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Wann ist eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt?

Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.05.2017, Aktenzeichen 2 AZR 606/16

Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und die Arbeitgeberin sich darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.

Ein Spezialist für DataWareHousing sollte gemeinsam mit drei weiteren Mitarbeitern an einen anderen Standort versetzt werden. Der Spezialist war namentlich in der Anlage zum Interessenausgleich erwähnt.

Das Angebot der Arbeitgeberin, zu unveränderten Konditionen am neuen Standort zu arbeiten, lehnte der Spezialist ab. Daraufhin hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat bezüglich einer Änderungskündigung an. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Änderungskündigung und verwies auf konkrete Beschäftigungsmöglichkeiten am gleichen Standort. Die Arbeitgeberin habe zudem fehlerhaft keine Sozialauswahl vorgenommen.

Die Arbeitgeberin sprach Ende Mai 2013 eine Änderungskündigung mit dem zuvor unterbreiteten Änderungsangebot aus. Unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung nahm der Spezialist die Änderungskündigung an. Zudem erhob der Spezialist eine Änderungsschutzklage. Darin machte er sich die Widerspruchsgründe des Betriebsrats zu eigen und rügte eine nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats. Er beantragte festzustellen, dass die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Rechtsgründen unwirksam sei.

Die Arbeitgeberin beantragte Klageabweisung. Die Änderungskündigung sei wirksam. Der Arbeitsplatz des Spezialisten sei in Folge einer unternehmerischen Unterscheidung weggefallen. Ein äquivalenter Arbeitsplatz sei am neuen Standort geschaffen worden. Am bisherigen Standort seien keine anderen freien Arbeitsplätze vorhanden. Es sei nicht notwendig gewesen, eine Sozialauswahl durchzuführen. Die vom Spezialisten genannten Mitarbeiter seien nicht austauschbar gewesen.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Klage in der Berufung ab. Mit seiner Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) begehrte der Spezialist die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichtes.

Das BAG entschied, die Urteilsbegründung des LAG sei nicht tragfähig. Es stehe noch nicht fest, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen des Spezialisten sozial ungerechtfertigt sei. Das Urteil des LAG wurde aufgehoben und zur Neuverhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und die Arbeitgeberin sich darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.

Die vorgenannten Grundsätze habe das LAG nicht berücksichtigt. Das LAG habe lediglich geprüft, ob die Arbeitgeberin eine fehlerhafte Sozialauswahl durchgeführt habe. Der Spezialist habe nicht nur eine fehlerhafte Sozialauswahl gerügt, sondern auch eine mangelnde soziale Rechtfertigung der Änderung seiner Arbeitsbedingungen. Er habe in Abrede gestellt, dass die Änderungskündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt war. Diesen Aspekt habe das LAG nicht gewürdigt.

Erforderliche Tatsachen, die das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse für die Änderung der Arbeitsbedingungen bestätigen, seien nicht festgestellt worden. Es sei nicht festgestellt worden, ob der Beschäftigungsbedarf für den Spezialisten durch Verlagerung seines Arbeitsplatzes tatsächlich entfallen sei und ob es andere vom bisherigen Inhalt seines Arbeitsverhältnisses weniger weit entfernte Beschäftigungsmöglichkeiten gebe. Zu konkreten anderweiten Beschäftigungsmöglichkeiten hätten die Parteien widerstreitend vorgetragen. Hätte es, wie vom Spezialisten behauptet, andere sich vom bisherigen Inhalt seines Arbeitsverhältnisses weniger weit entfernende Beschäftigungsmöglichkeiten gegeben, hätte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen dürfen.

Dieser Rechtsfehler führe zur Rückverweisung an das LAG. Dieses habe die erforderlichen Feststellungen zu treffen und neu zu entscheiden.

Dafür erhielt das LAG folgende Hinweise:

Das Gebot der ausreichenden Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte nach § 1 Absatz 3 Kündigungsschutzgesetz (KschG) gelte auch für betriebsbedingte Änderungskündigungen. Für die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer komme es darauf an, ob die Arbeitnehmer auch für die Tätigkeit, die Gegenstand des Änderungsangebots ist, wenigstens annähernd gleich geeignet seien, ob eine Austauschbarkeit also auch bezogen auf den mit der Änderungskündigung angebotenen Arbeitsplatz gegeben sei.

Die Arbeitgeberin hätte den Spezialisten zu Recht nicht in die Sozialauswahl einbeziehen müssen, falls die von ihm benannten Mitarbeiter die von ihm ausgeführte Tätigkeit auch nicht nach einer kurzen Einarbeitungsphase ausführen könnten.

Die Beteiligung des Betriebsrats gem. § 99 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) im Falle einer Versetzung des Arbeitnehmers sei keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine mit diesem Ziel erklärte Änderungskündigung.