Einstellung eines Beschlussverfahrens
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.08.2018, Aktenzeichen 7 ABR 63/16
Ein Beschlussverfahren ist einzustellen, wenn die Beteiligten das Verfahren für erledigt erklärt haben. Ein erledigendes Ereignis sind tatsächliche Umstände, die nach Anhängigkeit des Beschlussverfahrens eingetreten sind und dazu führen, dass das Begehren des Antragstellers jedenfalls nunmehr als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müsste.
Zwei Arbeitgeberinnen unterhielten einen Gemeinschaftsbetrieb mit rund 400 Mitarbeitern. Zwei Mitarbeiter, die auf der Basis von befristeten Verträgen beschäftigt waren, sollten für knapp zwei Jahre weiter befristet beschäftigt. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung im Bestreben für mehr Dauerarbeitsplätze.
Die Arbeitgeberinnen baten den Betriebsrat daraufhin, Leiharbeitnehmer für diese Aufgabe einzusetzen zu können. Die vorläufigen Einstellungen seien zur Bewältigung des Versandvolumens dringend notwendig. Der Betriebsrat bestritt die Dringlichkeit der vorläufigen Einstellungen. Er verwies auf erhebliche Nachteile für andere Arbeitnehmer sowie die Möglichkeit die bisher befristet eingestellten Mitarbeiter unbefristet weiter zu beschäftigen.
Am ersten Arbeitstag der Leiharbeitnehmer reichten die beiden Arbeitgeberinnen einen Antrag zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats bezüglich der Einstellung der Leiharbeitnehmer beim Arbeitsgericht ein. Zusätzlich begehrten sie die Feststellung, dass der vorläufige Einsatz der Leiharbeitnehmer dringend erforderlich sei. Sie vertraten die Auffassung, die Begründung des Betriebsrats rechtfertige nicht die Verweigerung der Zustimmung zur personellen Maßnahme.
Das Arbeitsgericht entsprach den Anträgen der Arbeitgeberinnen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Beschwerde des Betriebsrats zurück. Mit der Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte der Betriebsrat seinen Abweisungsantrag weiter.
Die Arbeitgeberinnen erklärten ihre Sachanträge vor dem BAG für erledigt, da die Leiharbeitnehmer bereits Ende Januar 2017 aus dem Betrieb ausgeschieden sind. Dieser Erledigungserklärung widersprach der Betriebsrat. Die Arbeitgeberinnen beantragten, das Verfahren bezüglich ihrer Sachanträge einzustellen und die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.
Das BAG entschied, das Verfahren sei bezüglich der Sachanträge der Arbeitgeberinnen einzustellen. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats sei zurückzuweisen. Aufgrund der einseitigen Erledigungserklärung der Arbeitgeberinnen sei das Verfahren auch ohne Zustimmung des Betriebsrats entsprechend § 95 Satz 4 und § 83a Absatz 2 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) einzustellen.
Ein Beschlussverfahren sei einzustellen, wenn die Beteiligten das Verfahren für erledigt erklärt haben. Wurde das Verfahren vom Antragsteller für erledigt erklärt, werden die übrigen Beteiligten aufgefordert, innerhalb einer Frist von mindestens 2 Wochen mitzuteilen, ob sie der Erledigung zustimmen. Äußert sich ein Beteiligter nicht innerhalb dieser Frist, gilt dies als Zustimmung.
Erklärt der Antragsteller das Verfahren für erledigt, und andere Beteiligte widersprechen der Erledigungserklärung, hat das Gericht zu überprüfen, ob der zu erledigende Fall eingetreten ist. Es komme, anders als im Urteilsverfahren nicht darauf an, ob der gestellte Antrag bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war.
Ein erledigendes Ereignis sind tatsächliche Umstände, die nach Anhängigkeit des Beschlussverfahrens eingetreten sind und dazu führen, dass das Begehren des Antragstellers jedenfalls nunmehr als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müsste.
Entgegen der Ansicht des Betriebsrats sei die Prüfung, ob der gestellte Antrag bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war, weder nach § 83a Absatz 3 Satz 2 ArbGG erforderlich noch im Hinblick auf Kostenerwägungen oder eine Klärungs- und Befriedungswirkung geboten.
Die fingierte Zustimmung des Beteiligten, der sich nicht innerhalb der gesetzten Frist äußert, bewirke das Vorliegen einer übereinstimmenden Erledigungserklärung, die zur Einstellung des Verfahrens führt, ohne dass vom Gericht zu prüfen sei, ob tatsächlich ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Die Erledigung nach der gesetzlichen Konzeption setze nur den Eintritt eines erledigenden Ereignisses, nicht aber die Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags bis dahin voraus.
Im Beschlussverfahren müssten Kostenerwägungen nicht daraufhin geprüft werden, ob der Antrag vor Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war. Für das Urteilsverfahren hingegen sei allein im Interesse einer evidenten Gerechtigkeitslücke die einseitige Erledigungserklärung geschaffen und weiterentwickelt worden, weil es dem Kläger nicht zugemutet werden solle, die Kosten einer Klage zu tragen, die nur deshalb im Ergebnis keinen Erfolg hat, weil sie allein durch ein erledigendes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist.
Dagegen spielten im Beschlussverfahren Kostenüberlegungen keine Rolle. Jeder Beteiligte habe grundsätzlich seine Kosten selbst zu tragen. Soweit ein Beteiligter von einem Anderen nach materiellem Recht Erstattung dieser Kosten verlangen könne, sei der Kostenerstattungsanspruch nicht unmittelbar davon abhängig, dass sein Antrag zulässig und begründet war. Die Prüfung, ob der Antrag vor Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war, sei auch nicht im Hinblick auf eine davon ausgehende Klärungs- und Befriedungswirkung veranlasst.
Streiten die Beteiligten anlässlich einer konkreten Maßnahme des Arbeitgebers über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts, können sie, um diesen Streit für die Beteiligten bindend klären zu lassen, einen darauf gerichteten, von der konkreten Maßnahme losgelösten Feststellungsantrag stellen, wenn die Maßnahme sich auch künftig jederzeit wiederholen kann. Mit einem solchen Feststellungsantrag wird bei personellen Einzelmaßnahmen vorübergehender Art eine höchstrichterliche Klärung betriebsverfassungsrechtlicher Streitfragen ermöglicht.
Diese Klärungs- und Befriedungswirkung kann nach Eintritt eines die konkrete Maßnahme erledigenden Ereignisses nicht durch eine Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit des auf die konkrete Maßnahme beschränkten Antrags im Rahmen der Erledigung erreicht werden. Die den Antrag abweisende oder die Erledigung feststellende Entscheidung gäbe eine Antwort auf die strittige Rechtsfrage allenfalls in der Begründung, entschiede diese aber nicht mit Rechtskraft zwischen den Beteiligten. Die Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit des auf die konkrete Maßnahme gerichteten Antrags liefe letztlich nur darauf hinaus, einem Beteiligten im Sinne eines Rechtsgutachtens die Richtigkeit seiner Rechtsauffassung zu bestätigen. Dies sei den Gerichten verwehrt.
Danach ist das Verfahren hinsichtlich der Sachanträge der Arbeitgeberinnen einzustellen. Diese haben als Antragstellerinnen das Verfahren in Bezug auf ihre Sachanträge einseitig für erledigt erklärt. Die Anträge der Arbeitgeberinnen, die Zustimmung des Betriebsrats zu der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmer zu ersetzen, und festzustellen, dass die vorläufige Einstellung dieser Leiharbeitnehmer aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, haben sich mit der Beendigung der befristeten Einstellung dieser Leiharbeitnehmer erledigt. Diese Anträge sind nunmehr unzulässig. Nach dem Ende der befristeten Beschäftigung stelle sich die Frage nach der Befugnis zur gegenwärtigen und künftigen Beschäftigung der Leiharbeitnehmer nicht mehr.
Der Streitgegenstand eines Feststellungsantrags des Arbeitgebers nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ist seine betriebsverfassungsrechtliche Befugnis, eine personelle Maßnahme solange vorläufig durchzuführen, bis über die Berechtigung zu ihrer dauerhaften Durchführung gerichtlich entschieden ist. Nach dem Ende der befristeten Beschäftigung besteht für diesen Antrag kein Feststellungsinteresse mehr.
Der mit der Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Sachanträge der Arbeitgeberinnen zur Entscheidung angefallene Widerantrag des Betriebsrats blieb ohne Erfolg. Die Erhebung des Widerantrags erstmals in der Rechtsbeschwerdeinstanz sei unzulässig.