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“Junges dynamisches Team” in Stellenanzeige ist Altersdiskriminierung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.08.2016, Aktenzeichen 8 AZR 406/14

Die Passage „mit einem jungen dynamischen Team“ in einer Stellenausschreibung für eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld bewirkt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters.

Ein 42-jähriger Diplom-Betriebswirt mit Schwerpunkt Personalmanagement bewarb sich bei einem international tätigen Unternehmen für Personalberatung auf eine Stellenanzeige im Internet. Die Stellenanzeige enthielt unter anderem diese Passage: „Vorbereitung auf eigenständige Personalprojekte in einem professionellen Umfeld mit einem jungen dynamischen Team.“

Sechs Tage nach dem Versand des Bewerbungsschreibens bekam der Betriebswirt eine schriftliche Absage. Darin wurde betont, dass der Auswahlprozess nicht vermeiden könne, dass auch Interessenten mit guten Voraussetzungen eine Absage erhielten.

Zwei Monate später, im Januar 2012 forderte der Betriebswirt mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten von dem internationalen Unternehmen Entschädigung und Schadenersatz. Die Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) basierten auf der Benachteiligung bei der Stellenauswahl wegen des Alters. Es sei nicht verständlich, warum der Betriebswirt auf seine Bewerbung als Junior-Consultant bereits nach wenigen Tagen eine Absage bekomme, obwohl er sehr gut für diese Stelle qualifiziert sei. Deshalb müssten wohl auch sachfremde Erwägungen eine Rolle gespielt haben.

Weiter heißt es in dem Schreiben, ausweislich Ihrer Stellenausschreibung haben Sie sich selbst als junges dynamisches Team hervorgehoben, sodass wir die Vermutung des § 22 AGG für die Vermutung einer altersbedingten Benachteiligung gegenüber unserem Mandanten als gegeben erachten müssen.

Die Schadenersatzforderung wurde von der Auskunft zur Höhe des erwarteten monatlichen Bruttoeinkommens für die ausgeschriebene Stelle abhängig gemacht. Für den Anspruch auf eine immaterielle Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG wurden 4 Bruttomonatsgehälter geltend gemacht.

Die Arbeitgeberin besetzte die Stelle mit einem zu diesem Zeitpunkt 28-jährigen Mitbewerber. Im April 2012 verfolgte der Betriebswirt sein Begehren mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht weiter. Er beantragte die Feststellung, dass die Arbeitgeberin zum Ersatz des materiellen Schadens sowie zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet sei.

Dass er wegen seines Alters abgelehnt wurde, zeige sich auch daran, dass der eingestellte 28-jährige Mitbewerber jünger sei als er. Die Arbeitgeberin könne sich nicht darauf berufen, der eingestellte Mitbewerber sei wegen seiner Kenntnisse in der Branche der Personalberatung und des Headhunting sowie wegen seiner Erfahrungen im Vertrieb besser geeignet als er, da diese Anforderungen in der Stellenausschreibung nicht genannt seien.

Die Arbeitgeberin argumentierte in ihrem Antrag zur Klageabweisung, der Betriebswirt habe sich nicht subjektiv ernsthaft beworben, sondern lediglich um eine Ablehnung zu provozieren und Ansprüche nach dem AGG geltend zu machen. Der mit dem Betriebswirt offenbar verwandte Prozessbevollmächtigte habe sich im Bereich des AGG spezialisiert und sei dafür bekannt, entschieden für die Rechte aus dem AGG einzutreten. Mit deutlichen Hinweisen auf sein Alter und seinen Wohnort hätte der Betriebswirt sich mit dem Ziel beworben, möglichst abgelehnt und schon gar nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Aus einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ergebe sich, dass der Betriebswirt auch in anderen Fällen Entschädigungsansprüche nach dem AGG verfolge und dabei systematisch vorgehe.

Ein junges Team könne jung geblieben oder auch ein Team sein, das noch nicht lange Zeit bestehe. Letzteres treffe hier zu, da das Team in seiner konkreten Zusammensetzung zum Zeitpunkt der Stellenanzeige erst gut ein Jahr bestanden habe. Der Betriebswirt sei zum Zeitpunkt der Bewerbung mit 42 Jahren selbst noch jung gewesen. Zudem seien im sechsköpfigen Team 2 Personen im Alter von 51 Jahren und 56 Jahren beschäftigt gewesen, also deutlich älter als er. Wenige Monate nach der Stellenanzeige sei ein weiterer Bewerber im Alter von 49 Jahren eingestellt worden. Es handele sich nicht um eine Benachteiligung wegen des Alters, weil der eingestellte Bewerber zufällig jünger war als der Betriebswirt.

Aus den bisherigen Tätigkeiten des Betriebswirts als Lehrkraft, Berater Coach, Dozent und Ausbilder sei erkennbar, dass er weniger im Team sondern eher auf sich gestellt tätig gewesen sei.

Das Arbeitsgericht gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung einer Entschädigung von 6 000 Euro. Im Rahmen der Berufung änderte das Landesarbeitsgericht (LAG) die Entscheidung des Arbeitsgerichts und wies die Klage vollständig ab. Der Betriebswirt verfolgte mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Klage weiter.

Das BAG entschied, mit der vom LAG gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Das LAG habe angenommen, der Betriebswirt sei bei der Stellenbesetzung nicht benachteiligt worden. Es lägen keine Indizien vor, die eine unzulässige Benachteiligung wegen seines Alters vermuten liessen. Die Arbeitgeberin habe weder mit dem Begriff Junior-Consultant noch mit dem „jungen dynamischen Team“ direkt oder indirekt auf das Alter abgestellt.

Die Klage hätte mit dieser Begründung nicht abgewiesen werden dürfen. Die Formulierung mit einem jungen dynamischen Team sei eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters und sei deshalb geeignet, die Vermutung im Sinne von § 22 AGG zu begründen, dass der Betriebswirt im Verfahren der Stellenbesetzung benachteiligt wurde.

Mit dem Begriff jung werde unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft. Der Begriff dynamisch verstärke den Bezug auf das Lebensalter, da diese Eigenschaft im Allgemeinen eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben wird.

Tätigkeit mit einem jungen, dynamischen Team enthalte die Botschaft, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb dynamisch seien. Aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers könne diese Angabe nur so verstanden werden, dass ein Arbeitnehmer gesucht werde, der ebenso jung und dynamisch sei wie die Teammitglieder. Andernfalls wäre die Aussage überflüssig und ohne Gehalt an Aussage.

Es könne dahin stehen, ob der Begriff „Junior-Consultant“ andere Personen in besonderer Weise wegen des Alters nach § 3 Absatz 2 AGG benachteiligen könne. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichtes (LAG) der Begriff beziehe sich auf fehlende bzw. geringe Berufserfahrung führe zu einer unmittelbaren Verknüpfung im Sinne von § 3 Absatz 2 AGG mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“.

Das Kriterium Berufserfahrung sei mittelbar mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verknüpft. Bewerber mit längerer Berufserfahrung wiesen typischerweise ein höheres Alter auf als Mitbewerber mit kürzerer Berufserfahrung. Diese Ansicht ändere sich auch nicht dadurch, dass es gelegentlich Quereinsteiger gebe.

Der Bewerber sei unmittelbar benachteiligt worden, indem er eine ungünstigere Behandlung erfahren habe als der letztlich eingestellte Bewerber.

Die Behauptung der Arbeitgeberin, die Bewerbung sei rechtsmissbräuchlich, da der Versuch dahinter stehe, Schadenersatz geltend zu machen, nicht aber um eine ernsthafte Bewerbung für die Stelle zu erhalten, wurde vom BAG abgewiesen.

Als Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt auch der Zugang zur Beschäftigung. Demnach sind nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 AGG Benachteiligungen unzulässig, bezüglich der Bedingungen für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen. Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis nach § 6 Absatz 1 Satz 2 AGG fielen unter den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes und gelten als Beschäftigte im Sinne von § 6 Absatz 1 Satz 1 AGG.

Eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die Stelle, sondern nur die formale Position eines Bewerbers erlangen will, um eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG geltend zu machen, könne sich nicht auf den Schutz durch das AGG berufen. Werde die Position als Bewerber treuewidrig herbeigeführt, gelte das als Missbrauch des Schutzes vor Diskriminierung.

Die Arbeitgeberin stütze ihren Einwand des Rechtsmissbrauches darauf, dass sich der Bewerber durch einen mit ihm verwandten Prozessbevollmächtigten vertreten lasse, der sich im Bereich des AGG spezialisiert habe und dafür bekannt sei, entschieden für die Rechte aus dem AGG einzutreten. Dieser Umstand verdeutliche bereits, dass der Bewerber nur die Absicht gehabt hätte, Ansprüche aus dem AGG einzuklagen.

Das BAG bezeichnete es als abwegig das Verwandtschaftsverhältnis zwischen einem Prozessbevollmächtigten und seinem Mandanten, eine Spezialisierung des Prozessbevollmächtigten in einem bestimmten rechtlichen Bereich oder den entschiedenen Einsatz des Prozessbevollmächtigten für seine Mandanten mit dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu verknüpfen.

Die Angaben im Bewerbungsschreiben des Bewerbers zu seinem Alter und Wohnort ließen ebenfalls keinen Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zu. Der Bewerber habe zudem ausdrücklich im Bewerbungsschreiben erklärt, nicht ortsgebunden zu sein.

Der Vortrag, dass sich aus einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ergebe, der Bewerber verfolge systematisch auch in anderen Fällen Entschädigungsansprüche aus dem AGG, könne ebenfalls nicht als Argument für den Rechtsmissbrauch angeführt werden. Die Arbeitgeberin habe offengelassen, was sie unter dem Begriff systematisch verstehe und somit nicht durch substanziierten Tatsachenvortrag unterlegt.

Die Arbeitgeberin habe somit keine konkreten objektiven Umstände vorgetragen, die auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten hinweisen.

Auf der Basis der bisher vom LAG getroffenen Feststellungen könne das BAG nicht abschließend beurteilen, ob dem Bewerber ein Anspruch auf Schadenersatz nach § 15 Absatz 1 AGG sowie ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Absatz 2 AGG zustehe und in welcher Höhe der Klageantrag begründet sei.

Das LAG habe in der Neuverhandlung zu prüfen, ob der Bewerber entgegen den Bestimmungen des AGG im Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde.

Eine Benachteiligung wegen des Alters bestünde dann, wenn die Ausschreibung gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters nach § 7 Absatz 1 AGG verstoßen habe. Es komme bei der Prüfung nur noch darauf an, ob die unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nach § 8 Absatz 1 oder § 10 AGG zulässig ist.

Das BAG weist darauf hin, dass sich die Arbeitgeberin sich nicht den Schadenersatz- und Entschädigungsansprüchen entziehen könne, indem sie sich darauf berufe, der Bewerber sei objektiv nicht für die Stelle geeignet. Gegen das Erfordernis der objektiven Eignung spreche, dass § 15 Absatz 2 Satz 2 AGG den Entschädigungsanspruch für Personen die bei benachteiligungsfreier Auswahl eingestellt worden wären nicht ausschließt, sondern lediglich dessen Höhe begrenzt.

Wäre es nur einem objektiv geeigneten Bewerber möglich, eine Entschädigung oder materiellen Schadenersatz nach § 15 AGG zu beanspruchen, würde die Einschätzung der Abgrenzung der objektiven Eignung von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation belastet und dadurch die Wahrnehmung, der durch das AGG und die Richtlinie 2000/78/EG verliehenen Rechte erschwert. Für die objektive Eignung sei nicht nur das formelle Anforderungsprofil maßgeblich, sondern auch die Anforderungen die eine Arbeitgeberin zulässigerweise stellen dürfe.

Bewerber, welche die auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten könnten, aber nicht jede Voraussetzung des Anforderungsprofils erfüllen, bedürften des Schutzes vor Diskriminierung. Anforderungsprofile in Stellenanzeigen würden häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünsche, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung seien.

Das Urteil des LAG wurde aufgehoben und die Sache zur Neuverhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.