Anspruch auf Ausbildung trotz gesundheitlicher Probleme
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2016, Aktenzeichen 7 Sa 1401/16
Gesundheitliche Probleme der Ausbilderin heben nicht den Anspruch auf Ausbildung auf.
Wegen einer chronischen Erkrankung kam es bei einer Auszubildenden für den Beruf einer Damenmaßschneiderin zu längeren Fehlzeiten. Der Auszubildenden wurde von der Handwerkskammer der Antrag genehmigt, das Berufsausbildungsverhältnis zu verlängern.
Nach längerer Arbeitsunfähigkeit der Auszubildenden lehnte die Ausbilderin im Januar 2016 die weitere Ausbildung ab. Sie sei aus gesundheitlichen Gründen für absehbare Zeit nicht in der Lage die Ausbildung zu gewährleisten.
Basierend auf der Klage der Auszubildenden verurteilte das Arbeitsgericht die Ausbilderin, die Berufsausbildung bis zum Ende des Ausbildungsverhältnisses fortzusetzen. Die Berufsausbildung sei der Ausbilderin nicht unmöglich geworden. Der Vortrag der Ausbilderin sei unsubstanziiert und ließe nicht erkennen, dass die Berufsausbildung unmöglich oder unzumutbar sei. Nach § 14 Absatz 1 Nummer 2 BbiG (Berufsbildungsgesetz) müsse die Ausbildung nicht persönlich erfolgen, es könne ein Ausbilder beauftragt werden. Für die Monate März bis Mai 2016 habe die Auszubildende einen Anspruch auf 210,- Euro Ausbildungsvergütung, da sich die Ausbilderin in Annahmeverzug befand.
Gegen das Urteil legte die Ausbilderin Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Sie belegte mit einem ärztlichen Attest, dass es ihr unmöglich sei, den Anspruch auf Ausbildung zu erfüllen. Sie habe ihren Betrieb derzeit zur Ruhe gebracht. Sie versuche nur, mit ihrer Website und weniger aufwendigen Aktivitäten in ihren Berufskreisen als Modedesignerin im Gespräch zu bleiben. Sie verfüge nicht mehr über ein Atelier oder Ladengeschäft. Es sei ihr unzumutbar einen anderen Ausbilder einzustellen und sie sei dazu auch nicht verpflichtet. § 14 Absatz 1 Nummer 2 BbiG erfasse nur Fälle, in denen der Ausbilder nicht die persönliche und fachliche Eignung aufweise. Da ihr die Ausbildung unmöglich geworden sei, habe die Auszubildende keinen Anspruch auf Zahlung der Ausbildungsvergütung aus Annahmeverzug. Das Urteil des Arbeitsgerichts sei abzuändern und die Klage abzuweisen.
Das LAG bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichtes. Die Klage auf Fortsetzung der Ausbildung und Zahlung der Ausbildungsvergütung sei zulässig und begründet. Es bestehe ein Rechtschutzbedürfnis für die Klage auf Fortsetzung der Ausbildung, da die Ausbilderin eine Verpflichtung zur Ausbildung abstreite. Sie berufe sich darauf, die Kooperationsvereinbarung zur weiteren Ausbildung nur zur Vermeidung einer drohenden Zwangsvollstreckung abgeschlossen zu haben.
Die Ausbilderin sei nach § 14 BbiG verpflichtet, die Auszubildende tatsächlich auszubilden. Nach dem Bescheid der Handwerkskammer vom August 2016 bestehe das Ausbildungsverhältnis über die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses fort. Es wurde von der Ausbilderin nicht gekündigt.
Von der Verpflichtung zur Ausbildung sei die Ausbilderin aufgrund ihrer Erkrankung nicht nach § 275 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) befreit, weil ihr die Ausbildung unmöglich geworden wäre. Ist die Leistung nicht höchstpersönlich zu erbringen und kann sie von einem Vertreter erbracht werden, scheide die Unmöglichkeit aus. § 14 Absatz 1 Nummer 2 BbiG räume die Möglichkeit ein, einen anderen Ausbilder zu beauftragen bzw. einzustellen, wenn etwa der ursprünglich vorgesehene Ausbilder für längere Zeit wegen Arbeitsunfähigkeit ausfällt.
Die Unmöglichkeit trete auch nicht wegen fehlender Gewerberäume und geringfügiger Tätigkeit ein. Es sei dabei unerheblich, in welchem Umfang die Ausbilderin am Markt tätig sei. Der Kooperationsvertrag ergebe, dass für die Ausbildung kein Arbeitsplatz im Betrieb der Ausbilderin notwendig sei. Bis Februar 2017 könne sich die Ausbilderin ohnehin nicht auf die Unmöglichkeit der Ausbildung berufen, da sie gerade mit dem Kooperationsvertrag die Ausbildung ermögliche.
Die Ausbildung erfordere keinen Aufwand, der unter Beachtung des Schuldverhältnisses sowie der Gebote auf Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse der Auszubildenden stehen würde. Es sei das erhebliche Interesse der Auszubildenden am Abschluss der Ausbildung zu berücksichtigen.
Dem stünden lediglich finanzielle Interessen der Ausbilderin zur Zahlung von 210 Euro monatlich gegenüber. Selbst unter Berücksichtigung der Krankheit und der damit verbundenen schlechteren finanziellen Lage der Ausbilderin könne kein grobes Missverhältnis angenommen werden. Deshalb werde der Anspruch der Auszubildenden auf Fortsetzung der Ausbildung bis zu deren Ende bestätigt.
Ebenso bestehe der Anspruch auf Ausbildungsvergütung. Die Ausbilderin befand sich im Annahmeverzug, nachdem die Auszubildende persönlich und schriftlich ihre Bereitschaft angeboten hatte, die Ausbildung fortzusetzen und die Ausbilderin mit Hinweis auf ihre Erkrankung abgelehnt hatte. Die Ausbilderin habe die geschuldete Bereitschaft zur Ausbildung im Rahmen des Ausbildungsverhältnisses abgelehnt. Es sei unerheblich, ob sie dabei ein Verschulden treffe.
Die Ausbilderin sei auch sonst nicht von ihren vertraglichen Pflichten befreit, da sie bisher das Ausbildungsverhältnis nicht gekündigt habe. Deshalb bestehe der Anspruch auf Zahlung der Ausbildungsvergütung fort.
Die Berufung der Ausbilderin wurde zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.