Nachtzuschlag zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 25.10.2017, Aktenzeichen 3 Sa 400/17
Nachtarbeitszuschläge sind nicht mindestlohnwirksam und deshalb zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.
Die Arbeitszeit eines Zeitungszustellers lag zwischen 2:00 Uhr und 6:00 Uhr morgens. Mit der Einführung des Mindestlohnes für Zeitungszusteller wurde die tägliche Arbeitszeit auf 3,16 Stunden festgelegt. Seit diesem Zeitpunkt zahlte die Arbeitgeberin dem Zusteller die monatlichen Stücklöhne/Grundlöhne zuzüglich Nachtzuschlag auf die Stücklöhne sowie eine ergänzende Besitzstandszulage. Sie stockt diese Beträge auf, um den gesetzlichen Mindestlohn zu erreichen.
Der Zeitungszusteller machte beim Arbeitsgericht einen Nachtzuschlag in Höhe von 25% auf den Mindestlohn geltend. Die vertraglich vereinbarte Bemessung des Nachtzuschlages auf den Stücklohn sei nicht gerechtfertigt. Für die Beurteilung, ob der Nachtzuschlag angemessen sei, müsse der Ausgleich wertmäßig am Bruttolohn beurteilt werden.
In ihrer Klageabweisung argumentierte die Arbeitgeberin, es bestehe kein gesetzlicher Anspruch auf Zahlung des Nachtschichtzuschlages, der über den vertraglich vereinbarten Anspruch hinaus geht. Der Arbeitgeberin stehe ein Beurteilungsspielraum zur Bemessungshöhe zu. Mit dem gezahlten Betrag sei der Anspruch auf Nachtschichtzuschlag vollständig abgegolten. Der Zuschlag des Zeitungszustellers sei geringer, weil er nicht während der gesamten Nachtzeit arbeiten müsse.
Das Arbeitsgericht gab der Klage in vollem Umfang statt. Es verpflichtete die Arbeitgeberin, einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25% vom Mindestlohn für Zeitungszusteller zu zahlen. Unter Abwägung aller Umstände sei hier nicht vom im Regelfall zu zahlenden Zuschlag abzuweichen.
Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts legte die Arbeitgeberin Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Das Arbeitsgericht habe bei der Beurteilung der Angemessenheit der Höhe des Nachtzuschlages nicht alle Umstände zutreffend berücksichtigt. Die kurze tägliche Arbeitszeit sowie der Umstand, dass der Zusteller nur in den nächtlichen Randzeiten tätig ist, müssten zu einer Absenkung des angemessenen Prozentsatzes führen. Die fristgerechte Verteilung von Tageszeitungen sei zwingend nur während der Nacht zu erbringen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei ein Nachtarbeitszuschlag von 10% angemessen. Die von ihr gezahlten Nachtzuschläge lägen unstreitig über der Marke von 10% .
Das LAG entschied, das Arbeitsgericht habe der Klage zurecht stattgegeben und einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag von 25% ermittelt. Die Arbeitgeberin habe sich zu keinem Zeitpunkt auf die Möglichkeit der Gewährung von Freizeitausgleich berufen. Da keine tariflichen Ausgleichsregelungen bestehen, stünde dem Zeitungszusteller ein angemessener Nachtarbeitszuschlag nach § 6 Absatz 5 ArbZG (Arbeitszeitgesetz) zu. Dieser sei regelmäßig auf das von der Arbeitgeberin zu zahlende Bruttoentgelt zu leisten. Wegen der gesetzlichen Regelung in § 6 ArbZG sind Nachtzuschläge anders als Sonn- und Feiertagszuschläge nicht mindestlohnwirksam und damit zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.
Angemessen sei regelmäßig ein Nachtarbeitszuschlag von 25% entsprechend der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG). Werde die normalerweise mit der Nachtarbeit verbundene Belastung überschritten, könne sich der Zuschlag erhöhen. Daher werde bei Dauernachtarbeit regelmäßig ein Zuschlag von 30% angesetzt. Ein geringerer Ausgleich sei angemessen, wenn in die Nachtarbeit in nicht unerheblichen Umfang Zeiten von Arbeitsbereitschaft fallen. Es sei auch zu berücksichtigten, ob der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, zum Schutz des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern, angewendet werden könne.
Unter Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände sei der Nachtzuschlag in Höhe von 25% angemessen.
Die Dauernachtarbeit des Zeitungszustellers spreche für eine Erhöhung des Regelzuschlages von 25%. Gegen die Erhöhung des Regelzuschlages von 25% spreche, dass die Nachtarbeit für die rechtzeitige Zustellung von Tageszeitungen zwingend notwendig ist.
Der geringe Umfang der Nachtarbeitsstunden von 3,16 Stunden scheide als Gewichtungsaspekt aus, da bereits 2 Stunden Nachtarbeit genügen, um eine besondere Belastung entstehen zu lassen, die durch den gesetzlichen Nachtarbeitszuschlag ausgeglichen werden soll. Der Einwand der Arbeitgeberin, der Zeitungszusteller arbeite eher in den Randzeiten der Nachtzeit sei unberechtigt. Die gesundheitliche Belastung des Zeitungszustellers durch fehlenden Nachtschlaf setze nicht erst mit dem Arbeitsbeginn um 2:00 Uhr ein. Bereits eine vorherige normale Nachtruhe des Zeitungszustellers sei wegen der Vorbereitungs- und Wegezeiten unmöglich.
Anhand der Gewichtung der Umstände kam das Landesarbeitsgericht zur Entscheidung, der Regelzuschlag für Nachtarbeit von 25% sei beizubehalten. Die jeweilige Abweichung nach oben und unten böte keinen Anhaltspunkt für eine gravierende Verlagerung der Gewichtung.
Die Revision zur Entscheidung wurde zugelassen.