwiegend im Stehen oder Gehen sowie in Schichtdienst ausgeführt würden. Besonders belastet seien Berufsgruppen wie Kellner, Köche, Zimmerreinigung, Metzger und Konditoren.

Bereits ab dem 25. Lebensjahr trete ein biologisch bedingter Verlust der Körperkraft ein. Die Beschäftigten hätten auf ein repräsentatives Äußeres zu achten. Der wirtschaftliche Erfolg der Branche beruhe besonders auf seinem Personal und dessen entspanntes und erholtes Auftreten. Die Pflege des Erscheinungsbildes werde durch die eigene Erholung positiv unterstützt, beanspruche jedoch mit zunehmendem Alter mehr Zeit. Deshalb erhöhe sich der Urlaubsanspruch mit zunehmendem Alter.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Arbeitgeberin vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) war erfolgreich. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde abgeändert, die Klage abgewiesen. Mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte der Hotelmitarbeiter die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichtes.

Das BAG entschied, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, dem Hotelmitarbeiter bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahres 30 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren. Für das Jahr 2013 stehe dem Hotelmitarbeiter der geltend gemachte Ersatzurlaub von 3 weiteren Arbeitstagen zu.

Die Urlaubsstaffelung in § 7 Absatz 2 des Manteltarifvertrages verstoße gegen §§ 1, 3 Absatz 1 AAG. Deshalb ist sie nach § 7 Absatz 1 und 2 AGG unwirksam. Damit habe der Hotelmitarbeiter bereits vor dem 50. Lebensjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage je Kalenderjahr.

Die Urlaubsstaffelung für Mitarbeiter, die das 40. Lebensjahr aber noch nicht das 50. Lebensjahr vollendet haben, 3 Tage weniger Urlaubsanspruch zu gewähren, enthalte eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters für jüngere Mitarbeiter. Mitarbeiter, die das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, würden anders behandelt als Mitarbeiter die 50 Jahre alt oder älter sind.

Diese Ungleichbehandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters sei nach § 10 Satz 2 AGG nur angemessen, wenn sie objektiv und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Das legitime Ziel liege etwa in der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, was auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen könne.

Die Arbeitgeberin müsse jedoch in einem substanziierten Sachvortrag darlegen, dass sie mit der Ungleichbehandlung ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG verfolge und die Mittel zur Erreichung des Zieles angemessen und erforderlich seien. Eine allgemeine Darlegung, die Regelung diene dem Schutz älterer Mitarbeiter genüge nicht.

Die Arbeitgeberin habe nicht ausreichend dargelegt, welche Umstände die Ungleichbehandlung wegen des Alters für die Urlaubsgewährung sachlich gerechtfertigen. Es genüge nicht pauschal darauf zu verweisen, dass durch die körperliche Belastung einiger Berufsgruppen mit zunehmendem Alter ein erhöhtes Erholungsbedürfnis bestehe. Es sei ausgeschlossen, dass eine Urlaubsregelung, die bereits ab dem vollendeten 26. Lebensjahr eine Erhöhung des Urlaubsumfanges vorsieht, den Zweck verfolge, ältere Arbeitnehmer zu schützen.

Die tarifliche Urlaubsstaffelung beziehe sich ausschließlich auf das Lebensalter, nicht auf die Beschäftigungszeit. Deshalb sei die Argumentation der Arbeitgeberin nicht nachvollziehbar, die Staffelung berücksichtige nach 5 bis 10 Jahren Tätigkeit mit körperlicher Belastung bereits bei jüngeren Mitarbeitern ein erhöhtes Erholungsbedürfnis.

Es fehle an einer Darlegung der Arbeitgeberin, welche konkreten Umstände dazu führten, dass sämtliche Mitarbeiter die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gegenüber jüngeren Mitarbeiten ein erhöhtes Erholungsbedürfnis haben sollten. Die behauptete Erfahrung, bei Mitarbeitern, die das 50, Lebensjahr vollendet haben, sei generell von einem höheren Urlaubsbedürfnis und einer längeren Regenerationszeit auszugehen, existiere nicht in dieser Allgemeinheit. Die Arbeitgeberin führe zwar Berufsgruppen an, die in besonderem Umfang körperliche Arbeit ausführten. Die Urlaubsstaffelung differenziere jedoch nicht nach Berufsgruppen.

Die Argumentation der Arbeitgeberin, die Pflege eines repräsentativen Äußeren erfordere mit zunehmendem Alter für sämtliche Mitarbeiter einen erhöhten Urlaubsanspruch, unabhängig davon, welche konkrete Tätigkeit ausgeführt werde, sei nicht nachvollziehbar.

Da die im Manteltarifvertrag vorgesehen Urlaubsstaffelung nach dem Lebensalter unwirksam ist, können sämtliche Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, die das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dieselben Vorteile beanspruchen wie Mitarbeiter, die das 50. Lebensjahr bereits vollendet und nach § 7 MTV einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen haben.

Dem Hotelmitarbeiter stehen für das Jahr 2013 auch drei Tage Ersatzurlaub zu. Wurde der vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangte Urlaub von der Arbeitgeberin nicht gewährt, wandele sich der Urlaubsanspruch in Schadenersatzanspruch um, der die Gewährung von Ersatzurlaub beinhalte. Mit der Ablehnung des Urlaubsantrages befand sich die Arbeitgeberin in Verzug.