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Zustimmungsersetzung Betriebsrat bei Einstellung

Zustimmung des Betriebsrats zu einer Tätigkeit ohne Arbeitsplatz

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.06.2019, Aktenzeichen 1 ABR 5/18

Die für eine Einstellung erforderliche Eingliederung in die Betriebsorganisation erfordert weder, dass die geschuldeten Arbeiten auf dem Betriebsgelände verrichtet werden, noch setzt sie eine Mindestanwesenheitszeit im Betrieb voraus.

In einem Betrieb des Unternehmens unterhält die Arbeitgeberin einen Bereich mit 4 Abteilungen. Ein in der Zentrale des Unternehmens tätiger Mitarbeiter wurde zum Bereichsleiter für diese 4 Abteilungen befördert. Seine Funktion als Bereichsleiter nahm der Mitarbeiter von der Zentrale des Unternehmens aus wahr. Gelegentlich war er in der Betriebsstätte anwesend.

Der Betriebsrat der Zentrale hatte auf eine Ausschreibung der Stelle verzichtet und der Beförderung zugestimmt. Der Betriebsrat der Betriebsstätte verweigerte seine Zustimmung mit der Begründung, es habe keine Stellenausschreibung stattgefunden. Damit liege ein Verstoß gegen § 93 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) und die GBV (Gesamtbetriebsvereinbarung) Stellenausschreibung vor.

Die Arbeitgeberin leitete beim Arbeitsgericht ein Zustimmungsersetzungsverfahren ein. Die Übertragung einer Vorgesetztenfunktion begründe keine Einstellung. Zudem sei in solch einem Fall der Gesamtbetriebsrat und nicht der örtliche Betriebsrat zuständig.

Der örtliche Betriebsrat argumentierte, seine Zustimmung zu der personellen Maßnahme sei notwendig aber nicht zu ersetzen.

Das Arbeitsgericht wies den Zustimmungsersetzungsantrag als unzulässig ab. Mit seiner Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) verfolgte der Betriebsrat weiterhin die Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrag. Das LAG änderte den Beschluss des Arbeitsgerichts und wies den Zustimmungsersetzungsantrag als unbegründet ab. Mit ihrer Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin den Zustimmungsersetzungsantrag weiter.

Das BAG entschied, die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Bereichsleiters in der Betriebsstätte sei zu ersetzen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liege eine Einstellung im Sinne von § 99 Absatz 1 Satz 1 BetrVG vor, wenn eine Person in den Betrieb eingegliedert werde, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen.

Die für eine Einstellung erforderliche Eingliederung in die Betriebsorganisation erfordere nicht, dass der Arbeitnehmer seine Arbeiten auf dem Betriebsgelände oder innerhalb der Betriebsräume verrichte. Entscheidend sei vielmehr, ob die Arbeitgeberin mit Hilfe des Arbeitnehmers den arbeitstechnischen Zweck des jeweiligen Betriebs verfolge. Unerheblich sei, dass er nur gelegentlich in der Betriebsstätte anwesend sei. Eine Eingliederung erfordere weder, dass die geschuldeten Arbeiten auf dem Betriebsgelände verrichtet werden, noch setze sie eine Mindestanwesenheitszeit im Betrieb voraus.

Als unmittelbarer Vorgesetzter der Abteilungsleiter und mittelbarer Vorgesetzter der sonstigen in der Betriebsstätte beschäftigten Arbeitnehmer der Abteilungen sei der Bereichsleiter in die Erfüllung der dort zu erledigenden operativen Aufgaben eingebunden. Durch die Wahrnehmung dieser Führungsaufgaben verwirkliche er auch den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs.

Bei der Ausübung seiner Führungsaufgaben sei der Bereichsleiter aufgrund seines Arbeitsvertrags weisungsgebunden tätig. Unerheblich für die Annahme einer Eingliederung sei, wie häufig die zur Verwirklichung des Betriebszwecks durchgeführten Tätigkeiten erfolgen oder wieviel Zeit sie in Anspruch nehmen. Anders als bei einer Versetzung seien dem Gesetz keine quantitativen oder qualitativen Vorgaben für die zu erbringenden Tätigkeiten, die eine Eingliederung begründen, zu entnehmen.

Der Umstand, dass der Bereichsleiter bereits in den Betrieb der Zentrale eingegliedert ist, stehe der Annahme, er werde durch die Wahrnehmung von Vorgesetztenfunktionen auch in den Betriebsteil eingegliedert, ebenfalls nicht entgegen. Dem Betriebsverfassungsgesetz lasse sich nicht entnehmen, dass eine Einstellung im Sinne von § 99 Absatz 1 Satz 1 BetrVG und damit eine Eingliederung nicht gleichzeitig in mehreren Betrieben möglich sein kann.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einstellung diene vornehmlich den Interessen der schon im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Der Betriebsrat solle die Möglichkeit haben, deren Belange nach Maßgabe möglicher Zustimmungsverweigerungsgründe im Sinne von § 99 Absatz 2 BetrVG gegen die beabsichtigte Einstellung geltend zu machen. Diese Interessen können auch bei der Zuweisung von Vorgesetztenfunktionen an bislang betriebsfremde Arbeitnehmer berührt sein.

Durch den Hinweis, dass Mitarbeiter aus dem Bereich ihren Dienstsitz in der Betriebsstätte haben, sei erkennbar geworden, dass der Mitarbeiter auch Vorgesetzter von Arbeitnehmern der Betriebsstätte werden solle. Unschädlich sei, dass die Arbeitgeberin die Zustimmung zu einer Versetzung und nicht zu einer Einstellung erbeten habe. Das Landesarbeitsgericht habe zu Recht angenommen, hierbei handele es sich nur um eine unzutreffende rechtliche Wertung der Arbeitgeberin. Für den Betriebsrat sei erkennbar gewesen, dass es um eine Eingliederung des Mitarbeiters und damit um eine Einstellung in der Betriebsstätte ging.

Angaben zu sonstigen Bewerbern auf die Position des Bereichsleiters bedurfte es nicht, da die Arbeitgeberin weder eine interne Ausschreibung dieser Stelle vorgenommen hatte noch sonstige Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass es weitere Bewerber für die Funktion des Bereichsleiters gab.

Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz obliege grundsätzlich dem von den Arbeitnehmern unmittelbar gewählten Betriebsrat. Dem Gesamtbetriebsrat sei nach § 50 Absatz 1 Satz 1 BetrVG nur die Behandlung von Angelegenheiten zugewiesen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden könnten.

Die Einstellung des leitenden Mitarbeiters als zustimmungspflichtige Angelegenheit im Sinne von § 50 Absatz 1 BetrVG betreffe nicht mehrere Betriebe. Für die Ausübung des dadurch ausgelösten Mitbestimmungsrechts nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sei der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs zuständig. Er habe für die Wahrnehmung der Interessen seiner Belegschaft Sorge zu tragen. Soweit die Beförderung des Mitarbeiters gleichzeitig auch eine Versetzung im Sinne von § 95 Absatz 3 BetrVG innerhalb des Betriebs der Zentrale darstelle, obliege die Wahrnehmung des dadurch begründeten Zustimmungsrechts dem dortigen Betriebsrat. Er habe die Interessen der Belegschaft dieses Betriebs und ggf. die des von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers zu wahren.

Der Betriebsrat der Betriebsstätte habe seine Zustimmung wirksam verweigert. Er habe ausdrücklich gerügt, dass es keine Stellenausschreibung gegeben habe und dies sowohl gegen die GBV Stellenausschreibung als auch gegen § 93 BetrVG verstoße. Damit habe er sich auf Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Absatz 2 Nr. 1 und Nr. 5 BetrVG berufen. Der Betriebsrat habe seine Zustimmung jedoch zu Unrecht gemäß § 99 Absatz 2 Nr. 1 und Nr. 5 BetrVG verweigert, da ein Zustimmungsverweigerungsgrund nicht vorliege.

Das Mitbestimmungsrecht beziehe sich auf die Besetzung vorhandener Arbeitsplätze im Betrieb und nicht auf die Schaffung neuer. Es setze daher eine bereits vorhandene oder eine von der Arbeitgeberin geschaffene neue Stelle im Betrieb voraus. Die Arbeitgeberin habe jedoch im Betrieb weder einen neuen Arbeitsplatz geschaffen noch einen dort schon vorhandenen neu besetzt.

Die Arbeitgeberin habe vorliegend beschlossen, die Leitung der vier Abteilungen durch einen Bereichsleiter ausführen zu lassen, der seinen Dienstsitz in der Zentrale hat. Die Entscheidung, wo der Arbeitsplatz eines betriebsübergreifend tätigen Vorgesetzten in örtlich-räumlicher Hinsicht angesiedelt sein soll, obliege als Teil der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit der Arbeitgeberin. Soweit der Mitarbeiter Führungsaufgaben wahrnimmt, führe dies nicht zu einem freien Arbeitsplatz im Betrieb.

Ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Absatz 2 Nr. 1 BetrVG scheide wegen Verstoßes gegen § 2 GBV Stellenausschreibung schon deshalb aus, weil die Arbeitgeberin nicht verpflichtet war, die Position des Bereichsleiters auszuschreiben. Nach § 5 GBV Stellenausschreibung könne mit Zustimmung des örtlichen Betriebsrats auf die Ausschreibung von Arbeitsplätzen und den Aushang der Ausschreibung in den übrigen Betrieben verzichtet werden. Diese Voraussetzungen lagen vor. Der Betriebsrat der Zentrale hatte seine Zustimmung zu einem Verzicht auf die Ausschreibung der Stelle des Bereichsleiters erklärt.

Bereits die sprachliche Fassung von § 5 GBV Stellenausschreibung zeige, dass nur derjenige Betriebsrat die Zustimmung zu einem Ausschreibungsverzicht erklären muss, der in dem Betrieb gebildet ist, in dem sich der auszuschreibende Arbeitsplatz befinden soll. Erforderlich sei lediglich die Zustimmung des örtlichen Betriebsrats und nicht aller im Unternehmen gebildeten Betriebsräte. Erfolge die Zustimmung des örtlichen Betriebsrats, können die Ausschreibung im Betrieb nach § 6 Nr. 1 GBV Stellenausschreibung sowie ein entsprechender Aushang der Ausschreibung in den übrigen Betrieben unterbleiben.

Auch § 2 GBV Stellenausschreibung knüpfe lediglich an den Begriff des Arbeitsplatzes und greife deshalb nur, wenn ein Arbeitsplatz im Sinne von § 93 BetrVG innerhalb eines Betriebs besetzt werden soll.