Höhe einer Sozialplanabfindung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.05.2018, Aktenzeichen 1 AZR 20/17
Abfindungen aus dem Sozialplan sind zukunftsbezogene Zahlungen. Für Beschäftigte in Elternteilzeit ist als Basis für die Abfindung das arbeitsvertraglich vereinbarte Bruttogehalt für die Berechnung des Bruttomonatsentgelts zugrunde zu legen, um Ungleichbehandlungen zu vermeiden.
Ein Mitarbeiter befand sich seit 2007 in Elternzeit. Seit 2008 war er während der Elternzeit teilzeitbeschäftigt. Die Arbeitgeberin plante, den Betrieb zum 30.09.2015 stillzulegen. Mit dem Betriebsrat schloss sie einen Interessenausgleich und Rahmensozialplan ab. Zur Berechnung der Grundabfindung wurden das Bruttomonatsgehalt sowie die Betriebszugehörigkeit in Jahren zugrunde gelegt.
Als Berechnungsgrundlage für die Abfindung sollte das Bruttomonatsgehalt für den Monat Februar 2015 dienen, ohne Zulagen, Boni, variable Anteile, Sonderzahlungen und Prämien. Berücksichtigt werde die Höhe des Bruttorundgehalts bis maximal zur Beitragsbemessungsgrenze.
Zum 30.09.2015 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag. Für die Berechnung der Abfindung legte die Arbeitgeberin das für die Elternteilzeit gezahlte verringerte Entgelt zugrunde. Die Elternteilzeit hätte im Juni 2016 geendet.
Der Mitarbeiter beantragte vor dem Arbeitsgericht die Feststellung, dass für die Berechnung seiner Grundabfindung das Entgelt einer Vollbeschäftigung anzusetzen sei. Es sei das Bruttomonatsgehalt zugrunde zu legen, das er vor der Elternteilzeit bezogen habe. Mit dem von der Arbeitgeberin verwendeten Ansatz würde er schlechtergestellt als Arbeitnehmer, die während ihrer Elternzeit keiner Teilzeitbeschäftigung nachgegangen seien, da für diese das Bruttomonatsentgelt maßgeblich sei.
Die Arbeitgeberin führte in ihrer Klageerwiderung aus, mit dem Erhalt der beruflichen Praxis sei ein Vorteil verbunden, der einer erleichterten Neuorientierung auf dem Arbeitsmarkt diene und eine geringere Abfindung gegenüber Arbeitnehmern ohne Teilzeitbeschäftigung rechtfertige.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Mitarbeiters vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) war erfolgreich. Das LAG gab der Klage statt. Mit ihrer Revision vor dem Bundesarbeitsgericht begehrte die Arbeitgeberin die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.
Das BAG entschied, die Revision der Arbeitgeberin sei unbegründet. Für die Berechnung der Grundabfindung entsprechend Rahmensozialplan sei das arbeitsvertraglich vereinbarte Bruttomonatsgehalt maßgebend, das dem Mitarbeiter im Februar 2015 zugestanden hätte. Das anzurechnende Bruttomonatsgehalt sei begrenzt durch die Beitragsbemessungsgrenze bei 6 050 Euro.
Sozialpläne seien nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wegen ihrer normativen Wirkung wie Tarifverträge auszulegen. Sie haben nach der ständigen Rechtsprechung des BAG eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen seien kein zusätzliches Entgelt für in der Vergangenheit erbrachte Dienste. Die Leistungen sollen zukünftige Nachteile ausgleichen, die durch eine Betriebsänderung für den Arbeitnehmer entstehen können. Sozialpläne seien daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht wie dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sind.
Nach diesen Grundsätzen sei der Anspruch des Mitarbeiters auf Grundabfindung noch nicht vollständig erfüllt. Die Grundabfindung sei von der Arbeitgeberin unzutreffend berechnet.
Der Rahmensozialplan regele als Grundlage für die Abfindung das Bruttomonatsgrundgehalt für den Monat Februar 2015 und lasse weitere benannte Entgeltbestandteile unberücksichtigt. Die Regelung stelle nicht auf das tatsächlich im Referenzmonat geleistete Entgelt, sondern auf die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ab. Der Begriff Bruttomonatsgrundgehalt beschreibe die dem Arbeitnehmer vertraglich im Monat zustehende Vergütung. Dem Wortlaut lasse sich nicht einschränkend entnehmen, es solle das im Monat Februar 2015 tatsächlich geleistete Bruttomonatsgrundgehalt maßgebend sein.
Für diese Auslegung spreche die Systematik des Rahmensozialplans sowie Sinn und Zweck der Abfindungsregelung. Einzelne Entgeltbestandteile, die von der konkreten Durchführung des Arbeitsverhältnisses im aktuellen Monat abhängig sind, wurden für die Berechnung ausdrücklich ausgenommen. Damit solle verhindert werden, dass sich die Abfindungshöhe anhand von zufälligen im Referenzmonat zu leistenden Zahlungen bestimme. Mit dem Bruttomonatsgrundgehalt sei gewährleistet, dass ein vorübergehendes Ruhen der Hauptleistungspflichten im betreffenden Monat, etwa durch genommene Elternzeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit, einem ggf. nicht mehr bestehenden Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG oder bei der Vereinbarung von unbezahltem Sonderurlaub nicht zu einer Minderung der Grundabfindung führt. Mit diesem Verständnis unterbleibe eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung für Arbeitnehmer, bei denen diese zu einem geringeren Bruttomonatsgrundgehalt im Monat Februar 2015 führen könnte, im Rahmen der Abfindungszahlung, die als zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion dient.
Für die Berechnung der Grundabfindung sei das dem Mitarbeiter arbeitsvertraglich zustehende Bruttomonatsentgelt maßgebend, das ihm als Vollzeitbeschäftigter im Februar 2015 zugestanden hätte, nicht jedoch das im Rahmen der Elternzeit gezahlte Entgelt für die Teilzeitbeschäftigung. Ein auf das Arbeitsvolumen der Elternteilzeit ausgerichtetes Grundentgelt bewirke eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die in der beanspruchten Elternzeit beim betreffenden Arbeitgeber nicht erwerbstätig gewesen seien und für die deshalb das arbeitsvertraglich vereinbarte Bruttomonatsgrundgehalt für die Berechnung der Abfindung maßgebend ist, und solchen, die in Elternteilzeit tätig wurden und bei denen das Teilzeitentgelt auf Grundlage der Vereinbarung nach § 15 Abs. 5 Satz 2 BEEG (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) maßgebend wäre.
Hätten die Betriebsparteien eine Differenzierung vornehmen wollen, die den Vorteil des Erhalts der beruflichen Praxis berücksichtigt, hätten sie aus Rechtsgründen eine andere Regelung treffen müssen. Allein eine Anknüpfung an die tatsächlichen Verhältnisse in lediglich einem Referenzmonat ohne jede Differenzierung nach der zeitlichen Dauer oder Lage einer Elternzeit oder Elternteilzeit lasse keine typisierende Aussage über Verlust oder Erhalt des beruflichen Wissens zu. Sie sei für eine Bewertung von künftigen Arbeitsmarktchancen nicht tauglich.
Der Mitarbeiter könne die weitere Abfindungszahlung in der beanspruchten Höhe verlangen.