Bestellung eines Wahlvorstandes für die Betriebsratswahl
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.11.2016, Aktenzeichen 7 ABR 13/15
Wird der Wahlvorstand für die Betriebsratswahlen nicht vom Betriebsrat bestellt, ist der Wahlvorstand in einer Betriebsversammlung von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer zu wählen. Findet keine Betriebsversammlung statt oder die Betriebsversammlung wählt keinen Wahlvorstand, wird der Wahlvorstand vom Arbeitsgericht bestellt, nachdem mindestens drei Wahlberechtigte oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft den Antrag beim Arbeitsgericht gestellt haben.
In einer Senioreneinrichtung sind mehr als 50 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Im Jahr 2012 wurde erstmals ein Betriebsrat gewählt. Der Betriebsrat bestellte einen aus drei Wahlberechtigten bestehenden Wahlvorstand, nachdem feststand, dass die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder von 5 auf 3 sinken würde. Die Arbeitgeberin kam der Aufforderung des Wahlvorstandes zur Aufstellung einer Wählerliste nicht nach. Bis auf den Vorsitzenden traten die Mitglieder des Wahlvorstandes zurück. In der Annahme, nicht beschlussfähig zu sein, bestellte der Betriebsrat keine neuen Mitglieder des Wahlvorstandes.
Seit Juni 2014 gibt es keinen Betriebsrat in der Einrichtung. Es bestehen weder Gesamtbetriebsrat noch Konzernbetriebsrat. Es fand keine Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes statt.
Die im Betrieb vertretene Gewerkschaft beantragte beim Arbeitsgericht im Februar 2014 zunächst die Ergänzung des Wahlvorstandes. Nach dem Rücktritt des Wahlvorstandsvorsitzenden wurde der Antrag geändert. Der Wahlvorstand sei nach § 16 Absatz 2 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) zu bestellen, da der Betriebsrat es unterlassen habe, unverzüglich weitere Wahlvorstandsmitglieder zu bestellen. Für die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsratswahl sei ein Gewerkschaftssekretär zu bestellen.
Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, der Betriebsrat sei seiner Pflicht zur Bestellung des Wahlvorstandes nachgekommen. Seit Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats sei § 17 BetrVG maßgebend. Demnach sei vorrangig die Betriebsversammlung für die Bestellung des Wahlvorstandes zuständig.
Das Arbeitsgericht gab dem Antrag der Gewerkschaft statt. Die Beschwerde der Arbeitgeberin wurde vom Landesarbeitsgericht (LAG) zurückgewiesen. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin mit einer Rechtsbeschwerde ihren Abweisungsantrag weiter.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dem Antrag zur Bestellung eines Wahlvorstandes durch das Arbeitsgericht sei zu Recht entsprochen worden. An dem Verfahren seien nur die Gewerkschaft und die Arbeitgeberin zu beteiligen, nicht die von der Gewerkschaft vorgeschlagenen Wahlvorstandsmitglieder. Die von der Gewerkschaft vorgeschlagenen und vom Arbeitsgericht bestellten Mitglieder des Wahlvorstandes seien in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung nicht unmittelbar betroffen.
Der Vorschlag der Gewerkschaft zur Zusammensetzung des Wahlvorstands sei für das Arbeitsgericht unverbindlich und begründe für die Vorgeschlagenen keine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung. Diese Rechtsstellung werde auch nicht mit der Entscheidung des Amtsgerichtes über ihre Bestellung erworben. Erst mit der Rechtskraft der Entscheidung des Arbeitsgerichtes werde die Bestellung des Wahlvorstandes wirksam, da Beschwerde und Rechtsbeschwerde aufschiebende Wirkungen haben. Deshalb seien die Wahlvorstandsmitglieder von der Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht betroffen.
Daran ändere auch nicht eine eventuelle Befugnis des Wahlvorstandes, bereits vor der Rechtskraft des Beschlusses, vorläufige Maßnahmen zur Vorbereitung der Wahl zu treffen. Der besondere Kündigungsschutz für die gerichtlich bestellten Mitglieder des Wahlvorstands beginne schon mit der Verkündung des Einsetzungsbeschlusses, sei aber lediglich individualrechtlicher Natur und berühre nicht die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung des Wahlvorstands.
Das LAG habe zutreffend angenommen, dass der Wahlvorstand auf Antrag der Gewerkschaft in Anwendung von § 16 Absatz 2 Satz 1 BetrVG gerichtlich zu bestellen sei. Demnach hat der Betriebsrat spätestens 10 Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats einen aus drei Wahlberechtigten Wahlvorstand zu bestellen, einen von ihnen als Vorsitzenden. Besteht 8 Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats kein Wahlvorstand, bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens 3 Wahlberechtigten oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft.
Durch die gerichtliche Bestellung sollen betriebsratslose Zeiten verhindert oder jedenfalls so kurz wie möglich gehalten werden. Könnte die Bestellung nur innerhalb der Amtszeit erfolgen, würde dieses Ziel verfehlt. Das vorliegende Bestellungsverfahren wurde rund 3 Monate vor Ablauf der regulären Amtszeit des Betriebsrats eingeleitet. Das Arbeitsgericht durfte dem Antrag der Gewerkschaft bereits mehr als 8 Wochen vor Ablauf der regulären Amtszeit des Betriebsrats entsprechen, da der Betriebsrat außerhalb der regelmäßigen Betriebsratswahlen nach § 13 Absatz 2 Nr. 2 BetrVG zu wählen war. Die Zahl der Betriebsratsmitglieder einschließlich Ersatzmitglieder war mit 2 unter die nach § 9 BetrVG vorgeschriebene Zahl von 5 Betriebsratsmitgliedern gesunken.
Der Wahlvorstand sei vom Betriebsrat unverzüglich zu bestellen, wenn die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder einschließlich Ersatzmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder gesunken ist, und die Wahlen deshalb außerhalb der regelmäßigen Wahlen stattzufinden haben. Die gerichtliche Bestellung könne frühestens zwei Wochen nach dem Tag erfolgen, an dem der Betriebsrat den Wahlvorstand bei unverzüglichem Handeln spätestens hätte bestellen müssen.
Der Betriebsrat sei zunächst seiner Pflicht zur Bestellung eines Wahlvorstandes nachgekommen.
Als die Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder unter die Mindestzahl von drei sank, existierte kein handlungsfähiger Wahlvorstand mehr. Der Betriebsrat hätte unverzüglich weitere Wahlvorstandsmitglieder bestellen müssen. Nach dem Rücktritt aller Wahlvorstandsmitglieder war daher auf Antrag der Gewerkschaft der Wahlvorstand durch das Arbeitsgericht insgesamt neu zu bestellen. Zwischenzeitlich hätten sich die Voraussetzungen für die Bestellung eines Wahlvorstandes auch aus der unmittelbaren Anwendung von § 16 Absatz 2 BetrVG ergeben, da acht Wochen vor Ablauf der regulären Amtszeit des Betriebsrats kein Wahlvorstand bestand.
Die personelle Besetzung des Wahlvorstandes sei nicht zu beanstanden gewesen. Es sei zulässig Gewerkschaftsmitglieder zum Wahlvorstand zu bestellen, falls dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl notwendig ist. Das bestellte Gewerkschaftsmitglied ist bei der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft beschäftigt. Es sei festgestellt, dass zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl die Bestellung eines Gewerkschaftssekretärs notwendig ist. Gegen die beiden anderen vom Arbeitsgericht bestellten Wahlvorstandsmitglieder habe die Arbeitgeberin keine Bedenken geäußert.