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Bruttolöhne – Einsichtsrecht des Betriebsrats

Datenschutz – Einsichtsrecht des Betriebsrats

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.50.2019, Aktenzeichen 3 TaBV10/18

Listen über die Bruttolöhne und Gehälter müssen dem Betriebsrat nicht anonymisiert zur Verfügung gestellt werden.

Dem Betriebsrat steht ein Einsichtsrecht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten der Arbeitnehmer, mit Ausnahme der leitenden Angestellten, in nicht anonymisierter Form zu.

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit Kliniken und Einrichtungen zur Rehabilitation. Der örtliche Betriebsrat hatte beschlossen, den Gesamtbetriebsrat mit der Frage des Einsichtsrechts zu beauftragen. Bei der Arbeitgeberin besteht kein Vergütungssystem. Die Arbeitgeberin wollte lediglich anonymisierte Lohn- und Gehaltslisten zur Verfügung stellen. Zudem war die Arbeitgeberin der Auffassung, während der Einsichtnahme des Betriebsrats dürften von ihr benannte Personen zugegen sein. Damit solle sichergestellt werden, dass keine Abschriften oder Fotos angefertigt werden.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt. Es sei nicht ausreichend, lediglich anonymisierte Listen vorzulegen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und die Aufgabenstellung des Betriebsrats berücksichtigend, sei es nicht ausreichend, anonymisierte Listen vorzulegen. Bundesdatenschutzgesetz und Datenschutzgrundversorgung seien nicht geeignet, das Einsichtsrecht des Betriebsrats auf anonymisierte Listen zu reduzieren. Das gelte ebenso für das Entgelttransparenzgesetz.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts legte die Arbeitgeberin Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG)  ein. Sie argumentierte, das Recht zur Einsichtnahme des Betriebsrats sei nicht streitig. Es gehe lediglich darum, in welchem Umfang dem Betriebsrat das Einsichtsrecht zu gewähren sei. Nach Ansicht der Arbeitgeberin sei eine 2-stufige Vorgehensweise ausreichend. Zunächst die anonymisierte Einsichtnahme des Betriebsrats. Im zweiten Schritt dann die Offenlegung der Namen, falls der Betriebsrat Probleme erkennt. Der Betriebsrat könne auch ohne Nennung von Namen seine Aufgaben wahrnehmen. Da kein Erfordernis für die Nennung von Klarnamen vorliege, ständen die Datenschutzrechtlichen Bestimmungen der Namensnennung entgegen.

Der Informationsanspruch des Betriebsrats finde seine Grenzen im Persönlichkeitsrecht der einzelnen Mitarbeiter. Seit Geltung der neuen Datenschutzgrundverordnung sei es datenschutzrechtlich nicht mehr zu rechtfertigen, einem Betriebsrat alle Namen zu Gehaltslisten ohne Prüfung der Notwendigkeit gerade für dessen Aufgabenwahrnehmung kund zu tun. In den Fällen, in denen eine Datenverarbeitung nicht zwingend erforderlich ist, sei dem Datenschutz Vorrang einzuräumen. Im Entgelttransparenzgesetz sei vorgesehen, dass die Bruttolohn- und Gehaltsliste zwar hinsichtlich der Gehaltsbestandteile vollständig zu sein habe, jedoch diese nur nach dem jeweiligen Geschlecht aufgeschlüsselt werden müsse.

Das LAG entschied, dem Betriebsrat sei die Einsicht in nicht anonymisierte Bruttoentgeltlisten zu gewähren.

Gemäß § 80 Absatz 2 Satz 2 BetrVG seien dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und in diesem Zusammenhang Einsicht in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter zu gewähren, soweit dies zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats notwendig ist. Dafür liege kein besonderes Überwachungsbedürfnis vor.

Der Betriebsrat habe nach § 80 Absatz 1 Nummer 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden. Aus dem Sinn und Zweck dieser Regelung ergebe sich, dass die Arbeitgeberin grundsätzlich nicht berechtigt sei, lediglich anonymisierte Unterlagen vorzulegen. Die Überwachungsfunktion des Betriebsrats könne nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts nur gewährleistet werden, wenn die Zuordnung der Unterlagen zu einem bestimmten Mitarbeiter möglich ist. Anhand von Namen und bei Namensgleichheit der Personalnummer, könne der Betriebsrat feststellen, welcher Mitarbeiter welche Vergütungsbestandteile erhält, und welche Vergütungsbestandteile einzelne oder in Gruppen zusammengefasste Arbeitnehmer beziehen.

Das von der Arbeitgeberin vorgesehene zweistufige Verfahren, Namen nur anhand konkreter Einzelfälle zu nennen, entspreche nicht den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes. Der Betriebsrat sei nicht verpflichtet, das Ergebnis seiner Prüfungen unmittelbar der Arbeitgeberin mitzuteilen, weil das dann einer Überwachung des Betriebsrats durch die Arbeitgeberin gleichkäme.

Nach § 26 Absatz 1 Satz 1 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) ist die Datenverarbeitung zum Zweck der Ausübung von Rechten der Interessenvertretung der Beschäftigten ausdrücklich erlaubt. Nach Artikel 6 Absatz 1c DS-GVO (Datenschutz Grundverordnung) ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie für einen Verantwortlichen zur Erfüllung seiner rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist. Nach Ansicht des LAG ist der Betriebsrat Verantwortlicher im Sinne des Artikel 4 Ziffer 7 DS-GVO, da er über die Zwecke der von ihm wahrgenommenen Einsicht in die Bruttoentgeltlisten selbst entscheidet.

Die Regelungen des Entgelttransparenzgesetzes sehen keine Einschränkung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten des Betriebsrates vor, sondern deren Erweiterung, was sich schon aus § 13 Absatz 6 EntgTranspG (Entgelttransparenzgesetz) ergibt, wonach gesetzliche und sonstige kollektiv-rechtlich geregelte Beteiligungsrechte des Betriebsrates von diesem Gesetz unberührt bleiben. Zudem folgt aus § 13 Absatz 3 Satz 1 EntgTranspG, dass der Arbeitgeber dem Betriebsausschuss nicht nur Einblick in die Bruttoentgeltlisten zu gewähren hat, sondern die Listen in aufgeschlüsselter Form bereithalten muss. Soweit für § 13 Absatz 3 EntgTranspG aus § 12 Absatz 3 EntgTranspG folgt, dass die Entgeltlisten anonymisiert werden, beziehe sich dies auf den Informationsanspruch des Arbeitnehmers, aber nicht auf die Rechte zur Einsichtnahme aus § 80 Absatz 2 Satz 2 HS 2 BetrVG, die stets ohne Anonymisierung verlangt werden kann.

Bei der Einsichtnahme in die Bruttoentgeltlisten nach § 80 Absatz 2 Satz 2 HS 2 BetrVG dürfen keine Personen anwesend sein, die den Betriebsrat überwachen oder mit seiner Überwachung beauftragt sind. Die Arbeitgeberin habe auch nicht vorgetragen, dass Zweifel an der rechtskonformen Einsichtnahme des Betriebsrats bestünden. Die Darstellung abstrakter Missbrauchsmöglichkeiten ohne konkreten Fallbezug könne die Anwesenheit eines Mitarbeiters während der Einsichtnahme nicht rechtfertigen, da dies zu einer rechts unzulässigen Überwachung führe.

Eine Rechtsbeschwerde zu diesem Urteil wurde nicht zugelassen.